Irene Kohlbergers SALVETE
Reiseerlebnisse
Unsere Bosnienreise begann in Sarajewo und endete auch dort. Mit einem gemieteten Auto fuhren wir zunächst Richtuung serbische Republik. Danach ging es über Mittelbosnien nach Südwesten in die Herzegowina und später wieder zurück, Richtung Ostbosnien.
Da in Sarajewo, vor dem Ende unserer Reise, meine Camera gestohlen wurde, verfüge ich nur über wenige eigene Fotos, die ich zwischenzeitlich in meinem Netbook gespeichert hatte. Daher habe mich bemüht "freie" Fotos einzubauen, soweit ich sie finden und verwenden konnte.
Auf dem Weg nach Banja Luka
Von Sarajevo geht es zunächst über breite Straßen nach Norden, wo die Breite der Straße – je nach Umgebung – heftig variiert. Es dauert auch lange, bis wir das Stücken Autobahn erreichen, das nur wenige Kilometer in Richtung Norden führt. Aber es gibt schon Mautstationen, wo man als Mitteleuropäer auch sein Scherflein dazu beitragen kann, um den Ausbau des bosnischen Autobahnnetzes zu beschleunigen. Wir fahren also friedlich einige Autobahnkilometer dahin, biegen nach Visoko ab und schlängeln uns einige Kilometer bergauf.
Visoko
Unsere Ziele wären die Burg von Visoko und die Ausgrabungen zum Thema Schwarze Pyramiden, deren Entstehung und Bedeutung noch ungeklärt ist.
Semir Osmanagic ein gebürtiger Bosnier und Hobbyarchäologe, sorgte 2006 für Schlagzeilen, indem er behauptete, er habe in Visoko die ältesten und höchsten Pyramiden der Welt entdeckt. Die von ihm benannte 'Sonnenpyramide' ist mit 220 Meter höher als die Cheopspyramide in Ägypten (139m) und wäre somit die höchste der Welt. Die sog. 'Mondpyramide' in Visoko ist immerhin noch 190m hoch. Außerdem fanden sich an vielen Stellen Steinkugeln mit einem Durchmesser bis zu 2 Meter und bis zu 35 Tonnen Gewicht, womit er seine Pyramidentheorie erhärtete. Er stellte ein Forschungsteam zusammen und gründete die Stiftung „Archäologischer Park“ mit dem Ziel die Pyramiden zu erforschen und zu bewahren. Gefunden wurden Steinplatten und - blöcke knapp unter der Erdoberfläche sowie Gänge durch die Hügel. Fachleute meinen dazu, dass es sich um natürliche Erhebungen handle, die ihren Ursprung in der Eiszeit haben. Die Gänge in den Hügeln stammten von einem Bergwerk und bei den Steinkugeln handle es sich um altbekannte Phänomene aus der Steinzeit, die an vielen Stellen in Europa gefunden wurden. Kritiker gründeten daraufhin die Organisation „Stop Osmanagic – Now“, um weitere Ausgrabungen und vor allem die Unterstützung durch öffentliche Gelder zu verhindern. Das Geld könne man im kriegszerstörten Bosnien besser verwenden, argumentieren sie.
Ich weiß selber nicht, was ich darüber denken soll – ich neige aber immer mehr den einfachen und bewährten Lösungen zu. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass die Illyrer vor einigen tausend Jahren solche gewaltigen Tumuli errichtet haben sollen.
Doch erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an den Hobbyarchäologen Schliemann, der auch von der Fachwelt anfangs nicht ernst genommen wurde. Aber Schliemann arbeitete mit seinem eigenen Geld. Und vielleicht ist es wirklich besser, wenn die Menschen von heute ein ordentliches Zuhause bekommen, bevor wir uns um die Lösung von uralten Geheimnissen bemühen. Und dennoch hat die Theorie von den ineinander in Beziehung gesetzten Pyramiden etwas Faszinierendes. Auch scheint mir die Form der untersuchten Hügel schon eigenartig regelmäßig. Wir haben die seltsamen grünen Hügel gesehen wie wir einer schmalen Straße gefolgt sind, die sich von Visoko nach Norden schlängelte.
Sog. Sonnenpyramide von Visosko
Die Ausgrabungen blieben uns verschlossen und die Überreste der ehemaligen Burg wollten wir in der sengenden Hitze auch nicht erklimmen, obwohl Visoko einst der Sitz der bosnischen Könige war. So nahmen wir im „Burgcafe“ Platz und erfreuten uns am bosnischen Kaffee und Fruchtsaft. Es war wirklich angenehm hier – am Nebentisch plauderten zwei Gäste mit dem Besitzer des Lokales ganz ruhig und gemütlich, während wir uns mit Blödeleien unterhalten und damit die anderen vermutlich nerven.
Vorm Verlassen der Stadt werfen wir noch einen Blick auf die "Sherefudin" oder "Weiße Moschee", die in der Vergangenheit und noch heute ein Stein des Anstoßes ist. Es ist ein ganz moderner Bau, mit einer durchdachten und wunderschönen Lichtarchitektur, vom Architekten Zlatko Ugljen entworfen. Obwohl schon während ihrer Errichtung erbitterter Widerstand gegen den Bau bestanden hat, wurde sie trotzdem fertiggestellt, weil sie für den Aga Khan Architektur - Wettbewerb vorgeschlagen wurde. Bosniakische Kritiker vergleichen die Minarettspitze mit einer Tschednik-Kappe und lehnen die Moschee daher komplett ab. Erster Exkurs zum Thema: Nationalitätenverständigung im täglichen Leben.
Maglaj
Unser nächstes Ziel ist die kleine Stadt Maglaj an der Bosna. Wie fast überall windet sich der wasserreiche Fluss noch in seinem selbst geschaffenem Bett – auch hier gibt es keine Regulierungen – nur eine Brücke, die in Maglaj den alten, muslimisch geprägten Ortsteil mit dem neuen verbinden. Neben einer kleinen Moschee mit Holzminarett (Sukija Moschee) parken wir unseren vierrädrigen Gefährten und wandern hinauf in Richtung Burg und Kursumli – Moschee. Am tiefer gelegenen Hauptplatz räumen die fliegenden Händler ihre Waren auf. Der Markttag ist zu Ende und Fetzen von Plastiksäcken, Papier und Essensresten liegen überall herum. Doch wir schauen weg und steigen seitlich hinauf zur Burg. Burg Maglaj teilt das Schicksal aller bosnischen Burgen. Erbaut im 13.Jh. war sie ursprünglich Sitz eines bosnischen Adeligen. Dann wurde sie von den osmanischen Herren als Festung so ausgebaut, das darin eine ganze Garnison untergebracht werden konnte. Als die Österreicher 1697 die Türken angriffen, wurde die Burg stark in Mitleidenschaft gezogen, aber später restauriert und erweitert
Sie gilt nicht nur als eine der beeindruckensten Festungen Bosniens, sondern sie ist es bis heute. Weit ausgedehnt erstreckt sich das Burgareal vor unserem Blick. Strategisch entworfene Einzelheiten, wie ein hoher Aussichtsturm, der heute renoviert ist und einen wunderschönen Blick über die Stadt, den Fluss und die hügelige Umgebung erlaubt, ergänzen sich mit einer raffinierten Terrassenanlage im inneren Burghof, wo Ritterspiele und Theaterstücke bis heute aufgeführt werden können: als friedliche Antwort auf die schwierigen Zeiten von einst und jetzt. Herbert deklamiert einen Monolog von Altenberg auf den Brettern der improvisierten Bühne – ich filme, aber die Bilder sind verloren...
