Irene Kohlbergers SALVETE

Amsterdam

 

  Amsterdam (12.November bis 15.November 2011)

      

Amsterdam ist im Zentrum wie ein Amphitheater angeordnet. Grachten und Straßen bilden die sternförmigen Verbindungsstrecken zu den Rängen, die von den Grachtenhäusern geformt werden. Das Wandern von A nach B kann daher auch kaum in  direkter Linie erfolgen, sondern immer in Annäherung an das Ziel, indem man grundsätzlich einmal die Richtung einschlägt, um sich dann den Möglichkeiten, die sich aus den Brücken über die Grachten ergeben, anzupassen

 

 Und wir verfehlen im ersten Anlauf auch unser Hotel, weil wir eine Gracht zu früh abbiegen. Erst im Laufe unserer Besuchstage wird uns die Struktur der Straßen nach und nach vertrauter.

Amsterdam ist eine leise Stadt. Nur wenige Straßen führen von außen ins Zentrum der Stadt, und auch an ihnen ist es nicht so laut wie wir es gewohnt sind, weil die geringe Geschwindigkeit, womit sich die Fahrzeuge fortbewegen, den Lärm der Pneus wesentlich dämpft. Laut sind nur die Straßenbahnen, die sich über Bücken und durch Kurven mit metallischem Kreischen fortbewegen.

         

 

Doch über alle Fortbewegungsmittel herrscht das Fahrrad. Und es ist erstaunlich, wie erfindungsreich die Fahrradindustrie hier geworden ist, um Kisten und Anhänger zu konstruieren, worin Kleinkinder und Waren größeren Umfangs transportiert werden können. Bei uns wären diese Anhänger bestimmt verboten, so fragil und wenig vertrauenserweckend erscheinen sie auf den ersten Blick. Die Fahrräder selbst erinnern mich an jene, die in meiner Kindheit üblich waren. Alle sind schwarz – offensichtlich zumeist ohne Gangschaltung – einfach Fahrräder und sonst nichts. Sie stehen in großen Gruppen an den Rändern der Grachten gelehnt, einige abgesperrt - andere nicht. Manchmal liegen sie auch über - und untereinander, weil ihre Besitzer offensichtlich keine Zeit hatten, die Räder ordentlich abzustellen. Bunte Kinderräder, wie sie bei uns üblich sind, gibt es nicht – auch die Kinderräder sind schwarz…

Am Flughafen hatten wir nach langer Wartezeit ein Amsterdamticket um Neunundfünzig Euro erworben, das uns zum Benützen aller Öffis berechtigt. Doch wir machen unsere Touren zu Fuß, ohne uns wirklich anzustrengen, weil die Wegstrecken innerhalb der Alt-Stadt relativ kurz sind…

Die sehenswürdigen öffentlichen Gebäude halten sich in Amsterdam in Grenzen – wenn man von der Oude Kerk und der Nieuwe Kerk einmal absieht, die als ordentliche gotische Hallenkirchen errichtet und von den Calvinisten „erobert“ und ausgeräumt wurden. Außer den privaten Grachthäusern entstand nur das Rathaus (heute königlicher Palast) im 17. Jh., obwohl dieses klassizistische Werk ohne Probleme als historistischer Bau des 19.Jhs. durchgehen könnte. Zwar trugen klassische Bauten Giebelfelder mit Figurenschmuck, die zum architektonischen Gesamtwerk dazugehörten, doch geraten hier die barocken, üppigen Gestalten, die sich den Platz im schmalen Giebelfeld streitig machen, mit der mächtigen und nur wenig strukturierten Fassade des Gebäudes in deutlichen Widerspruch.  Rathaus, Bahnhof und Rijks-museum bilden die architektonische Trias, die aus dem Fundus der Architekturgeschichte schöpft, und zwar nach dem Motto, Figurenfriese sind schön, Burganlagen aus der Ritterzeit sind schön, wie schön müssen erst Figurenfriese auf Burganlagen sein. Wir sind von Wien schon Einiges gewöhnt: aber eines muss man den „architektonischen Meisterleistungen“ der Ringstrasse zugestehen: Wenn sich die Architekten zur Kopie eines Stiles durchgerungen haben, dann haben sie diesen durchgehalten. Das Ergebnis ist zweifellos auch nicht viel besser, aber man könnte ein „bemüht“ darunter setzen. In Amsterdam gibt es nur wenig Prestigegebäude - die Kirchen nicht eingerechnet - die im 19.Jh. errichtet wurden und vielleicht hat man deshalb versucht alle Architekturformen in diesen zu verschmelzen.

Rathaus Rijksmuseum

Das Amsterdamticket berechtigt uns alle Museen zu besuchen, einschließlich des Rijks - und des Van Gogh Museums. Und es macht sich für uns mehr als bezahlt. Insgesamt werden wir 13 Museen besuchen – eine imponierende Zahl für einen viertägigen Besuch zweifellos, aber im Einzelnen war es nicht so toll anstrengend, weil die Museen manchmal größere aber auch kleinere Sammlungen anbieten. Im Rahmen der Diskussionen um moderne Museumskonzepte werden viele Ideen vorgestellt und beraten. Wenn es aber an die Umsetzung geht, dann fehlt meistens der praktische Wille und zumeist das Geld.

Amsterdam ist anders – um einen für Wien kreierten Spruch für diese Stadt Berechtigung einzuräumen. Hier hat man sich auf die Museumslandschaft konzentriert und Erstaunliches auf die Beine gestellt.

                   

Dazu gehört vor allem ein großzügiger moderner Bau, worin die Van Goghs Bilder aufgehängt sind, die aus dem Nachlass des Bruders von Vincent in den Besitz der Stadt übergegangen sind. Angesichts der astronomisch hohen Summen, die für ein Werk von Van Gogh heute bezahlt werden und dem weltweiten Interesse, das man seinem OEuvre entgegenbringt – versteht man gut, dass die Stadtväter dem Plan dieses großzügig angelegten Baus zugestimmt haben. In weit dimensionierten Raumfluchten sind hier die Bilder in großen Abständen zueinander aufgehängt – wodurch auch bei großem Besucherandrang eine Begegnung mit den Werken möglich ist. Und es fühlt sich gut an, diese Weite der Räume, diese Freiheit und Ungestörtheit der Begegnung mit den Bildern – ganz anders als in den Räumen der geliebten Albertina, wo man sich mit seiltänzerischer Geschicklichkeit immer wieder vor und zurückbewegen muss um den Sichtraum für die Anderen nicht zu blockieren und dennoch ins Zwiegespräch mit dem Bild zu kommen.

Hier ist gut sein. Und jetzt, im November, fehlen auch die Besucherströme – denen hier geschickt begegnet wird. Die Absperrungsschnüre an den Separierungsgittern vor der Kasse hängen locker durch und ich will mir gar nicht vorstellen, wie es hier zur Hauptreisezeit zugehen kann…

In den Ausstellungsräumen begegne ich vielen guten Freunden, d.h.  Bildern, die ich von zahllosen Drucken und Abbildungen kenne. Die Bilder sind nach chronologischen Gesichtspunkten aufgehängt und es war zweifellos ein pädagogische Absicht dabei, als diese Ordnung erstellt wurde. Für den Beginn jeder Entwicklungsepoche Van Goghs wurde ein Text erstellt, der Aufschluss über den Lebenshintergrund und die künstlerischen Auseinandersetzung mit dem OEuvre anderer Maler oder bestimmter Bildinhalte gibt. Damit werden dem interessierten Laien Wissen und Verständnishilfen angeboten, denen wir in der Museumslandschaft Amsterdams noch mehrfach begegnen werden.

Meine Intention hier zu sein entspringt allerdings anderen Wurzeln. Schon lange wollte ich diese Bilder sehen, die ein Genie geschaffen hat, das für seine Bilder Zeit seines Lebens nur Unverständnis und Befremden geerntet hat. Und gerade dieses massive Unverständnis erscheint mir als Scheidemünze, die wirkliche Größe von genialem Können unterscheidet.

Lange stehe ich vor meinen Lieblingsbildern, einem dünnen fast krank wirkenden Bäumchen, das aus dem Rahmen wächst und dennoch blüht. Dann wieder fasziniert mich das Stillleben mit den Pfirsichen, das alle damaligen Vorstellungen von Malereien sprengte. Ein Bild der berühmten Sonnenblumenserie hängt hier und auch der Strauß der dunkelblauen Iris, deren Lebenskraft aus dem Bild geradezu heraus fließt –  verstärkt durch die eine abgebrochene Blüte, die an der rechten Seite abgeknickt zu Boden weist. Paul Gauguins Stuhl, der in einer farblichen Komposition entworfen ist, die es niemals gibt, aber in sich stimmt, fasziniert mich ebenso, wie die Bilder von Gegenständen des Alltags, die unter dem Pinselstrich des Künstlers geradezu lebendig werden: die Holzschuhe, deren Nachdruck viele Kalender ziert. Das Bauernhaus mit Torfstich, das Vincents Neigung zum Verstecken und Flucht in die Einsamkeit wiedergibt. Und die Kartoffelesser – ein Bild, dem ich hier das erste Mal begegne und das Vincent selber als wichtiges Werk seiner frühen Jahre betrachtete. Zweifellos kein Meisterwerk im kompositorischem Sinn – im Grunde sind es Einzelpersonen, die sich um einen Tisch versammelt haben und nicht wirklich zueinander in Beziehung stehen – und doch strahlt es eine Kraft aus, die den Betrachter bannt und nicht loslässt.