Wir wandern den Festungshügel wieder hinunter und machen Rast bei der Kursumli -Moschee. Sie hat den Krieg überlebt und ist mehr als 400 Jahre alt. Es ist angenehm und tröstlich hier in der Vorhalle des ehrwürdigen Baus zu sitzen und die alten Fresken zu bewundern. Allzu viele Gelegenheiten werden wir dazu nicht mehr haben, denn was dem Zahn der Zeit während der Jahrhunderte nicht gelungen ist, das schafften die Sprengsätze der modernen Welt einfach und spielend: die völlige Zerstörung von wertvollen Kulturgütern, die der ganzen Menschheit gehörten.
Weiter geht es Richtung Nordosten Richtung Zenica.
Zenica
als Zentrum der Schwerindustrie – der Kohle und Eisenverarbeitung - gibt es seit 1995 nicht mehr. Auch die anderen Industrien sind stark geschrumpft. Doch die Anlagen zur Eisenverarbeitung sind noch vorhanden und stehen als Industriedenkmale neben der Durchzugsstrasse. Mit der dunkelroten Patina des Rostes überzogen, bilden sie eine bizarre Landschaft der Vergänglichkeit und ich denke, dass diese für bestimmte Filmdrehbücher eine wunderbare Szenerie abgeben könnte.
Obwohl wir Doboj vom Reiseplan gestrichen haben, landen wir in dieser Stadt und folgen der Straße nach Norden, die uns über einen Umweg nach Banja Luka führen wird. Doch lohnt dieser Umweg, weil wir dabei einen großen Teil der serbischen Republik durchqueren. Die Landschaft ist nicht spektakulär, dennoch eindrucksvoll. Weite Feldflächen breiten sich neben der starße aus, dazwischen kleine Busch - und Waldgruppen. Unterbrochen und begrenzt wird die Weite durch kleine Hügel, an deren Hänge sich die Häuser schmiegen. Es ist eine dünn besiedeltes Gebiet und vor Jahrhunderten vermutlich ein wichtiger Raum für den Getreideanbau.
BANJA LUKA
Bedingt durch ihre günstige Verkehrslage ist Banja Luka zur Hauptstadt der Republik Serbien innerhalb des Staates BiH geworden. Banja Luka ist nach Sarajewo die zweitgrößte Stadt Bosniens und Herzegowinas. Nach dem letzten Krieg ließen sich hier 65.000 Flüchtlinge nieder, während Moslems und Kroaten die überwiegend von Serben bewohnte Stadt verließen.
Nach der Okkupation durch die Osmanen entwickelte sich Banja Luka in kurzer Zeit von einer kleinen unbedeutenden Siedlung zu einem der wichtigsten Zentren in diesem Teil Bosniens. Als im Jahr 1553 Banja Luka Sitz des türkischen Beg wurde, begann auch ein schneller Ausbau der Stadt. Sofi Mehmed Pasa, der erste Beg, ließ die erste Brücke über den Vrbas bauen und zahlreiche Moscheen errichten. Daneben entstanden Bäder, Karawansereien, Mühlen am Vrbas und zahlreiche Läden. Die Stadt entwickelte sich, blühte und erlebte ihren Höhepunkt unter Ferhad Pasa Sokolovic, als dieser höchster Beg ( Wesir) der Region wurde.
Er war für den Bau, der nach ihm benannte „Ferhard-Pascha-Moschee“ verantwortlich, die Jahrhunderte überdauerte, zu einer der bekanntesten Moscheen Bosniens gehörte und zum Weltkulturerbe gezählt wurde.Doch das half alles nichts. Am Morgen des 7. Mai 1993 wurde sie in die Luft gesprengt und die Überreste so vernichtet, sodass sie nie wieder aufgebaut werden kann. Neben der Ferhardija, wie sie von der Bevölkerung genannt wurde, fielen noch andere Moscheen gezielten Sprengungen zum Opfer (insgesamt 15 in Banja Luka und Umgebung) und ebenso wurde der berühmte Glockenturm – der erste öffentlichen Turm in ganz Bosnien und Herzegowina und ebenfalls von Ferhad Pasa Sokolovic gestiftet- dem Erdboden gleichgemacht. Versteh die Gedanken und Hintergründe der Zerstörer wer will – ich kann das nicht begreifen. Mit diesen Gedanken im Kopf, betreten wir diese Stadt, deren historische Kraft gezielt vernichtet wurde.
Die Ferhat-Pašina-Moschee, besser bekannt als Ferhadija-Moschee (türk. Ferhad PaÅŸa Camii), stand bis zu ihrer Zerstörung 1993 im Zentrum Banja Lukas und war eines der schönsten Beispiele der islamischen Architektur des 16. Jahrhunderts in Bosnien und Herzegowina. Die Moschee wurde 1579 im klassisch osmanischen-Stil von einem Schüler Sinans erbaut. In Auftrag gegeben wurde der Bau von Ferhat-paša Sokolović. Das Ensemble umfasste die Moschee selbst, den Innenhof, einen Friedhof, einen Brunnen sowie drei Mausoleen. Die Mausoleen enthielten u.a. die Gräber von Ferhat-paša Sokolović, seiner Enkelin Safi-kaduna und weiterer Nachfahren. Der zentrale Brunnen, der šadrvan, hatte ein steinernes Becken mit einem schmiedeeisernen Gitter. Eine spätere Ergänzung des Komplexes war der nahegelegene Uhrturm Sahat-Kula. Die Gesamtanlage hatte bescheidene Abmessungen, wie es für derartige Bauten in Bosnien und Herzegowina üblich war. Die Moschee hatte eine Breite von 18 m und war 14 m lang, die Hauptkuppel erreichte eine Höhe von 18 m. Das Minarett war 43 m hoch.
Die Moschee wurde am 7. Mai 1993 durch Sprengstoff teilweise zerstört und anschließend niedergerissen. Der erste Bombenanschlag auf die Moschee erfolgte durch serbische Nationalisten, die zu diesem Zeitpunkt auf stillschweigende Billigung durch die Behörden der Republika Srpska, im Rahmen der von diesen eingeleiteten ethnischen Säuberung zählen konnten. Die nachfolgende vollständige Zerstörung, organisiert durch die Behörden der Republika Srpska, beinhaltete den Abriss des kompletten Ferhadija-Komplexes. Die Überreste landeten auf der städtischen Müllkippe, einige Steinteile und Ornamente wurden zertrümmert und als Aufschüttung verwendet. Der eingeebnete Platz wurde später als Parkplatz benutzt. Einige Wochen nachdem die Ferhadija zugrunde gerichtet worden war, wurde auch der in der Nähe liegende Uhrturm Sahat-Kula zerstört. Die Ferhadija-Moschee war eine von sechzehn, während des Bosnienkrieges 1992-1995 zerstörten Moscheen in Banja Luka. Wegen der Zerstörung der Moscheen wurde der bosnisch-serbische Politiker Radoslav BrÄ‘anin vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal angeklagt, jedoch konnte ihm in der Berufungsverhandlung keine persönliche Mitschuld in diesem Anklagepunkt nachgewiesen.de.wikipedia.org/wiki/Ferhadija-Moschee
Alle wichtigen Gebäude sind kaum älter als 60 Jahre – besonders eindrucksvoll und mächtig steht die neue Erlöserkirche inmitten der Stadt, 2005 vollendet und ganz im überkommenen tradierten Stil geplant und gebaut.
In der näheren Umgebung entwickelte sich ein völlig neues Stadtviertel, mit riesigen Kaufhäusern, Reihen von Cafes und Restaurants, die am Abend gut besucht sind und den glatten Fassaden die Kraft der eigenen Lebendigkeit entgegenhalten. Hier ist gut sein, zwischen jungen und älteren Menschen, die hier feiern und sich fast täglich mit Freunden und Familie ein abendliches Stelldichein geben.
Als einzige historische unzerstörte Stätte in Banja Luka steht jetzt noch die ausgedehnte Burganlage, die sich mitten in der Stadt ausdehnt und zum Mittelpunkt der Jugendkultur entwickelt hat. Es handelt sich dabei um einen weiten türkische Befestigungsring, worin alle wichtigen militärischen Anlagen untergebracht waren.
Ausgrabungen belegen, dass hier schon in römischer Zeit ein Lager bestand. Auch ist anzunehmen, dass die Slawen im 9.Jh. hier eine bescheidene Festung errichtet haben. Während der Zeit des Wesir Sokolovic wurde die Festung erweitert und strategisch abgesichert. Sie wurde durch einen Wassergraben geschützt, der nur an zwei Stellen mit Brücken überspannt war. Nach den Osmanen nützten die Österreicher und im Zweiten Weltkrieg auch die Deutschen die Festung. Unter Präsident Tito wurde die ganze Anlage renoviert und nach dem zerstörerischen Erdbeben von 1969 noch einmal. Bilder:cache.virtualtourist.com/343995-Kastel-Banja_Luka.jpg
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Burgaanlage von Banja Luca |
Heute präsentiert sich die Anlage sehr romantisch mit grünumwachsenen Mauern, mit Cafes und einem Kinderspielplatz. In den Schießscharten von damals räkeln sich junge Leute in Erwartung ihrer Freunde oder ihres ersten Rendezvous. Während wir in der Anlage herum spazieren regnet es leicht und die Anlage gehört uns fast allein. Nur der Sound einer unermüdlich probenden Musikgruppe erfüllt den weiten Platz und suggeriert, dass hier alles in Ordnung sei. Und vielleicht schaffen sie es eines Tage - die jungen Leute von heute – mit Internet, facebook und ihrer Musik – die alten historischen Gräben mit Brücken zu überspannen, die unzerstörbar sind.
Unterwegs nach Bihac
Trappistenkloster „Maria Stein“
Am Morgen in Banja Luka, wo wir unser „anheimelndes Hotel IDEJA“ (unser Hotelzimmer hatte gut und gern für sieben Leute Platz und war auch entsprechend eingerichtet) verlassen und Richtung Bihac aufbrechen, erkundigen wir uns nach dem Weg zum Trappistenkloster. Es macht einige Mühe, aber schließlich wissen wir, dass wir neben der Molkerei links abbiegen müssten. Problematisch war nur, dass ich ein Werbung für Milchprodukte mit der Molkerei verwechselte und wir so in der Vorstadt Banja Lukas landeten. Auf engsten Strassen und durch Kleingärten ging es zunächst im Schritttempo dahin, bis wir schließlich auf einer Hängebrücke landeten – vor uns ein Pferdekarren und unter uns nur locker verbundene Holzdielen. Doch die Brücke hielt und wir fanden uns am anderen Ufer wieder, in einem Gewirr von Einfamilienhäuschen, wo ein Gemüseverkäufer auf der einspurigen Fahrbahn laut rufend seine Waren anpries, und uns schließlich irgendwie Platz machte.
Letztendlich landeten wir vor einem Krankenhaus, nicht ahnend, dass es eigentlich die Räume des ehemaligen Trappistenkloster waren, die hier zu einem Krankenhaus umgewandelt wurden. Der Pfeil an der Straße wies zwar auf das Kloster; doch konnte ich das Riesengebäude linker Hand nicht mit meinen Erwartungen auf die Reihe bringen.Trappistenkloster bedeutete für mich eine alte kleine Anlage von Gebäude einfachster Bauart, vielleicht im gotischen oder frühen Barockstil. Doch dieser Riesenbau passte nicht in mein Bild. Daher fuhren wir weiter durch eine lichtgrüne wunderschöne Landschaft und landeten schließlich in den Hügeln, wo die schmale Straße bei einigen Privathäusern zu Ende war. Zweifellos ein Refugium der Reichen und Schönen – aber kein Kloster weit und breit. Also wieder zurück und jetzt nahmen wir die Klosterkirche wahr. Rechts von uns erhob sich der Bau aus dem 19. Jh. Eine Fassade schmucklos, aber hoch und breit, ähnlich den Kirchenbauten, die wir von Wien aus der Zeit der Ringstraßenarchitektur kennen.
Langsam und zögernd nähern wir uns der Anlage. Doch bald empfängt uns ein hochgewachsener Mann in Jeans und T-Shirt und fragt uns woher wir kämen. Als er merkt, dass wir deutsch sprechen, beginnt er uns in gewähltem Deutsch die Geschichte des Hauses zu erklären. Er führt uns in die Kirche und es wird klar, woher die Ähnlichkeit mit den heimischen Bauten kommt – es waren ein österreichischer Architekt, der die Kirche entwarf und bauen ließ.