Van Gogh war ein Ausnahmeerscheinung, sowohl als  Künstler, wie auch als Mensch. Je mehr man sich mit ihm beschäftigt, umso facettenreicher wird das Bild, das sich enthüllt. Er war wie man so sagt, ein Spätberufener, der keine geregelte akademische Ausbildung erhielt, sondern in der Abgeschiedenheit von Nuenen – dem Geheimnis der Hell-dunkel Malerei durch Malen und wieder Malen auf die Spur zu kommen suchte. Gleichzeitig entwickelte er seine eigenen theoretischen Überlegungen zur Kunst der Malerei im ausgehenden 19.Jh., wo sich künstlerisch alle traditionellen Koordinaten verschoben hatten und zum Teil völlig aufgehoben waren.

Aus seiner selbst gewählten Einsamkeit bricht er auf zur Begegnung  mit den Bildern der Alten (Rubens, Hals, Rembrandt), die naturgemäß in ihrer großen Meisterschaft auch Antworten auf die brennenden Fragen der beginnenden Moderne für ihn bereithalten. In Paris durchlebt und verinnerlicht er innerhalb von zwei Jahren die neuen Strömungen, ohne sich einer von ihnen ganz zu verschreiben.

Eine überdurchschnittlich große Bedeutung für seine Arbeit gewinnt seine Begegnung mit dem künstlerischen OEuvre der Japaner. Um seine Begegnung und Faszination mit dem Empfinden der japanischen Kunst in Werke umzusetzen, reist Van Gogh nach Arles, wo er in zwei Jahren ein lange Reihe von Meisterwerken hervorbringt, die uns bis heute uneingeschränkte Bewunderung abringt.

Als sich einer seiner menschlichen Träume erfüllt und Gauguin zu ihm nach Arles kommt, um mit ihm in Künstlergemeinschaft zu arbeiten, stellt sich heraus, dass ein Zusammenleben beider aufgrund ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten zum Scheitern verurteilt war. Van Gogh reagiert auf den immensen seelische Druck, der von Gauguin auf ihn ausgeübt wird, mit unerwarteter Aggression, die Gauguin von ihm forttreibt. Vielleicht aus schlechtem Gewissen wegen seiner aggressiven Haltung gegenüber Gauguin oder als Überreaktion gegenüber der Enttäuschungen und den Verwirrungen, die aus seinem Lieblingsplan herausgewachsen sind – (Wer weiß es wirklich und kann eines Menschen Reaktion wirklich verstehen?) schneidet sich Van Gogh ein Ohrläppchen ab und schickt dieses zu den Prostituierten ins Hotel von Arles als Zeichen? Wofür? Wir wissen es nicht.

Doch wurde er gerade durch diese „Sendung“ vor dem Verbluten gerettet. Dem übermenschlichen Druck entkommen – aber geschwächt und überanstrengt bricht er Monate später wieder zusammen und geht freiwillig in eine entsprechende Klinik in Saint Remy. Dort arbeitet er, wenn er sich von seinen Anfällen erholt hat, nach wie vor mit höchster Konzentration, und malt in den Räumen der Klinik und die Landschaft nahe der Klinik.

Seine letzten Monate und Wochen verbringt Van Gogh in Auvers, wo Dr.Gachet,der selber malt sich seiner annimmt. Inspiriert von den Weingärten, den strohgedeckten alten Häusern und den Kornfeldern fertigt er in kurzer Zeit eine große Zahl von Gemälden und Zeichnungen an, deren Höhepunkte mehrere breitformatige Landschaften wie das Kornfeld mit Krähen sind.

Obwohl er produktiv war und seine Arbeit immer mehr Anerkennung fand, fühlte sich Van Gogh in den letzten Wochen seines Lebens in Auvers häufig sehr niedergeschlagen. Theo, der mit seinem Gehalt den Lebensunterhalt für die eigene Familie, den Bruder und die Mutter bestreiten musste, erwog bei seiner Firma zu kündigen und sich selbständig zu machen. Vincent sorgte sich um die Zukunft und schrieb Theo, er fürchte, ihm und seiner Familie zur Last zu fallen.

Am 27. Juli 1890 schoss sich Van Gogh in die Brust und starb zwei Tage danach im Beisein seines Bruders. Theo starb nur ein halbes Jahr später. Die Brüder sind nebeneinander auf dem Friedhof von Auvers–sur–Oise begraben.

Vincent und Theo waren zweifellos symbiotisch verbunden, wie die Psychologie Phänomene dieser Art benennt. Im Grunde lebte der eine für den anderen, und zwar in einer Ausschließlichkeit, die auf alle anderen Beziehungen abfärbte. Ziemlich einzigartig, was dieses Brüderpaar in ihrem und mit ihrer beider Leben gestalteten.

Die tragische Seite dieser Beziehung enthüllt sich zweifellos mehr im Leben von Vincent, der keine ordentliche Beziehung zu Frauen zustande brachte, was aber in Künstlerkreisen  eher der Normalfall zu sein scheint, während Theo immerhin eine Frau hatte und einen Sohn. Doch wenn man den Tod von Theo in Betracht zieht, der nach einem halben Jahr seinem Bruder „nachstarb“ dann wird überdeutlich, wie sehr der eine den anderen zum Leben gebraucht hat.

Künstlerisch hat Van Gogh das Wunder geschafft, seine theoretischen Überlegungen in die Praxis umzusetzen:

Nach van Gogh ist ein Bild, das Seele besitzt, der Schöpfung überlegen. Von den Einzelerscheinungen hat es gleichsam abstrahiert, eine höhere Warte eingenommen, um das bleibend Eindrucksvolle an ihnen aufzufangen. So weit sich der Maler hier von der Natur entfernt, so eng klammert er sich gleichzeitig an sie; nur sie kann korrigieren, was die Wesensschau zutage förderte. Der Dialog von Natur und Werk, dem er selbst gleichsam zuhört, ersetzt jenen zwischen Künstler und Kritiker.

Und er schuf viele  Bilder dieser Art, die uns bis heute berühren und trotz des „hips“ der um seine Bilder entstanden ist und uns befremden mag – einem nahezu absoluten und höchsten Kunstanspruch gerecht werden.

 

Internationale Kunstdagen 2011 in der Oude Kerk

Unsere erste Wanderung durch die unbekannte Stadt führte uns zur Oude Kerk . Wir treten ein und es empfängt uns ein ungewöhnlicher Lärm – statt des erwarteten  leeren gotischen Kirchenraums. Die jährlichen „Nationalen Kunstdagen 2011“ finden gerade statt und wir tauchen ein in den riesigen Ausstellungsraum. Plastiken und Malereien sind in Kojen und auf  großen Leinwandflächen aufgereiht und bieten einen Einblick in die moderne Holländische Kunstszene.

Obwohl es ein Kirchenraum ist, scheint die Ausstellung einfach hier herzugehören, und sich in den riesigen Raum harmonisch einzufügen. Und der Eindruck ist überwältigend, der sich hier darbietet.

Im rechten Seitenschiff spielt eine kleine Kapelle in einem Cafe, das sehr gut besucht scheint. Wir schlendern herum und Einige der Bilder erwecken in uns auch  Sehnsucht und Wünsche nach „haben“.

Tonny Strik reakistisch, abstract en portretten

Die Künstler stehen in der Nähe ihrer präsentierten Werke und stehen Rede und Antwort. Dazwischen drängen sich die Kunden, um das eine oder andere Bild oder Werk zu erwerben.

 

Historisches Museum

Es ist das erste Museum, das wir in Amsterdam besuchen. Wir zücken unser Amsterdamticket und erhalten einen schriftlichen Führer in Deutsch mit einem Logo aufgedruckt, das uns zu verschiedenen Stationen des Museums begleiten wird. Diese bestehen aus einem Block mit zwei Kopfhörer, die durch das Auflegen des Logos gestartet werden. Gleichzeitig schaltet sich ein Beamer ein, der die dazugehörigen Bilder auf einer durchsichtigen Fläche projiziert, die von der Decke herabhängt. Die virtuelle Reise beginnt im  11./12. Jh. und endet in der Gegenwart. Die Ausstellungstücke, die herumstehen sind nur begleitende Attribute. Die Texte sind auf wenige Minuten beschränkt und bei entsprechender Konzentration erhält man in eineinhalb Stunden einen guten Überblick über die Geschichte Amsterdams.

Die alten Teile des Museums bergen Sammlungen, die bestimmten Themen gewidmet sind – doch wir haben nicht mehr viel Zeit und müssen rasch durch. Allerdings macht mir die Begegnung mit Rembrandt, und zwar in der medizinischen Abteilung – wo sein „Die Anatomie des Dr. Johann Deyman“ aufgehängt ist, besondere Freude. Eine kunsthistorische Vorlesung vor vielen Jahren beschäftigte sich eingehend mit diesem Bild, wo der verkürzt dargestellte Leichnam das besondere Interesse des vortragenden Professors gefunden hat. Jetzt bei meiner direkten Begegnung mit dem Bild fällt mir auf, dass mich das Sujet keineswegs abstößt, wie das bei einem offenen Schädel zu erwarten wäre, sondern im Gegenteil, mich positiv berührt. Und ich frage mich, ob es nicht wieder das Geheimnis Rembrandts ist, das auch einen so undelikaten, ja fast schockierenden Inhalt fast liebevoll ins Bild setzt.