Das Besondere und Eindrückliche an diesem Bau erschloss sich aber erst im Inneren. Die an der Jahrhundertwende errichtete Kirche ist an den Längsflächen des Mittelschiffes zur Gänze mit riesigen Reliefs geschmückt, die im reinen Jugendstil biblische Szenen darstellen. Ein völlig neues und originelles architektonisches Gesamtkonzept hatte in dieser Kirche Gestalt angenommen. Der Altar war ursprünglich mit einem Baldachin gekrönt, dessen Aufbau dem Erdbeben von 1969 zum Opfer fiel. Übrig blieb der heutige schmucklose Altartisch, der sich aber harmonisch in die eher nüchterne Raumgestaltung einfügt. Die kargen Ausstattung berührt ungewöhnlich, da sie so gar nicht in das Bild des gewohnten Habsburg - Historismus hineinpasst. Doch Bosnien war weit weg von Wien und es fand sich hier auch kaum jemand, der die Pläne des Architekten schon im voraus kritisierte, so dass dieser sein Gesamtkonzept ohne Störung umsetzen konnte.
Wir erfahren auch, dass die Orgel ein großartiges Werk hätte, dass leider niemand spielen könne. Auch wären nur mehr zwei Patres da – einer davon war unser Begleiter in Jeans - denen die Kirche und die restlichen kleinen Gebäude anvertraut sind. Das frühere Klostergebäude „Maria Stein“ aus der Habsburgerzeit ist unter Tito längst enteignet und zu einem Krankenhaus umgewandelt worden.
Klucz:
Wir fahren eine gewundene Straße hinauf, links und rechts Buschwerk – ein Ambiente, das uns sehr vertraut berührt und und landen direkt vor der Burg von Klucz. Zwei wunderschön restaurierte Türme erheben sich vor uns. Die Holzarbeit erinnert an heimische Präzisionsarbeit. Dazu kommt, dass die Türen der Türme mit mächtigen Vorhangschlössern abgesichert sind, ganz so wie bei uns. Ob die Gelder dazu zweckgebunden von der EU gekommen sind? Blöd ist nur, dass man offensichtlich keine Verwendung für die Türme hat. Doch vielleicht kommt es noch.
Wir sitzen auf dem natürlichen Altan vor der Burganlage: Vor uns, besser unter uns, schlängelt sich wieder einer der ungezähmten Wasserläufe Bosniens, begleitet von grünem wuchernden Ufergrün. Die Wasseroberfläche glänzt und glitzert und die 'Stunde des Pan' – made in Bosnien – umfängt uns mit sanfter Wärme und Stille, die von leisem Vogelgezwitscher mehr vertieft, denn gestört wird.
BIHAC
liegt am äußersten Zipfel von Bosnien Richtung Kroatien. Dort wo sich Kroatien zwischen Slowenien und Restjugoslawien (Serbien) hinein schiebt und mit breiter Zunge nach Osten leckt, bis es von Serbien aufgehalten wird. Bihac liegt an der Una, einer von römischen Legionären benannten wasserreichen Gegend, die bis heute jeglicher Regulierung entbehrt. So fließt die Una in weiten flachen Bögen durch die Stadt und schafft damit eine einzigartige Atmosphäre. Bilder: en.wikipedia.org/wiki/Biha%C4%87
An unserem Hotel, dem teuersten und schönsten unserer Reise, fließt die Una ruhig und gemessen vorbei. Das Wasser ist so klar, dass die Blätter der Wasserfarne, die sich über dem dunklen Grund bewegen, in weichen Bewegungen mit der Strömung „dahinziehen“. Sie reflektieren das Sonnenlicht und verwandeln es in tanzende Sterne. Knapp daneben rauscht das Wasser über ein Wehr, das durch dichte Weiden verdeckt ist und dessen Geräusch uns in den Schlaf begleiten wird.
Das Rauschen dieses künstlichen Wasserfalles macht süchtig nach mehr und wir wandern hinab zum Park, der durch Wasserarme und natürliche Inseln gestaltet und geprägt wird. Junge Leute schwirren heran, in den Händen Hirtenstäbe und Zeugnisse. Sie machen Lärm und singen, während wir kleine Enten beobachten, die emsig und rasch aus dem Wasser ihre Nahrung holen. Nur eine einzige große Brücke überspannt den Fluss, richtungsweisend für die Hauptstraße, die sich aber später in einem Einbahnsystem verlieren wird.
Die gotische St. Antoniuskirche wurde im 17. Jh. zu einer Moschee umgebaut und gilt heute zweifellos mit Recht als bedeutendste Sehenswürdigkeit von Bihac. Ich habe das Glück unangefochten eine Zeit lang bei einem Nachmittagsgebet in der Fethija Moschee dabei sein zu dürfen. Ich lausche den Worten des Iman und spüre die atmosphärische Kraft des Gebetes, die diesen Raum seit Jahrhunderten erfüllt. Daher berührt es mich nicht so schmerzlich, dass man hier eine gotische Kirche – die ihre Wurzeln bis heute nicht verleugnen kann - zu einer Moschee umgewandelt hat.
Unterwegs nach Jajice
Wir brechen auf in Richtung Jajice und fahren zunächst durch die „berühmte Unaschlucht“. Eine Schlucht, wie viele andere auch: ein Fluß, eben die Una, eine Straße und die Bahngleise haben hier Platz. Links und rechts davon wachsen Sträucher und Bäume. Ich beklage den wenig spektakulären Eindruck und Herbert meint, ich verwechselte Schlucht mit Klamm. Daraufhin versucht er mir in literarischen Bildern den Unterschied zu erklären, doch davon wird die Umgebung auch nicht schöner und interessanter.
Burg Ostrozac
Spannend und aufregend wird es wieder vor der Burganlage von Ostrozac. An dem geschlossenen Tor ist eine Tafel angebracht mit einer Handynummer, die offensichtlich bei Bedarf angerufen werden kann. Na, einfach Handy gezückt und die Nummer gewählt – nein das geht ja nicht – ich brauche die Vorwahl von Bosnien, die mir Herbert ansagt und schon telefoniere ich um den „klucze“ (Schlüssel) der Burg Ostravac. Es meldet sich eine Stimme – aber das Handy schnappt sehr bald ab. Also noch einmal gewählt und jetzt merke ich, dass mein Gesprächspartner verstanden hat und sehr bald kommen zwei Männer, die wir sichtlich bei ihrer Arbeit gestört haben und sperren auf.
Voller Freude, dass wir wirklich hereingelassen wurden, betreten wir einen riesigen Burghof – noch größer und ausgedehnter als bei den Burgen die wir bisher gesehen haben - der mit einer Reihe von modernen Skulpturen geschmückt ist. Auch in Bosnien gibt es offensichtlich workshops für Bildhauer, die ihre Werke hier vor Ort gleich stehenlassen können.www.google.at/#hl=de&q=Ostrozac&aq=f&aqi=&aql=&oq=&gs_rfai=&fp=f587498a2236f03f
Eigentlich kann man sich die geschichtlichen Details zu der Entwicklung der Burganlage schon sparen. Es ist hier überall das Gleiche. Bereits im 13. Jh. errichtet, erobert von den Osmanen und ausgebaut, von den Habsburgern renoviert und erweitert und hier durch einen neugotischen Schloßbau ergänzt. Von den Osmanen ist der Kerker erhalten geblieben - von den Habsburgern das neugotische Schloß. Während die architektonische Gestalt eines Kerkers auch über Jahrhunderte erhalten werden kann, verhält sich die Situation bei einem unbewohnten neugotischem Schloss wesentlich anders.Wir betreten den unversperrten Bau und stolpern schon in der Halle über Schutt und Holztrümmer, ergänzt durch modernen Abfall, wie Plastikflaschen und Getränkedosen. Die ganze Länge des Ganges im Bereich des ersten Stockes ist weit aufgerissen, wie eine Wunde, woraus Fetzen von Schilfmatten und Verputzteile herab hängen. Im vorderen Bereich des Ganges führt noch ein intakte Treppe in den oberen Stock. Und wie das in Herrschaftshäusern und Palästen üblich war, befinden sich hier die Prunk - und Gesellschaftsräume, oder besser das, was die Zeit und die Partisanen, die hier ein Jahr lang ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten, übrig gelassen haben. Schwer zu beschreiben ist der Eindruck, den diese Räume, bestimmt für luxuriöses Behagen, durch ihre schwere Zerstörung im Betrachter erwecken. Die angenagten Steinwände einer mittelalterlichen Burgruine können niemals so traurig machen, wie ein Salon, wo zwischen dem Schutt am Boden noch stellenweise das feine Muster des Parkettbodens sichtbar wird. Wo die Kaminverkleidung noch völlig intakt ist, aber die Wandvertäfelung in Stücke gespalten, im Zimmer herumliegt. Dazu kommt, dass noch einige Möbelfragmente aus dem Schutt herausragen – und in einem anderen Raum die zarte Wandbemalung in krassem Widerspruch zu den Zerstörungsspuren im übrigen Raum steht.
Nur draußen auf der Terrasse, die von dem Amtszimmer des Josip Brod aus betreten werden kann, ist es noch so, wie einst geplant. Zwar zeigen sich massive Risse an der Ballustrade des Geländers, auch fehlen wesentliche Teile der Terrassenfliesen, aber das stört nicht wirklich. Groß und weit erstreckt sich die Terrasse hinaus über das grüne Buschwerk, eröffnet den Blick ins Weite und gibt Raum für Entspannung und Rast. Auch wir genießen das Hier-Sein, wo wir den traurigen Eindrücke vom Inneren des ehemaligen Palastes, zu entkommen suchen.
Wir schlendern zurück in den Burghof, wo sich inzwischen viel verändert hat. Während wir noch in morgendlicher Kühle und Stille den Burghof durchquerten, auf der Suche nach Spuren der Vergangenheit, ist jetzt eine große Gruppe von Schulkindern eingetroffen, die offensichtlich dasselbe vorhaben, wie wir. Sie sind nicht laut, aber lebendig und sehr viele – mehr als 100 Kinder nehme ich an - die versuchen alle Ecken und Enden der Burganlage zu erforschen. Letztlich beobachten wir sie von den Burgzinnen herab, wie sie ein Theaterstück einüben oder zum besten geben – weil auch hier wieder eine Holzterrasse zum „künstlerischem“ Tun auffordert.
JAJCE
Geschichtlich bedeutsam war Jajce bis Ende des 15. Jh., als Sitz der bosnischen Könige. Stjepan Tomasevic, der letzte bosnische König, wurde hier 1461 gekrönt. Immer wieder ersuchte er um Hilfe in der christlichen Welt, um den Vormasch der Osmanen zu stoppen, doch vergeblich. Stepjan Tomasevic floh, wurde aber von den Osmanen gefangen genommen und hingerichtet.
Am 29. und 30. November 1943 fand in der Turnhalle von Jajice die zweite Sitzung des in Bihac gegründeten Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens (AVNOJ) statt. 142 Delegierte kamen zu Fuß aus allen Landesteilen - oft durch die feindlichen Linien hindurch - um den Grundstein für die föderative Republik Jugoslawien zu legen. Ein Ereignis, das später den Nationalfeiertag begründete.
Wir kommen am späten Nachmittag in der Stadt an und fahren einfach ins Zentrum, um dort ein Hotel zu suchen. Da Jajice sehr klein ist, bleiben wir im Hotel Stari Grad, das eine der besten Adressen vor Ort ist, aber das wissen wir noch nicht.
Zuallererst pilgern wir hinab zu dem Weltkulturerbe (oder besser Weltnaturerbe?) Wasserfall, wo mitten in der Stadt der Fluß Pliva über 28m Höhe in den Vrbas stürzt. Der Weg durch den Flusspark hat dem Charme einer Straßenunterführung der 50er Jahre und es riecht auch danach. Mit dem Tod Titos ist offenbar auch die Pilgerschaft von Jajce ausgeblieben, da die sympathischen Betonbauten der kommunistischen Ära hier langsam zusammenfallen und fröhlich vor sich hinrotten. Auch fehlen mir hier die Jugendlichen, die sich normalerweise und anderswo auf den Uferbänken ein Stelldichein geben....
Doch noch wartet die Überraschung auf uns – und er ist wirklich sehr schön, der Wasserfall von Jajice. Besonders eindrucksvoll macht es die Höhe der Stufe, worüber das Wasser nieder stürzt. Auch wirkt das Becken, wo sich das herabgestürzte Wasser wieder sammelt, durch seine Felsumrahmung, den Farnen und kleinen Büschen, die sich im Rhythmus des Wasserfalles hin und herwiegen, sehr romantisch und anziehend. Bilder: de.wikipedia.org/wiki/Datei:Jajce_Waterfall_T...
Lange betrachten wir ungestört das Spiel des Wassers und später das der Enten, die sich im Teich vor der Felskante herum tummeln.
Unsere nächste Wanderung führt uns hinauf zur Festung, die durch einen wunderschönen Ausblick belohnt wird. Von den Aufbauten der ehemaligen Zitadelle ist zwar kaum etwas vorhanden – doch läßt die renovierte Umfassungsmauer die Größe der einstigen Anlage erahnen. Am Weg hinunter in die Altstadt gibt es eine kleine Moschee mit einfachen Holzminarett zu bewundern, die letztendlich auch Zeugnis dafür ablegt, dass für die Menschen der umliegenden Häuser hier ein religiöses Zentrum existiert.
Wieder unten in der Stadt wandern wir Richtung Lukasturm, der noch einigermaßen gut erhalten, zum Himmel ragt. Die Reste der romanischen Kirche, die dem Hl. Lukas geweiht war, und zu einer Moschee umfunktioniert wurde und schließlich einem Brand zum Opfer fiel, machen mich ungewöhnlich traurig. Wahrscheinlich ist es gerade die Skelettierung des alten Baues, die den Eindruck einer zerstörten Kirche nahelegt und einer romanischen noch dazu, die ich ganz besonders liebe.