Vorbei an alten gotischen Tafelbilder - die den Bildersturm der Calvinisten irgendwie überlebt habe und ins Museum verweht wurden – geht es durch die Glassammlungen wieder die Stiege hinauf. Um die Ecke schimmern die alten Möbeln der Barockzeit und ich erblicke Bekanntes und Vertrautes, das sich in vielen Museen Europas wieder findet. Es ist schade hier nicht verweilen zu können, aber wir müssen weiter.

Zum Nachdenken bringen mich allerdings die riesigen Bilder in der Zentralhalle des Museums, wo die Zunftmeister und Vorsteherinnen der Damenstifte auf großen Bildern in schweren Rahmen abgebildet sind. Alle in vornehmes Schwarz gekleidet. Nur die weißen Krägen oder Halskrausen, die sich eng um den Hals der bedeutenden Personen schnüren, bringen ein bisschen Helligkeit in die sonst dunkel gehaltenen Bilder. In der Mehrheit sind es machtbewusste, überlegene Gesichter, die auf den Betrachter herabschauen und die genau wissen, „ Wie es zu gehen hat!“ Nur manchmal mischt sich auch ein gütiges Gesicht darunter.

Es waren die goldenen Jahre oder besser die Jahre von Holz und Stahl, Pech und Teer, Farbe und Tinte, Wagemut und Frömmigkeit, Geist und Phantasie, als diese Bilder bestellt wurden.

Am 30. Jänner 1648 wurde mit dem Frieden von Münster nicht nur der 30jährige Krieg beendet, sondern auch der 80jährige Spanisch-Niederländische Krieg. Die Republik und da vor allem Amsterdam – es hatte von Antwerpen das Szepter übernommen, um es Ende des 17.Jh. an London weiterzugeben – stand auf dem Höhepunkt seiner politischen und wirtschaftlichen Macht. Amsterdam wurde zum Zentrum des Geldmarktes und der Börse Europas. Inzwischen war die V.O.C. zum weltumfassenden Unternehmen aufgestiegen. Auf allen Weltmeeren waren holländische Schiffe unterwegs, sodass sich  in England die Kaufleute beklagten, dass auf ein englisches Schiff zehn holländische Schiffe kamen.

Dennoch war in der ersten Hälfte des 17.Jh. der Handel mit den Ländern an der Ostsee wichtiger als der gesamte Handel mit Asien, Afrika und Amerika. Wöchentlich wurden rund 600 Schiffe am dänischen Sund registriert.  Die Fleuten brachten Getreide, Heringe, Stockfisch, Pelze, Leder und Holz nach Holland und transportierten Salz, Wein, Öl, Käse, Leinen, Seife, Glas, Gewürze und andere Luxusartikel nach Norden. Aus Norwegen wurden ganze Wälder nach Holland über die Nordsee gebracht, um ähnlich wie in Venedig die Grundmauern der neuzuerbauenden Gebäude  in dem sumpfigen Gelände abzustützen. Flüsse und Kanäle bildeten das Rückgrad des Transportwesens. Holländische Ingenieure legten in Italien und Deutschland Land trocken, bauten Windmühlen und Häuser. Maler lernten bei Kollegen in Nürnberg und Italien. Italienische Ingenieure bauten in Holland Festungen, italienische Stuckateure und Musiker arbeiteten in niederländischen Städten. Die niederländisch - italienischen Kontakte reichen bis ins 15.Jh. zurück und hatten ihre Ursprünge in Gent und Brügge. Italiener kauften flämische Malerei, die beliebt waren wegen ihrer „frischen Intensität und naturgetreuen Detailliertheit“ Bilder von Jan van Eyck, Hans Memling und Hugo van der Groes. Die Kontakte verstärkten sich im Goldenen Zeitalter, nachdem Cosimo III. von Medici zweimal Amsterdam besucht hatte. Begehrt waren Bücher und Karten aus der Druckerei der Familie Blaeu, die Seebilder von Van de Velde und die Gemälde Rembrandts.

Die Macht in den nordholländischen Städten besaßen die Regenten, die Bürgermeister und Mitglieder des Magistrates, die dem Kaufmanns-Patriarchat entstammten und bis ins 18.Jh. eine geschlossene Kaste bildeten, in denen alle wichtigen Ämter verteilt wurden. Sie, die Könige der Stadt genannt wurden, hatten unumschränkte Macht innerhalb der Stadtmauern. Die Zahl der Regenten beschränkte sich auf eine bestimmte Anzahl mächtiger Familien.

Das gesellschaftliche Idealbild von damals  war der wohlhabende und kluge Handelsherr, der Bilder sammelte, Dichter und Gelehrte unterstützte. Maler waren geachtet, einigen gelang auch der gesellschaftliche Aufstieg, etwa wenn sie in eine wohlhabende Familie einheirateten, wie Rembrandt z. B. der die Bürgermeistertochter Saskia von Ulenburgh heiratete. Aber echte Herren, wie Rubens, Velazques oder van Dyck waren, wurden Hollands Maler nie.

 

Jesuitenkirche Franz Xaver

Am Rückweg vom Historischen Museum hören wir aus der ferne Glocken läuten und schließen daraus, dass hier in der Nähe eine katholische Kirche geben müsste. Und tatsächlich finden wir an der Singelgracht ein Jesuitenkloster mit dazugehöriger Kirche, die dem Hl. Franz Xaver geweiht ist. Also nichts wie hinein, weil um Viertel nach Fünf die Hl. Messe beginnt. Die Kirche ist ein neugotischer Bau, der allen Zierart enthält, den die künstlerische Phantasie im 19.Jh. entwickelt hat. Über dem Chor ein überlebensgroßer Christus am Kreuz, flankiert von Johannes und Maria und darüber hinaus von den symbolischen Gestalten der Synagoge und der Kirche. Zu Füßen der Figuren die Reihe der 12 Apostel, die sich um einen Johannes den Täufer scharen. Links und rechts auf Konsolen die Hl. Elisabeth Von Thüringen und Hl. Teresa von Avila  - auch überlebensgroß. Aus dem Seitenschiff blickt ein riesiger Aloisius Gonzaga herein. Die Seitenaltäre sind gotischen Flügelaltären nachempfunden, geschmückt mit neubarocken Reliefdarstellungen, die ich nur aus den Augenwinkeln erblicke und mir gar nicht näher anschauen will.

Im Großen und Ganzen ein überladener, in grellen Farben und Gold glänzender Raum ohne künstlerische Kraft. Der Gottesdienst selber wird von guter Orgelmusik und langen meditativen Gesängen umrahmt – etwas ungewohnt aber dennoch eindrucksvoll. 

Nach der Hl. Messe machen wir uns auf zum Abendessen. Entlang der Herrengracht wandern wir zunächst stadtauswärts und dann stadteinwärts und finden keine Gaststätte, die uns „anspricht“. Überall viel zu viele Leute (Es ist Samstag!) oder „schweinsteuer“. Florian, mein junger Begleiter beginnt zu träumen und träumt von den Gasthäusern in Prag – aber wir sind in Amsterdam.

Letztlich wandern wir quer durch das berühmte Rotlichtviertel und werden von großen jungen Männern teils weiter geschoben, teils schlüpfen wir seitwärts über große Eisenplatten hinweg, die tiefe Baulöcher überdecken. In der eher nicht „fließenden“ Gracht  tummeln sich Schwäne, Krickenten, Wildenten und Haubentaucher.  Nervös und aufgeregt bewegen sie sich auf der im künstlichen Licht aufleuchtenden Wasserfläche zwischen dem herum schwimmenden Unrat.

In den Seitengassen stellen junge und auch ganz hübsche Frauen ihre bikinibekleideten Körper zur Schau. Ich freu mich für sie, weil es hinter den Fensterscheiben wahrscheinlich ausreichend warm ist.

Unten in der Nähe des Hafens pulsiert das Leben. Obwohl es nur wenig Grad über Null hat, sitzen die Leute heraußen an den Cafetischen bei ihren Getränken, plaudern und genießen den freien Abend. Und ich frage mich wieder einmal, warum  diese unbeschwerte Kommunikation in allen südlichen Ländern gelingt – und auch in dem nördlich gelegenen Amsterdam - und nur bei uns zu Hause, im ehemalig Habsburgischen Wien, einfach nicht möglich ist.

 

Rijksmuseum

Vor dem Museum umrunden wir eine riesige Baustelle, wo momentan die Bagger ruhen. Die gegenwärtige Eingangshalle ist sichtlich provisorisch angelegt – dennoch wickelt sich der Ticketkauf schnell und unproblematisch ab. Aus einem ängstlichen Gefühl heraus, dass ich für die ersehnte Begegnung mit den Gemälden von Frans Hals, Rembrandt und Vanmeer ja genug Zeit zur Verfügung habe, verzichte ich auf die Ausstellung im Souterrain und eile in den ersten Stock, auf der Suche nach „meinem“ Frans Hals und „meinem“ Rembrandt. Florian geht es systematischer an und beginnt im Erdgeschoß mit dem Audioführer, der hier, wie in allen anderen Museen kostenlos bereitgestellt wird.