Das Franziskanerkloster von Jajce wurde im Bosnienkrieg zerstört und nach dem Krieg mit Hilfsgeldern aus dem Ausland wieder errichtet – ein Bau, der zwar die Gebeine des letzten bosnischen Königs bewahrt, aber nur durch seine erschreckende Hässlichkeit fasziniert
Unseren Hunger versuchen wir später in der winzigen Fußgängerzone von Jajce zu stillen. Vor uns das moderne Einkaufszentrum der Stadt – sitzen wir in einer Art Pizzaria und essen mieses Zeug. Doch der Hunger verwandelt alles Essbare in leckere Gerichte, auch wenn dem nicht so ist. Als wir vorm Hotel noch ein Glas trinken, bemerken wir, welch herrliche Speisen hier aufgetragen werden und beim nachträglichem Lesen im Reiseführer wird dem hoteleigenen Restaurant eine besonders gute Küche bescheinigt. Pech gehabt! Am Morgen, beim Frühstück entdecken wir dann auch noch die Reste eines türkischen Bades unter dem Glasboden des Restaurants, die auch zu den Sehenswürdigkeiten von Jajce gezählt werden.
Doch erwarten uns hier noch weitere wichtige Zeugnisse der Vergangenheit. Zuerst machen wir uns auf zum Bärenturm und der Gruftkirche. Dort angekommen, entdecken wir bald in einem der Kaffeetrinker vor dem Souvenierladen den Kastellan von Kirche und Turm. Er verkauft uns Tickets, sperrt uns das Tor zur unterirdischen Kapelle auf und verdrückt sich wieder. Und er hat recht, hier gibt es wirklich nichts zum Stehlen oder zum Verwüsten. Es ist nichts anderes als ein zimmergroße Höhle, die uns zunächst empfängt. An den Wänden sind aus der Erde Bänke herausgearbeitet, wo man die Särge abstellen konnte. In der Mitte des zweiten und unteren Raumes befindet sich ein rechteckiger Block - der als Altar dienen mochte, darüber eine Steinfläche, woraus ein Kreuz herausgeschnitten wurde, gleichsam als Negativabdruck eines Kreuzes. Auch hier gibt es „Begräbnis – Bänke“. Das ist alles, was zu sehen ist – die Särge mit den sterblichen Überreste der Fürsten Hrvatinic, die hier beigesetzt wurden, sind vermutlich längst in alle Winde zerstreut.
Wir verlassen den „gastlichen“ Ort und wandern über die breite Einfallsstraße hinüber zum Mithrasheiligtum. Steinerne Spuren aus der Antike faszinieren mich besonders, weil sie nicht zuletzt wichtige Zeugen unserer europäischen Geistesgeschichte sind.
Mithräum in Jajce
In der Spätantike zählte Mithra neben Ahuramazda und Anahita zu den wichtigsten Göttern in Persien. Seit der Zeit der Parther hatte Mithra zudem einige Attribute eines Sonnengottes angenommen, so etwa eine Strahlenkrone. Mit der Zeit kam es zu einer Vermischung der Lehren Zarathustras und der Anhänger Mithras - insbesondere unter den Magiern der Sassanidenzeit (seit 224 n. Chr.).
Laut Plutarch lernten die Römer den Kult durch Seeräuber aus Kilikien kennen, die von Pompejus 67 v. Chr. entscheidend bekämpft wurden. Durch römische Legionäre gelangte der sittlich strenge, ausschließlich auf Männer abgestellte Mithraskult, in das Römische Reich.
Umstritten ist, wie verbreitet der Kult tatsächlich war und welche gesellschaftliche Bedeutung er besaß. Eine wirkliche Konkurrenz zu dem ganz anders ausgerichteten und strukturierten Christentum scheint er nicht gewesen zu sein - schon wegen des Ausschlusses von Frauen: Während das Christentum vielfach von Müttern an ihre Kinder weitergegeben wurde, konnte der Mithraskult nur durch Mission neue Anhänger gewinnen.
Mithras wurde von einem Vatergott ausgeschickt, um die Welt zu retten. Er wurde aus einem Stein in einer Felsenhöhle geboren, der von den Mythen als Petra Genetrix („Mutterfelsen“) angerufen wurde. In der mithräischen Ikonographie wird Mithras als Jüngling dargestellt, der eine phrygischen Mütze trägt. Die Innenseite von Mithras' Umhang ist oft wie ein Sternenhimmel dekoriert. Von zentraler Rolle in der mithräischen Ikonographie ist das Motiv einer Stiertötung, das in allen Mithräen wiederkehrt.
Ähnlich wie der persische Gott Mithra Jahrhunderte zuvor schon als Sonnengott verehrt worden war, bekam Mithras auch bei den Römern sehr oft den Beinamen Sol invictus (lat. „der unbesiegte Sonnengott“). Zwar ist Mithras nicht einfach identisch mit der römischen Gottheit Sol. Mithras bekam nun aber oft den Beinamen Sol Invictus, vielleicht um auszudrücken, dass er die Rolle des Kosmokrators (Beherrschers des Kosmos) übernommen hatte, die vorher Helios/Sol besaß. Zwischen dem 3. und 6. Jahrhundert war der Sol Invictus Mithras eine der beliebtesten Gottheiten unter römischen Nichtchristen.
Die Mithras-Tempel heißen Mithräen. Typischerweise enthielten sie zwei lange Reihen von Liegen, die durch einen Mittelgang voneinander getrennt waren, der vom Eingang auf das Kultbild hinführte. Dieses zeigte die Stiertötung durch Mithras, oft ergänzt um weitere Szenen und Symbole mit umstrittener Bedeutung. Die Mithräen sind relativ klein, also auf nur kleine Kultgemeinschaften ausgerichtet, und waren offenbar oft nicht lange in Benutzung, so dass ihre große Anzahl nichts über die Zahl der Anhänger insgesamt aussagt. Offenbar durfte die Kultgemeinde eine gewisse Größe nicht überschreiten; um dies zu vermeiden, wurden oft mehrere Mithräen an einem Ort gegründet, deren archäologischen Überreste heute noch im gesamten Gebiet des Römischen Reiches zu finden sind. Und auch im bosnischen Jajce gibt es Zeugnisse des Mithraskultes.
Nach Wikipedia: „Mithras“
Wir stehen vor dem kleinen Heiligtum und können nicht hinein. Auch die freundlichen Nachbarn der Umgebung, die hier Auto waschen, können uns nicht weiterhelfen, bis wir wieder einen kleinen Hinweis finden, wo mitgeteilt wird, dass der Schlüssel von unserem bekannten Kastellan verwaltet wird. Also wieder hinauf auf den Stadtwall und den Schlüsselverwalter gesucht. Wir finden ihn tatsächlich an der Eingangspforte der Katakomben und bitten ihn zum Mithräum. Er kommt mit – er, eine bekannte Gestalt in dem Städtchen Jajce, der von Passanten und Autofahrern eifrig gegrüßt wird - und sperrt das Heiligtum für uns auf. Leider ist nur das Relief erhalten geblieben. Der Raum selbst wurde in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts errichtet. Dennoch ist es faszinierend und eindrucksvoll, vor dem Götterbild einer Zeit zu stehen, wo nach dem Untergang der kapitolinischen Götter, die Menschen verzweifelt nach neuen Möglichkeiten suchen, um die Welt und ihr eigenes Leben zu erklären und zu verankern.
Der Mithraskult war eine Heldenreligion, die bei den Soldaten des römischen Imperiums naturgemäß viele Anhänger gefunden hatte. Dazu kam, dass es ein Geheimkult war, der die Mitgliedschaft doppelt interessant machte. Und dennoch wurde der Siegestag des Sol Invictus in Europa zum Weihnachtsfest, der Tag, an dem die Menschen die Geburt eines anderen Gottes feiern, der einzige, der auf Golgotha auf die tiefsten menschlichen Fragen eine Antwort zu geben hatte.
Von Jajce nach Mostar.
Bugojono
Unterwegs hoffe ich in Bugojono in einer der größten katholischen Kirchen Bosniens zu beten, die dem Hl. Antonius geweiht ist. Doch als wir auf dem weiten Platz vor der Kirche ankommen, wird bald klar, dass alle Eingangstüren fest verschlossen sind. Ich setze mich auf die Stufen der Eingangspforte und versuche meinen 'Frust' mit Gebeten aufzulösen: gelingt aber nicht wirklich – bin wütend und grantig und kann gar nicht beten. Nach einiger Zeit kommt Herber zurück und reißt mich aus meiner düsteren Stimmung mit den Worten, „Komm, wir können in die Kirche hinein!“
Und tatsächlich hat Herbert jemanden aufgetrieben, der den Schlüssel zur Sakristei hat und damit auch zum Gotteshaus. Dass dieser Mann gutes Deutsch mit leichtem Akzent spricht, fällt mir gar nicht richtig auf. Noch immer glaube ich den Mesner oder jemand anderen vor mir zu haben. Bis ich endlich aus den Erläuterungen und Erzählungen unseres Begleiters erkenne, dass wir hier den Pfarrer von Bugojono vor uns haben.
Auch er ist in Jeans und T- Shirt gekleidet, auch er hat kein „priesterliches“ Gehabe – was immer das ist - und er erzählt uns über die Kirche, die Pfarrgemeinde und auch über sich selbst. Die Kirche ist, wie nicht anders zu erwarten, ein Bau aus der Habsburgerzeit in den Ausmassen der Gründerzeitkirchen, also viel zu groß. Stilistisch würde ich den Bau ins Neuromanische einordnen, aber so genau kann ich das nicht sagen. Die Altarwand ist eindeutig Tiroler Schnitzkunst und eine Reliefarbeit, die wie aus einem Stück wirkt. Allerdings wirkt die Wand in dem riesigen Raum und der dazugehörigen Apsis ziemlich verloren. Doch das ist im Moment nicht wirklich wichtig. Viel interessanter ist, was der Pfarrer zu erzählen hat.
Sein Vater hat in Österreich gearbeitet und ist früh gestorben. Und da zur Familie in Bosnien immer wieder Schriftstücke aus Österreich gekommen sind, wollte er die Briefe lesen können. So hatte er einen wirklichen Grund Deutsch zu lernen, was er auch gemacht hat. Nach dem Gymnasium hat er in Bad Tölz studiert und im dortigen Kloster zeitweilig gelebt. Im Zuge des Bosnienkrieges wurde er von seinem Abt nach Bugojono geschickt, um die Toten zu begraben. Und hier hatte er bis zu sechs Tote am Tag zu begleiten.
Wie in Mostar, kämpften bosnische Kroaten und Bosniaken zunächst Seite an Seite. Als immer mehr muslimische Flüchtlinge aus dem Osten in die Stadt kamen, kam es zu Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen. Im Juli 1993 kam es zu Kämpfen zwischen muslimischen Regierungstruppen und bosnisch-kroatischen Verbänden. Kroatische Gefangene wurden daraufhin in Lager verschleppt, im Stadion der Stadt festgehalten und die Zivilbevölkerung vertrieben. Und diese Ereignisse rissen einen tiefen Graben zwischen beide ethnischen Gruppen, der bis heute noch blutet. Die geflüchteten bosnischen Kroaten sind in alle Welt zerstreut und bringen die Welt jedes Jahr zu Weihnachten nach Bugojono. An Rückkehr denken nur wenige und daher ist der Ort heute überwiegend von Muslimen bewohnt.
Wenn er über die Auswanderer berichtet lächeln des Priesters Augen und er erzählt uns auch über die Internet-Kontakte, die er mit vielen der Geflüchteten unterhält. Als wir aber fast schon am Verabschieden sind, sagt er ganz leise, gleichsam zu sich selbst – das war furchtbar damals, das war die Hölle...
Ramsko Jezero
Unser nächste Ziel ist eine landschaftliche Schönheit, der See „Ramsko Jezero“. Wir biegen in Prozor nach Westen ab und fahren elendslang auf einer gut asphaltierten, aber engen Straße ins Land hinein. Es geht hügelauf und hügelab, durch kleine unzerstörte Dörfer und grüne Flusslandschaften. Schließlich sind wir am See, wo wir über eine enge Abzweigung auf die Halbinsel Scit zusteuern, die eine ausgedehnt Klosteranlage beherbergt. Gegründet unter den Habsburgern, scheint der Bau aber neueren Datums. Das Innere der Kirche überrascht durch das mutige farbenprächtige Apsisbild. Auch faszinieren mich die Bilder der Kreuzwegstationen durch ihre moderne und expressive Gestaltung.
Draußen im Park der Klosteranlage ist eine Bronzegruppe des Abendmahlsszene aufgestellt, von großer Eindringlichkeit und Kraft, wie die geretteten Fotos beweisen.
Unterwegs nach Mostar.
Wir verlassen den See - der im Sonnenlicht wunderbar sein muss - bei strömendem Regen - und fahren wieder zurück Richtung Bundesstraße nach Mostar. Lange geht es durch abwechslungsreiche Gebirgslandschaft und schließlich sind wir in der Nähe von Mostar angekommen.
Da wir noch kein Mittagessen hatten, versuchen wir in einem Straßenrestaurant namens „HASE“ etwas zu essen zu bekommen. Wie schon einmal, wird unsere Bestellung: „Je eine Portion!“ missverstanden und es wird uns nur eine einziger Teller mit Fleischspießen und Kartoffel serviert. Wir verstehen nicht, warum das so ist – aber wir beschließen auf die zweite Portion zu verzichten und am Abend wirkungsvoll zu essen.