             

Und Frans Hals sitzt hier wirklich gemütlich mit seiner Frau auf einer Bank im Grünen, indem er den Betrachter zu sagen scheint, lass es gut sein, es ist alles nicht so wichtig… Und Ähnliches strahlt auch von der Darstellung des Fröhlichen Zechers aus, einem locker hingepinselten Porträt dem jegliches Pathos abgeht.

Die Virtuosität der Pinselschrift ist hier von besonderer Eleganz. Dieses äußerst temperamentvolle Bildnis ist von einer ebenso gekonnten wie leichten Malweise. Die Gestik der beiden Hände ist kaum zu übertreffen.(nach Silla Zamboni: in BASTEI Galerie der Grossen Maler)

Und im großen Saal hängen sie die Bilder von Rembrandt, die letztlich in Amsterdam geblieben sind. Es sind zahlenmäßig nicht viele – zu sehr hat das OEuvre von Rembrandt die Kunstsammler aller Welt fasziniert – doch sind es sehr wichtige Werke, die hier verblieben sind.

Zu allererst begegne ich dem Prophet „Jeremias“, in einen türkisfarbenen Mantel gehüllt, nachdenklich – besser in sich versunken – lehnt er in einem geschnitzten Sessel, während in der linken hinteren Ecke, Jerusalem brennend untergeht. Ich schaue und schaue und bewundere auch eingehend den „meisterhaft“ gemalten linken Fuß, den der Prophet dem Betrachter entgegenstreckt.

Neben dem Jeremias, finde ich die Darstellung von Hanna und Tobias, und zwar in dem Augenblick, wo sie mit einem Zicklein zu dem unglücklichen Blinden nach Hause kommt. Tobias, durch seine Blindheit zum Misstrauen neigend, vermutet, dass das Zicklein gestohlen sein könnte – wogegen sich Hanna entschieden zur Wehr setzt. Diese Bild ist kleiner, als ich erwartet habe und sehr akademisch gemalt – doch ist die Komposition  originell und anziehend.

Zwei besonders berührende Portraits hängen an der Stirnseite des Saales. Das Bildnis der Maria Trip – und ein Selbstportrait aus seiner mittleren Schaffenszeit. Ich blicke in die Augen der jungen Frau und spüre ihre Persönlichkeit mitschwingen, vielleicht das, was van Gogh mit „Seele“ bezeichnet?

An der zweiten Querwand im großen Saal hängt das Portrait der „Stallmesters“. Es ist das letzte Gruppenbild, das Rembrandt gemalt und in einer sehr originellen und persönlichen Weise gelöst hat. Die Tuchhändler sind um einen Tisch herum positioniert und verfolgen offensichtlich eine dramatischen Auseinandersetzung, die sich vor ihren Augen abspielt. Jeder der dargestellten Personen ist betroffen, und drückt es in sehr unterschiedlichen Gesten aus. Der eine Herr rechts will aufspringen, der zweite Herr von links steht schon auf, während die anderen vier abwartend mehr oder weniger gespannt aus dem Bild herausblicken. Ich beschäftige mich mit den einzelnen Gesichtern und stelle fest, dass sie sich sehr deutlich unterscheiden von den Persönlichkeiten, die ich auf anderen Gruppenportraits begegnet bin. Vielleicht sind es Männer, die in ihrem Alter erstarrt sind – vielleicht sind sie auch nicht besonders intelligent, aber eines strahlt von den älteren Teilnehmern aus, Wärme und Güte. Ob es die abgebildeten Herren wirklich waren oder Rembrandt es in sie hineingesehen hat, das möchte ich nicht entscheiden…

Geheimnisvoll wirkt das Bild, das in unmittelbarer Nähe der „Stallmesters“ hängt, betitelt „Die Judenbraut“. Niemand kann genau sagen, ob es eine biblische Szene darstellt oder als Hochzeitsszene seines Sohnes gelten kann. Das ist letztendlich auch nicht so wichtig, wie die meisterhafte Darstellung des männlichen Gesichtes. Hierin hat sich Rembrandt meinem Gefühl nach selber übertroffen: in dieser männlichen Gestalt berührt der Maler den transzendenten Raum.

Lange verweile ich vor diesen Bildern und gehe dann langsam hinüber zu den anderen – zu Jan Steeg z. B., der Alltagsszene malt, die hart an der Karikatur vorbeischrammen. Ich freue mich an den lasterhaften Kartenspielern, den ungezogenen Kindern und versuche mir vorzustellen, wie das Publikum die scheinbar „moralisierenden Bilder“ zu seiner Zeit zu kommentieren pflegte.

Die Begegnung mit Johannes Vermeer fällt allerdings dürftig aus. Nur zwei  Bilder sind aktuell zu sehen. Die beiden anderen, der „Liebesbrief“ und die „Briefleserin“ in Blau sind nach Leningrad verborgt. Geblieben ist ein Stadtansicht von Delft und die „Die Magd“, die Milch aus einer Kanne in eine Schüssel gießt, die ihrerseits gemeinsam mit Brot und einem Deckelkrug ein beeindruckendes Stillleben bilden. Die Bewegung der fließenden Milch im Kontrast zu der ruhig dastehenden Gestalt anzuschauen und die Spannung, die das Gemälde auf den Betrachter überträgt, zu spüren – das macht schon ganz große Freude…

Im Rembrandtsaal hängen auch einige Werk von Ferdinand Bol (1616-1680), einem großen  Schüler von Rembrandt. Auch er kann faszinieren und begeistern und man kann gut verstehen, dass es manchmal schwer fällt seine, von Rembrandts Werken zu unterscheiden. Überhaupt scheint mir im Rijksmuseum - und vielleicht auch nur im Augenblick -  die erste Garnitur der Maler vertreten zu sein, während bei uns im Kunsthistorischen Museum doch einige Vertreter der mittleren Könnensstufe zu finden sind.

Der letzte Raum im ersten Stock des Museums dient der Präsentation der Nachtwache, dem „Rembrandtschinken“ schlechthin. Kaum ein anderes Bild wurde so viel diskutiert und interpretiert. Dazu kommt, dass dieses Gemälde auf eine sehr wechselvolle  Geschichte zurückblickt, die von Ablehnung, über seitliche Beschneidung bis zur Errichtung eines eigenen Saales für das große Bild reicht. Und es ist ein Wurf, diese kontraversielle Darstellung einer ausziehenden Gruppe von – ja von ehemaligen Soldaten oder Stadtbürgern, die Soldaten spielen? Das wird nicht ganz klar. Auf jeden Fall scheinen alle wichtigen Auftraggeber auf dem Bild verewigt. Dass sie mit der Art  ihrer Darstellung allesamt zufrieden waren, wage ich zu bezweifeln, befinden sich doch die Auftraggeber in Gemeinschaft mit Marketenderinnen, Mohren und Hunde, die in die  Bildkompostion von Rembrandt hinein genommen wurden. Dennoch wurde das Gemälde im neuen Saal der Kloveniersdoelen aufgehängt, später in die kleine Kriegsratskammer im Rathaus verfrachtet, wo an der linken Seite ein Stück abgeschnitten wurde. 1818 wurde das Gemälde ins Trippenhaus gebracht, das Museumszwecken diente und 1946 das erste Mal restauriert und von den nachgedunkelten Firnisüberzügen befreit.

Obwohl es seltsam klingt, wenn man ein Gemälde vor sich hat, so scheint mir das wesentliche verbindende Element für die gesamte Gruppe, Bewegung zu sein. Egal wen man genauer betrachtet, jeder der dargestellten Personen wird im nächsten Augenblick ein Bewegung abschließen oder beginnen…  und damit wird der Betrachter in eine illusionäre Wirklichkeit einbezogen, die ihn an dem Bild nicht unbeteiligt vorbeigehen lässt. Aber das will ohnehin niemand, der die Räume des Rijksmuseum besucht, eher im Gegenteil…

Dass die hell-dunkel Kontraste ihre faszinierende Wirkung nicht verfehlen liegt auf der Hand, ebenso wie die vorzüglich herausgearbeiteten Porträts – eine Tatsache, die man bei Rembrandt als selbstverständlich voraussetzen kann. Und dennoch umweht dieses riesige Bild ein Geheimnis, das sich dem beschreibenden Zugriff entzieht und auch nicht durch noch so genaue Analysen aufgedeckt werden kann.  Mir scheint eher, dass auch in anderen Bildern Rembrandts Geheimnis aufschimmert – bei der Nachtwache wird es nur sehr verdichtet und nahezu greifbar.

 

Jüdisches Museum

Gemessen an der Lage anderswo war Amsterdam eine Insel der Toleranz. Die ersten Juden, die nach Amsterdam kamen, waren gemeinsam mit den protestantischen Kaufleuten vor den Spaniern aus Antwerpen geflüchtet. Rasch gesellten sich jene Flüchtlinge zu ihnen, die direkt aus Portugal oder Spanien kamen, die so genannten Marranen. Doch entsprang ihre Aufnahme nicht nur humanitären sondern auch wirtschaftlichen Gründen. Die Sephardim hatten im Handel mit Portugal einen großen Vorsprung gegenüber ihren christlichen Kollegen, da sie noch über enge Beziehungen zu ihren Glaubensbrüdern und Familienangehörigen in Portugal verfügten.

Außer im Geldgeschäft waren Juden auch im Diamantenhandel tätig. Juden waren auch Anteilseigner der Handelsgesellschaften V.O.C. und W.I.C., beteiligten sich am Ausbau der Handelsbeziehungen nach Übersee, und siedelten sich immer wieder in den Kolonien Asiens, Amerikas und Brasiliens an.

Ausdruck jüdischen Selbstbewusstseins sollten die Synagogen werden, die in den 70er Jahren des 17.Jh. in Amsterdam erbaut wurden – so die vier Synagogen der hochdeutschen Juden, ferner die portugiesische Synagoge, in der sich noch heute die Gemeinde trifft.

            

Wir besuchen den Komplex der Hochdeutschen Juden, der Aschkenasim, der zu den größten jüdischen Baukomplexen Europas gehört. Hinter den Mauern der vier Synagogen ist heute das umfangreiche Jüdische Museum untergebracht. 

Nachdem wir wieder einmal unser Amsterdamticket gezückt haben, bekommen wir Eintrittskarten ausgehändigt und erhalten von einem feinen alten Mann eine genaue Einführung in den Verwendungsmodus des kostenlosen Earphones. Wir begreifen ganz schnell und wandern hinunter in die Ausstellungsräume.

Zunächst empfängt uns gottesdienstlicher Gesang, der mit zum Museumserlebnis gehört. Linker Hand reihen sich in riesigen Glaskästen  historische liturgische Gegenständen. Besonders eindrucksvoll erhebt sich an der Stirnseite des Raumes der Thoraschrein aus weißem Marmor – im Raum verteilt sind kleine Sitzgelegenheit mit PC- Schirmen, worin - wie wir später feststellen werden - unterschiedliche Informationen bereitgestellt werden.

                

Alle wichtigen Lebensabschnitte werden im Judentum von liturgischen Feiern umrahmt. Und im Museum wird das Geschehen in fünffacher Weise dokumentiert:

-durch Präsentation der liturgischen Gegenstände in Glasvitrinen.

-durch Archivbilder, die in schwarz weiß Technik aufgenommen die Feiergewohnheiten                               früherer Zeiten näher beleuchten

-durch Filme, die den modernen Ablauf der Feierlichkeiten dokumentieren

-durch ein oder zwei Interviews mit heute lebenden Juden, die über ihre persönlichen Einstellungen und Erfahrungen ihres religiösen Lebens berichten

-durch Malereien, die an den Wänden hängen und die Szenerien in einer modernen lockeren Pinselführung wiedergeben.

In der Galerie über der Großen Synagoge durchschreiten wir die Ausstellung „Jüdische Unternehmer in den Niederlanden 1796 – 1940“. Darin werden Wirtschaftszweige vorgestellt, worin die jüdische Bevölkerung besonders aktiv und erfolgreich war. Ich erinnere mich noch sehr deutlich an die Exponate ihrer Druckkunst und der Persönlichkeiten, die dem holländischen Bankenwesen vorstanden.

Wie zu erwarten, waren es auch einzelne jüdische Familien, die wichtige Banken gründeten und dem Geldwesen Amsterdams vorstanden. Gemeinsam mit den berühmten und wichtigen Kaufmannsfamilien,  bildeten sie die Spitzen der Gesellschaft, die ähnlich wie die Adeligen bei uns, als Mäzene und Kulturförderer hervortraten.

In der oberen Synagoge – einem großen Raum, teilweise mit Flachglas abgedeckt – finden wir eine Dokumentation, die der Geschichte der Verfolgung der Juden gewidmet ist, die 1492 in Spanien beginnt und mit der Bekanntmachung vom 29.04.1942, jeder Jude habe ab 2. Mai 1942 den Judenstern zu tragen, endet.

Hier sind die Informationen direkt an die gezeigten Gegenständen gekoppelt, die je nach Bedarf auf einem kleinen PC abgerufen werden können. Ein grandioses pädagogisches Konzept, das hier entwickelt wurde. Auf diese Weise kann das eigene Wissen in selektiver Weise erweitert und die Mühe des Anhörens eines fortlaufenden Textes erspart werden.

 

 

Rembrandthuis

Am Höhepunkt seines Schaffens und Ansehens kaufte sich Rembrandt dieses hübsche Giebelhaus. Rembrandt war 1631  von Leiden nach Amsterdam übersiedelt und gehörte inzwischen als erfolgreicher Maler seiner Zunft an. Hier verlebte er zwischen 1639 und 1657 seine glücklichsten Jahre. Hier wohnte er mit seiner jungen Frau Saskia, hier wurden seine Kinder geboren und hier schuf er seine wichtigsten Werke.

1942 starb Saskia nach nur neun Jahren ehelichen Zusammenlebens und damit begann der schrittweise soziale Abstieg des großen Malers. Noch war er ein wohlhabender Mann und stand auf der Höhe seines Ruhmes. Doch hatte Rembrandt sein Vermögen nicht in Häuser oder Grundstücke investiert, sondern Kunstdrucke, Radierungen und Antiquitäten erstanden. Dadurch trafen ihn die Auswirkungen der englischen Seekriege und des damit verbundenen wirtschaftlichen Niedergangs besonders empfindlich. Rembrandt kann die Restschuld für sein Haus nicht aufbringen, leiht sich neues Geld und muss schließlich das Inventar seines Hauses im städtischen Pfandhaus versteigern lassen. 1658 verlässt der Maler das Haus und zieht in die Rosengracht um.

 Im 19.Jh. kaufte ein jüdischer Kaufmann das Haus und richtet darin eine private Synagoge ein. Seitdem wird das Gebäude  immer wieder verändert. 1906 wird das Haus von der „Stiftung Rembrandthuis“ gekauft und von dem Architekten De Bazel in der ursprünglichen Aufteilung wieder hergestellt und restauriert. Dank der Inventarlisten von 1656 können wir uns eine Vorstellung davon machen, wie das Innere des Hauses zu Rembrandts Zeiten ausgesehen hat.

  

Küche

Verkaufsraum mit Gästebett

 Das Gebäude bestand aus einem hohen Vor- und Hinterhaus, worin sich die Küche und ein Wirtschaftsraum befand. In der ersten Etage lagen die Ateliers, verschiedene „schildercaemers“, „kunstcaemers“ und höchstwahrscheinlich das „schilderloos“ – der Abschluss jener mehr als vier Meter hohen Galerie, in der an der Nachtwache gearbeitet wurde. Die offene Galerie hatte Nordlicht und konnte gegen Wind und Regen abgeschlossen werden. Das gesamte Haus der Malerfamilie muss vom Dach bis zum Keller mit Gemälden, Radierungen, Kuriositäten und exotischen Gegenständen die aus fernen Ländern kamen, voll gestanden und gehangen sein.

Das Audiophon führt mich zuallererst in die Küche im Souterrain. Es ist ein großer weiter Raum mit einer gekachelten Herdstelle. Zu damaligen Zeit war es eine sehr moderne Küche, die alles enthielt, was zu Führung eines ausgedehnten Haushaltes notwendig war. Man darf ja nicht vergessen, dass sich in diesem Haus bis zu zwanzig Lehrlinge aufhielten, die unter dem Dach ihre Arbeits- und Schlafplätze hatten und im Haus verköstigt wurden. Die Wände des Eingangsbereiches sind auch heute bis obenhin mit Gemälden verschiedenster Maler bedeckt – ebenso das Empfangszimmer linker Hand vom Eingang. Und hier befindet sich auch ein bekanntes Möbelstück, das uns in den Häusern Amsterdams immer wieder begegnen wird, ein riesiger, wunderschön geschnitzter Kasten, der im Innern ein Bett beherbergt. Ein Gästebett in diesem Fall – für unsere Bedürfnisse viel zu kurz, doch damals saß man halb im Bett und schloss sich dicht von Zugluft und Kälte ab, während wir in diesem „Schlafkasten“ wahrscheinlich halb ersticken würden. Die Gemäldesammlung in der Eingangshalle entspricht dem historischen Ambiente, da Rembrandt auch Kunsthändler war, der nicht nur seine eigenen Werke, sondern auch die seiner Schüler und Malerkollegen hier präsentieren konnte.

Im Oberstock befindet sich der Salon mit dem Bettalkoven für das Ehepaar van Rijn, und zwar eine Nachbildung des von Rembrandt gezeichneten Alkovens, der aufwendig mit Schnitzereien verziert war. Eine schön gearbeitete Kaminumrandung aus Marmor teilt den großen Salon in zwei symmetrische Hälften. Rundum hängen wieder überall Ölbilder unter ihnen auch Porträts von des Meisters eigener Hand.

 Die Werkstatt für Radierungen bedeutet für mich das Herzstück des Hauses. Obwohl hier kein Werkzeug herumliegt, das der Meister selber in der Hand gehalten hat, umweht diesen kleinen Raum eine geheimnisvolle Aura. Hier – in diesem Haus und vielleicht auch in diesem Raum - entstanden die vielen Radierungen, die sich mit der bildlichen Interpretation von Bibeltexten beschäftigten. Hier arbeitete er und versuchte in unzähligen Arbeitstunden den Kupferplatten Leben einzuhauchen ---

Im Malatelier versucht man den Touristen ein wenig Farbenlehre zu vermitteln, doch bin ich nicht sicher, ob damit viel gewonnen ist. Anschauungsunterricht wird hier ein wenig zum Selbstzweck, weil die Information zur mühsamen Farbgewinnung im 17.Jh. keinen wesentlichen Beitrag zum Werkverständnis von Rembrandt beibringen kann. Des ungeachtet macht es schon Sinn, wenn das Audiophon die Stelle beschreibt, wo die Staffeleien aufgestellt waren, um den günstigsten Lichteinfall zu gewähren – oder wenn betont wird, dass hier der offene Kamin von einem geschlossenen Eisenofen ersetzt wurde, um die brennbaren Materialien der Werkstatt bestmöglichst zu schützen.

In den oberen Nebenräumen hat man zusammen getragen, was im 17.Jh. an Stichen, Antiquitäten und Kuriosa von Rembrandt gesammelt wurde, worüber die Inventarliste der Versteigerungen sehr genaue Auskunft gab. Ich betrachte das kleine Museum vor mir und würde für mein Leben gern in den großen Lederfolianten blättern, wo Rembrandt ursprünglich Radierungen und Kupferstiche aufbewahrt hatte. Doch ich fürchte, dass diese heute längst in entsprechenden Sammlungen verwahrt werden, wo sie besser geschützt sind als hier, wo die vorbeiwandernden Touristenströme ihre Auflösung beschleunigen würde.

Merkwürdig, was Rembrandt alles gesammelt hat. Auch weiß ich von früher, dass er über einen Fundus von Kleidern - teils orientalischen Ursprungs oder bloße Phantasiegewänder - verfügte und diese seinen Modellen umlegte. Und wenn man heute die Gruppenbilder der vornehmen Bürger seiner Zeit in ihrer ewig                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  schwarzen Festtagskleidung betrachtet, dann kann man schon verstehen, dass Rembrandt seine Modelle in farbenprächtige Gewänder steckte, wenn es nur irgendwie möglich war.

Im obersten Stock hat man eine kleine Galerie entstehen lassen, wo aus dem Fundus von 280  Radierungen, die von der Stiftung gesammelt  wurden, einige aufgehängt sind und man darf hier auch Fotos machen, so meine ich jedenfalls.

Es gibt hier kleine Landschaften und Akte zu bewundern und das sog. 1000 Guldenblatt, worauf Jesus dem Volk durch Pilatus vorgeführt wird

`

Ons’ Lieve Heer op Solder

Katholische Geheimkirche (1663-1887)

Nach dem Verbot der öffentlichen katholischen Gottesdienste durch die Calvinisten, wurde diese winzige Hauskirche 1663 von einem Privatmann, dem aus Deutschland eingewanderten war, errichtet. Hartmann handelte mit Leinen – den eigentlichen Reichtum erwarb er sich aber als Steuerpächter für Branntwein und Salz. Allerdings hinterließ er nach seinem unerwarteten Tod im 48. Lebensjahr sehr große Schulden, die nur durch den Verkauf des ganzen Anwesens beglichen werden konnten.

Die Kirche blieb aber im Gebrauch der katholischen Gemeinde bis zur Vollendung des Neubaus der Nikolauskirche im Jahr 1887. Danach fand sich sofort eine Interessensgruppe die dem stilechten Interieur der „de Sael“  eine museale Zukunft garantierte.

Vor einer unscheinbaren Hausfassade führen einige Stufen hinauf zu einer einfachen Tür. Wir treten ein und befinden uns in einem sehr kleinen Vorraum, wo wir Eintrittskarten und Audiophon im Empfang nehmen. Dann geht es eine sehr schmale und steile Treppe hinauf zur ursprünglichen Wohnung der Familie Hartman. Wir betreten den Salon – und sind überwältigt – von? - von der Symmetrie, die sich hier manifestiert. Das hochtrabende Wort passt gut zu dem gewaltigen Kaminvorbau, der von prächtigen Marmorsäulen getragen ist und den Raum in zwei symmetrischen Hälften teilt. Der Marmorboden ist weiß und von schwarzen Bändern  durchzogen, deren  Anordnung sich an der Täfelung der Holzdecke wiederholt. Die seitliche Eingangstüre wird durch eine blinde Türe an derselben Wand in Symmetrie gebracht. Über dem Kamin hängt ein sehr gutes Bild der Hl. Familie von Jan de Wit, an den Wänden finden sich Konsolmarmortischchen und schwere Sessel. Alles im allem eine kostbare und schwere Einrichtung. Danach geht es in einen Seitentrakt hinauf über eine dreihundert Jahre alte Treppe.

   

Diese Treppe ist aus Eichenholz und exzellent in die Nische eingepasst, wo sie ihre Dienste verrichtet. Oben erwartet uns ein wunderschöner Blick auf den Oudezijds  Voorburgwal, eine der ältesten Stadtgrachten. Das Wohnzimmer, worin wir uns jetzt befinden wirkt warm und gemütlich. Zu Zeiten von Hartmanns war es der Aufenthaltsraum für die ganze Familie. Hier wurden die Kinder beschäftigt, hier hat man gegessen und auch geschlafen, wie wir aus dem seitlich  geöffneten  Alkoven erkennen können.

Dann geht es weiter über eine sehr enge Treppe zur geheimen Kirche hinauf, wo am Treppenabsatz ein kleines Weihwasserbecken angebracht ist. Oben stehen wir dann plötzlich in einem unerwartet großen Raum und erfahren, dass auf diesem Stockwerk drei Grachtenhäuser zu einem Raum verbunden wurden.

Das heißt mit anderen Worten, das Hartmann drei nebeneinander liegende Häuser kaufte und den zweiten und dritten Stock privat zu einem Kirchenraum umbauen ließ. Die Verstrebungen und Balkonträger von damals sind bis heute erhalten und mussten auch im Zuge der gegenwärtigen Restaurierung nicht verändert werden. Restauriert wurde der Anstrich der Holzeinrichtung – der Altar und das Gemälde der Taufe Jesu von Jan de Wit,  ist noch in Arbeit. Sakristei und Nebenräume sind schon fertig. Die Orgel fehlt noch in ihrem barocken Gehäuse.

Innenraum von Ons' Lieve Heer ob Solder

 

Die Restaurierungsarbeiten werden noch zwei Jahre andauern – dennoch hat man die Räume nicht gesperrt, sondern die Restauration als pädagogisches Lehrziel in die Besichtigung der Räume eingefügt. Und es erweist sich dieses Vorgehen als gute Idee, ersten weil man in dieses wichtige Monument überhaupt hineinkommt und andererseits, weil man ein bisschen mit dem theoretischen Überlegungen zum Thema „erhalten oder verändern“ konfrontiert wird.

 

Der Begijnhof

ist ein von der Außenwelt abgeschlossenes Dorf mit Kirche. Gegründet wurde der Hof 1346 und zwar als Wohnstätte für Laienschwestern, die sich um die Krankenpflege und Armenfürsorge kümmerten. Im 15. Jh. brannte der Hof fast zur Gänze nieder. Die heutigen Gebäude stammen fast ausschließlich aus dem 17. Jh. Das Damenstift der Beginen bildete autarke Wohngemeinschaften, in denen jedes Mitglied für sich selber sorgen musste. Die Beginen waren anfangs  häufig Witwen von Kreuzfahrern, später kamen jene Mädchen dazu, die sich keine Heirat leisten konnten. Auch war es eine Möglichkeit für Frauen, der Heirat mit einem ungeliebten Mann zu entgehen. Im Gegensatz zu Ordensschwestern legten sie keine Gelübde ab, weder des Gehorsams  noch der Ehelosigkeit – und arm waren sie ohnehin in den meisten Fällen.

Auf dem Beginenhof steht die so genannte katholische Geheimkirche, die hier auch in zwei nebeneinander stehenden Häusern (Katholische Gotteshäuser durften von außen nicht als solche erkannt werden ) eingerichtet wurde und dem Hl. Johannes und der Hl. Ursula geweiht ist. Der zum Hof gehörige spätgotische Kirchenbau ging an die Calvinisten, die sie im 17.Jh. den Presbyterianern überließen.

Die Kapelle 1671 gebaut, birgt eine Reihe von Kunstschätzen, darunter ein Fresco aus der Geschichte Amsterdams „Die eucharistische Prozession entlang des Amsterdamer Hafens“ von einem unbekannten Maler des 16.Jh., das mehrer Meter lang ist und die nördliche Kapellenwand bedeckt.

Neben einigen sehr guten Gemälden des Barockmalers Cornelius Moyaert, der unter anderem auch das Hauptaltarbild, der Maria Himmelfahrt malte, beeindruckt ein hölzerner Ambo aus dem 18. Jh., der mit Szenen aus dem Neuen Testament sehr lebendig und künstlerisch eindrucksvoll geschmückt ist. Faszinierend und aufregend für mich die Begegnung mit den alten Glasfenstern, die hier eingelassen und zweifellos aus einem älteren Bauwerk übernommen wurden. Teils stammen sie aus dem 14. teils aus dem 15.Jh. und unterscheiden sich im Stil und der Farbgebung eklatant von den Glasmalereien in Mitteleuropa.  Die gewohnten kleinen Biblischen Szenen werden abgelöst von großen Figuren, die über mehrere Teile des Fensters reichen, d.h. viel eher dem Typus Gemälde nahe kommen, als der charakteristischen Glasmalerei, wie wir sie von Frankreich und Mitteleuropa kennen.

Fein ist, dass der Begijnhof noch immer eine kontemplative Atmosphäre ausstrahlt, was in einer Großstadt, wie Amsterdam kaum zu erwarten ist.

 

Grachtenausflug mit der Blue boat company

Das Boot, das uns über die Grachten schippern wird, wirkt wie ein alter Autobus am Wasser. Und da wir knapp vor der Abfahrt ankommen, können wir es uns nur mehr auf schmalen Ecksitzen „bequem“ machen. Wir beginnen die Fahrt an der Station der  Sigelgracht - neben dem Rijksmuseum . Langsam treiben wir mit dem Boot dahin, während sich links und rechts sich die Grachtenhäuser wie aufgestellte Dominosteine auffädeln. An der Prinsengracht dümpeln die berühmten Amsterdamer Hausboote nah an den Ufern und wir erleben aus unmittelbarer Nähe die Wohnungen am Wasser, die auch zu den Sehenswürdigkeiten von Amsterdam gehören. Und es rührt schon ein wenig merkwürdig an, wenn in einzelnen Booten an allen flachen Teilen Grünpflanzen angebracht sind, grüne Flosse um den Schiffsrumpf schwimmen und sogar auf den Dächern der Kajüten sich Efeu und Kletterpflanzen breit machen. Zweifellos pittoreske Motive für Maler – aber diese Maler sind längst tot, die mit leichtem Pinselstrich Landschaften neu erschaffen konnten.

   

Die Prinsengracht mündet in ein breites Hafenbecken, namens HET IJ, wo sich rechter Hand ein riesiger Bahnhof erstreckt, der noch weiter ausgebaut wird. Durch ein Schleusensystem geht es zurück Richtung Osterdock, wo wir an einem seltsamen Bau vorbeikommen, der unser Interesse erweckt – gleichsam ein in den Himmel ragender riesiger Schiffsrumpf. Ohne Fenster ragen die Seitenwände empor und wir werden belehrt, dass es sich dabei um eine Kathedrale der modernen Physik mit der Bezeichnung „Nano“ handelt. Hier können alle Interessierten – Schulklassen eingeschlossen - Researchers have access to a wide range of fabrication and inspection techniques in cleanroom environments, such as: Electron Beam Lithography, NUV lithography, two-photon lithography, FIB milling/deposition, EBID, reactive ion etching, thin film deposition, rapid thermal annealing, FE-SEM, EDX, Cathode luminescence, AFM, STM, surface profiling, spectroscopic ellipsometry, optical microscop.

Ja, das ist das Angebot – ich glaube nicht, dass ich es übersetzen muss.

An Ende der Bucht empfängt uns ein großer Yachthafen, den wir durchqueren und schließlich bewundernd haltmachen vor der nachgebauten  „Amsterdam“, die bei ihrer Jungfernfahrt vor der englischen Küste versank. Das Projekt wurde mit arbeitslosen Jugendlichen ins Werk gesetzt und nach fünfjähriger Bauzeit vollendet. Hinter dem Schiff erhebt sich der schmucklose Bau des Schifffahrtsmuseum, das wir allerdings nicht von innen sehen werden.

Die  Rückfahrt geht über das Oster Dock,  vorbei am größten Chinarestaurant über den Wassern und danach durch die Oude Schans wieder aufwärts Richtung Amstel.  

Vorbei an der neuerbauten Oper, tauchen wir später unter der Mageren Brücke (der ältesten Brücke von Amsterdam) durch, schippern am Theater vorbei und fahren später wieder die Singelgracht hinauf zur Station, wo unsere Wasserreise zu Ende ist. Schön war  es durch das entfaltete Panorama der Stadt zu gleiten und diesen einzigartigen Blick über die Stadt zu gewinnen.

 

Sint Klaas Umzug

Zurückgekommen beschließen wir entlang der Spiegelgracht zum Museum Van Loon     zu wandern. Doch der direkte Weg ist gesperrt. Entlang der Weteringschans schlängelt sich der Sint Klaas Umzug, der links und rechts mit Sperrgittern „begleitet“ ist. Und es bleibt uns nichts anderes übrig, als die buntgekleideten Mohren zu betrachten und auf Sint Klaas zu warten. Und er kommt tatsächlich etwas später auf einem Pferd geritten, begleitet von einer weiteren Eskorte von Mohren, die kleine runde Kekse in die Menge werfen. Das Publikum ist sichtlich zur Freude der Mohrenkinder herbeigeströmt und setzt sich vermutlich aus deren Familienmitglieder und Verwandten zusammen.

 

Ein allgemein fesselndes Ereignis scheint es aber nicht zu sein, sonst würden nicht so viele Radfahrer unbewegten Gesichts der Absperrung entlang radeln.

 

Museum van Loon - Patrizierhaus mit Grachtengarten.

Das Gebäude wurde der Stadt 1970 vom letzten Besitzer übergeben, um es museal zu nützen. Wir betreten den relativ engen  Eingangsbereich, der links und rechts von Frühstückszimmer und Teesalon flankiert wird. Diese Räume sind im Stil des 19.Jh. eingerichtet. Kleine Tische, umgeben von reichgeschnitzten und mit kostbarem Stoff bezogenen Stühlen. An den Fenstern schwere Vorhänge - einmal in Gelb und einmal in Hellblau gehalten. Die Wände in dazu passenden Farben mit Stoff überzogen. Davor Ölgemälde, die Familienmitglieder porträtieren. Nicht zu vergessen die mächtigen Umrandungen der offenen Kamine, worauf Nippes und Fotos angeordnet sind.

Direkt angeschlossen an den Eingangsbereich der Gartensalon, ein heller geräumiger Raum mit leichten Möbeln und leichten Vorhängen vor einer großen Fensterfront, mit Blick auf den Garten. Es ist eine oft gezeigte Ansicht, die wir hier erblicken und touristisch intensiv genutzt.

Im ersten Stock finden sich die Schlafzimmer - eines für die Dame des Hauses und eines für den Herrn. Darüber hinaus verstecken sich hinter Tapetentüren schmale Alkoven, wo jemand schlafen kann, wann immer es nötig ist. Die Kinder schliefen gemeinsam mit ihrem Kindermädchen in einem der Salons, wo in den großen Kästen Betten unterbracht waren.

                

Die Küche liegt im Souterrain, auch die Waschräume, bzw. Badezimmer. Von den unteren Räumen kann man den Garten betreten, der in französischem Stil gestaltet ist. Dahinter befindet sich das Kutschenhaus, wo Wagen und Pferde untergebracht waren. Die Fenster des ersten Stockes Richtung Garten sind blind, um die Dienerschaft am Beobachten ihrer Herrschaften zu hindern. Die Rabatten im Garten sind hübsch zurechtgestutzt und wirken gut gepflegt. Kein Wunder! Ist doch das Areal sehr begrenzt und daher schnell zu bearbeiten.

 

 

Bibelmuseum

Das Bibelmuseum befindet sich in einem Patrizierhaus, das um 1638 errichtet wurde. Die großartige Bemalung in den unteren Räumen wurde 1728-1733 im Stil Ludwig XIV. ausgeführt. Jacob de Wit gestaltete hier- im Stil von Rubens die Deckenbilder, wo seine Meisterschaft in der Verkürzung und perspektivischen Gestaltung von Figuren den Betrachter schwer beeindrucken. Auch fasziniert die helle Farbgebung, die tatsächlich einen illusionären Blick in den griechischen Götterhimmel erlaubt.

Beeindruckend und ungewöhnlich erscheint  auch das breitschwingende Treppenhaus, das vom Keller bis zum Speicher führt, wenn man bedenkt, wie anderswo mit der Enge der Treppen Platz für die Wohnräume gewonnen wird.

Das Bibelmuseum selbst wurde mit einer Ausstellung zum Thema „Petrus“ aktiv. Innerhalb eines Stockes des Museums werden einzelne Darstellungen von Petrus gezeigt, die einfach zusammengeholt wurden, wo man sie gefunden hat. Interessant und künstlerisch beindruckend eine Petrusszene in bunten Acrylfarben, die von einem  „geistig Behinderten“ gemalt wurde.

Im unteren Bereich des Hauses gibt es wieder eine große Küche mit altertümlicher aber zweckmäßiger Einrichtung: Daneben finden wir einen Raum mit abgeschrägten Ecken, wo es Tee und Kaffee gibt – eine kleine Bibliothek und eine offene Tür zum Garten. Dieser darf, wie wir schon wissen, nicht größer als die Hausfläche sein. Wie schon im Van Loon Haus wurde auch hier die Begrünung im französischen Stil vorgenommen: mit Brunnen und gemauerten Teichflächen mit Seerosen, mit geschnittenen Bosqueten aus Buchsbaum und immergrünen Sträuchern, die zur Maskierung entlang der seitlichen Mauern gepflanzt sind.

Auch eine Marienfigur aus Sandstein hat sich hierher verirrt. Eine  Marienstatue im Garten des reformierten Bibelmuseums? Oder stammt sie noch vom Vorbesitzer? Ich freu mich darüber und mach ein möglichst schönes Foto.

Im Keller des Hauses finden wir dann endlich eine Ausstellung und eine geistige Entsprechung, die den Titel „Bibelmuseum“ zu einem Gutteil rechtfertigt. Eine Kopie des Steins von Rosette am Beginn der kleinen Ausstellung macht klar, dass wir uns zunächst in den Uranfängen der Überlieferungsgeschichte befinden.

Auch hier gibt es wieder Videos mit  Beiträgen zur Realienkunde und  Geschichte. Daneben werden aber auch alte Exponate von handgeschriebenen Bibeln und erste Druckwerke  gezeigt. Insgesamt gut aufbereitet und ein weiterer Gutpunkt für die Amsterdamer Museumskultur.

Das wichtigste Ergebnis dieses Museumsbesuches ist aber das neue Wissen über die Entstehung der ersten umfassenden holländischen Bibelübersetzung. Auf der Synode von Dordrecht (1618) wo die Lehre der Protestanten erneut festgelegt wurde, beschloss man bei dieser Gelegenheit auch eine neue Bibelübersetzung anfertigen zu lassen. Der Auftrag hierzu wurde 1619 von den Staten-Generaal ("Generalstaaten"), der höchsten Autorität innerhalb der Republik, erteilt. Die Calvinisten wollten nämlich eine Bibel, die direkt aus den Grundsprachen ins Niederländische übersetzt ist, das Alte Testament also aus dem Hebräischen und das Neue Testament aus dem Griechischen und Aramäischen

Um nun eine allgemein akzeptable Sprache zu erreichen, arbeiteten Übersetzer und oversieners ("Revisoren") aus allen niederländischen Regionen zusammen. Die Beteiligten verfügten über theologische Kenntnisse und eine literaturwissenschaftliche Ausbildung. Die Übersetzer waren zwei Friesen, zwei Ostflamen, ein Seeländer und ein Holländer. Sie zogen nach Leiden, wo der nötige wissenschaftliche Beistand und eine Bibliothek zur Verfügung standen. Zunächst versuchten sie Übereinstimmungen und Kompromisse zwischen den verschiedenen Dialekten zu finden - mit Blick auf Rechtschreibung, Grammatik und Wortgebrauch, um dann erst mit der Übersetzungsarbeit zu beginnen.

Die Staatenbibel war 1637 fertig und wurde anschließend verbreitet. Schon bald nahm sie in calvinistischen Familien einen wichtigen Platz ein. Täglich nach der Mahlzeit wurde daraus vorgelesen und auch in der Schule wurde sie verwendet. Auf diesem Hintergrund wird verständlich, dass sich Bildworte aus der Bibel bis ins moderne Holländisch gehalten haben, weil sie über Generationen im alltäglichen Sprachgebrauch verankert waren.

 

Taschenmuseum

Was ist ein Taschenmuseum? Und was kann man darin sehen? Das ist die Frage, die wir uns stellen, bevor wir doch die Zeit nützen und uns das Museum anschauen.

Gesamteindruck: Domäne von älteren Damen, die mit ihren Freundinnen hierher ins elegante Ambiente kommen, um Kaffee oder Tee zu trinken und zu plaudern. Da wir ehrlicherweise wir Touristen wirken, werden wir von der Direktrice des Museums - so wirkt sie nämlich - in einem langen englisch geführten Vortrag auf die Besonderheiten des Museumsbaus hingewiesen. Man beginnt nämlich von oben die Besichtigung, wo die ältesten Stücke ausgestellt sind und steigt dann Stockwerk für Stockwerk hinab, um schließlich in den Räumen des Parterres das Glück zu genießen, kunstvoll gewirkte Taschen auch zu kaufen. Wir lassen uns mittels Lift hochführen und beginnen im obersten Stockwerk unser Studium. Und hier zahlt es sich wirklich aus  mit Aufmerksamkeit die ausgestellten Taschen zu betrachten, wo einzelne wirklich sehr, sehr alt sind. Bis ins 16. Jh. reicht die Sammlung der Exponate zurück, die Geldbeutel, Tabaksbeutel, verschieden Arten von Brieftaschen, Necessaires  und Mappen umfasst. Auf gotischen Tafelmalereien habe ich schon einige der ausgestellten Geldbeutel gesehen – doch waren es meist einfache Beutel, während hier auch sehr schöne Arbeiten, mit Lederprägungen und später mit Stickereien in Seide und Glas zu sehen sind. 

   
   

 In den unteren Stockwerken werden die Taschen immer mehr zum Accessoire von Damenbekleidung. Zunächst noch künstlerisch gestaltet – z. B. Täschchen im Stil Art decco – werden die Taschen immer mehr zu modischen Herausforderung ihrer Erzeuger. Material und Phantasie sind keine Grenzen gesetzt – so findet man die gute alte Ledertasche in Briefträgerstil neben aufwendig bestickten Abendtaschen ebenso, wie die bunten und auffälligen Plastiktaschen der 60erJahre. Ich bewundere die Geduld von Florian, meine jungen männlichen Begleiter, der sich die Sachen ansieht, ohne entsprechende Bemerkungen zu machen.

Nur unten im Verkaufsshop – wo Papier- und Kunststoff – Kreationen als Taschen angeboten werden, und natürlich um teures Geld, bleibt uns beiden nur mehr das Kopfschütteln als Reaktion.

Kaufhaus Magna Plaza

Unser letzter Besuch gilt dem ehemaligen Gebäude der Hauptpost, das heute ein –`wir würden sagen - ein elegantes Shoppingcenter darstellt. Das zweistöckige Gebäude ist im ziegelbebänderten orientalisierenden Stil des 19.Jh. gestaltet, das von minarettähnlichen Türmchen bekrönt wird. Nach außen nicht unbedingt ein architektonisches Meisterwerk, doch nach innen eine Wurf.

Durch die Öffnung aller Etagen in Galerien nach innen hin, entsteht in der Mitte ein großer freier Raum, der nach oben mit einer Glaskuppel überwölbt ist und gerade aus dieser „Raumverschwendung“ ein ganz besonderes Ambiente entstehen lässt. Wir schlendern herum und genießen die frühkapitalistische Atmosphäre dieser gelungenen Architektur. Zwar drängen sich die  Besucher nicht unbedingt vor oder in den kleinen Galerieshops und wenn ich recht gesehen habe, versteht man auch warum. Vielleicht macht es auch die hohe Miete, dass die meisten der angebotenen Kleider, Schuhe, Taschen, ect. einfach sehr teuer sind.

 

 

 

Essen und trinken

In Bezug auf das Essen haben wir nicht viel Erfahrung gesammelt. Ein Weckerl hier, ein Weckerl dort und am Abend in einem nahen Cafe unser Abendmahl mit köstlichen frischen Sachen - gebackenem Gemüse z. B. oder Hamburger mit Pommes, die nicht wie Kaugummi schmeckten, sondern frisch zubereitet wurden. Dazu gab es  ein oder zwei  Biere, die preislich und geschmacklich dazu passten.

In den Cafes von Amsterdam

 

 

Die echten Restaurants haben wie fast überall in der Welt, auch in Amsterdam angemessene Preise – d.h. sehr viel höher, als wir es in Wien gewohnt sind. Die Auswahl der Speisen in den verschiedenen Cafes ist aber so reichhaltig, dass man dieses Angebot nur empfehlen kann. Und dass man so zwischendurch mit Kebab oder anderem wirklich frisches Fastfood verpflegt wird, ist in Amsterdam auch Ehrensache. Das konnten wir vor allem am ersten Tag mit Dankbarkeit feststellen, wo wir in einem winzigen Thai-Restaurant Gemüsecrepes zu uns nahmen, die sehr fein zubereitet waren und gut schmeckten.

Zum Frühstück versorgten wir uns mit Kuchen, Donats, ect. und hofften noch vor dem Beginn unserer Museumsbesuche ein offenes Cafe zu finden, wo es vielleicht Kaffee für uns gab. Es gelang uns nicht wirklich, weil um die Frühstückszeit Amsterdamer Cafes zumeist geschlossen sind und die Cafes im Rotlichtviertel nicht besonders einladend wirken.

                   

Doch noch  muss ich aber das Lied der Waffel singen. Andere mögen holländischem Käse Hymnen anstimmen – ich preise die Waffel der Amsterdamer Zuckerbäcker, deren Geschmack, diese feine Harmonie zwischen Waffel und karameliertem Zucker - den Gaumen einfach verzaubert.  

                   

Und zuletzt sei hier noch das Bild der Bilder eingefügt, wo Florian die Nieuwe Kerk in einer Lusterkugel gleichsam zusammengefasst fotografiert. Danke, dass du mitgekommen bist, zu den Tagen in Amsterdam.

 

print