MOSTAR
In Mostar finden wir ein Privatquartier mit Namen „Rose“, wo wir – als besonderen Luxus - unseren Wagen auf einer abgesperrten Fläche parken können. Allerdings befindet sich die Garagenfläche neben einer dicht befahrenen Umfahrungsstraße, wodurch das Hinaus - und Hineinkommen immer wieder zu einer existentielle Herausforderung wird.
In die Altstadt können wir zu Fuß gehen und erleben noch am gleichen Abend von einer östlichen Brücke (Lucki Most) aus, den Anblick, der alle bosnischen Reiseführer ziehrt.In einem Land, wo unzählige Flüsse bis heute ihr eigenwilliges Spiel mit Natur und Mensch treiben, ist der Wert einer Brücke viel höher einzustufen, als alle anderen Bauten. Eine Brücke bedeutet Unabhängigkeit von Gewitter, Sturm und Überschwemmungen, die den Fährbetrieb lahmlegen und die Reisenden zu langen Wartezeiten verdammen, die langweilig und kostspielig sind.
Brücken verbinden Stadtteile, Regionen und nicht zuletzt die Reichshauptstadt mit den eroberten Provinzen. Und auf diesem Hintergrund scheint es sehr einleuchtend, das die Sultane der Osmanen auch in Bosnien viele Brücken in Auftrag gaben.
Eine davon sollte Mimar Hajrudin bauen, und zwar in Mostar, die das Hinterland mit der Adria verbinden sollte. Und er errichtete einen Brücke, deren Konstruktion bei den Architekten der Gegenwart Staunen und Bewunderung hervorruft.
„Wenn man die Brücke betrachtet, sieht sie aus wie ein gespannter Bogen, von dem gerade ein Pfeil wegfliegen soll!“(nach Evli Celebi -einem osmanischen Reiseschriftsteller)
Von 1557 bis 1566 dauerten die Bauarbeiten und als man die Gerüste abzunehmen begann, hat - der Legende nach - der Baumeister das Weite gesucht. Sultan Soliman hatte ihm die Todesstrafe angedroht, falls die Brücke einstürzen sollte. Doch sie stürzte nicht ein, sondern überspannte 400 Jahre lang die Neretva in einem ovalen Bogen (21m über dem Sommerwasserspiegel) – trotzte dem Jahrtausenhochwasser von 1860 und überstand die Kriegshandlungen von zwei Weltkriegen, bis sie 1993 nach einem gezielten Beschuss durch die Kroaten zerbrach und in den Fluss stürzte.Bilder:de.wikipedia.org/wiki/Stari_most
Historische Ansicht der Brücke
Ansicht der zerstörten Brücke
Die Besonderheit der Konstruktion konnte nun an der zerstörten Brücke bis ins Detail studiert werden, ein Prozess, der zwei Jahre dauerte. Erst dann entschloss man sich an die Rekonstruktion zu gehen. Der Wiederaufbau der Brücke sollte möglichst originalgetreu erfolgen. Daher hob man die abgestürzten Steinquader aus dem Fluss in der Hoffnung, sie wieder verwenden zu können. Doch diese waren in der Zwischenzeit so abgeschliffen und angegriffen, dass sie unbrauchbar geworden waren.
Dies bedeutete, dass die Steinblöcke aus der Region herbeigeschafft und vor Ort von Steinmetzen bearbeitet und eingepasst werden mussten. Dazu wurden Handwerker aus Dubrovnik und der Umgebung herbeigerufen, die noch die alten Handwerkstechniken beherrschten, wie z. B. die Herstellung von Steinverbindungen durch geschmiedete Eisenklammern oder das Ausgießen der Fugen durch Blei.
Trotz Computersimulation und genauester Berechnung der Dimensionen und Belastbarkeit der Konstruktion, wagten es die modernen Architekten aber nicht, die Brücke ohne stützende Eisenkonstruktion zu errichten. Im Juli 2004 wurde die rekonstruierte Brücke feierlich eröffnet, und zwar im Beisein von hochrangigen internationalen Persönlichkeiten, wie Bill Clinton und Kofi Annan. Einem geschichtsträchtigem Symbol wurde damit wieder Leben eingehaucht – doch bleibt die Frage offen, ob hier nur zwei Ufer verbunden wurden, oder auch eine innere menschliche Verbindung wieder hergestellt werden konnte. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Verletzungen in den Herzen der Menschen langsam heilen und eine Generation aufwächst, die sozialen und nationalen Verkrampfungen nicht mehr so ausgeliefert ist, wie die Generationen davor.
Mostar als Stadt, weist noch viel Verwundungen auf, die vermutlich aus finanziellen Gründen nicht beseitigt werden können. Am rechten Neretva Ufer steht z. B. nur mehr die Fassade eines öffentlichen Gebäudes, das durch seine Ausdehnung und die notdürftige Verschalung der gefährlichen Stellen, besonders traurig stimmt.
Die kleine Cejvan-Cehajina - Moschee linker Hand vor der Brücke, ein besonders feines Exemplar ihres Typus, tröstet mich wieder. 1552 erbaut gehört sie zu den ältesten Moscheen des Landes. Alles ist klein und überschaubar und zudem unübertroffen anmutig.
Der Tara-Turm, der die Brücke links flankiert, stammt aus dem 17. Jh., hat bis zu drei Meter dicke Mauern und wurde vor Zeiten als Muntionslager genutzt. Der benachbarte und viel ältere Hercegusa Turm wurde vermutlich schon unter Herzog Stejpan Vukcic-Kosaca erbaut.
Der Turm Halebija am linken Flussufer, stammt ebenfalls aus der bosnischen Königszeit. Als die Brücke fertiggestellt war, ließen die Osmanen aus strategischen Gründen auch diesen Turm renovieren und erweitern. Heute bilden die Türme den Rahmen, um den Anblick der Brücke eine eigene Kategorie von Schönheit zu verleihen..
Die Zugangswege zur Brücke, einstens wichtige Zufahrststrassen für Reisende und alle anderen Passanten, sind heute Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen. Hier tummeln sich die jungen Leute und Touristen, aber es bleibt alles in einem gemütlichen Rahmen. Obwohl sich das Angebot in den Läden weitgehend den Bedürfnissen und Wünschen der Bedürfnissen der Touristen angepasst hat, atmet man hier fast orientalisches Flair. Wie in Sarajevo bereits zu spüren war, bleiben die Verkäufer und Bewohner der Stadt gerne unter sich – sie sind freundlich zu den Gästen, mehr noch von einer fühlbaren Herzlichkeit - aber letztlich genießen sie es miteinander Kaffee zu trinken, zu plaudern oder einfach nur „dazusein“, wie der Philosoph es nennt. Wir versuchen es ihnen nachzumachen und versinken plaudernd und scherzend in den weichen Polstern einer Sitzgarnitur vor einem der zahlreichen Cafes. Später am Abend versuchen wir aus der Touristenmeile herauszukommen, um einfach zu essen. Aber Mostar ist an sich eine Touristenmeile und daher bleiben wir in einem Restaurant, wo ein kleiner Kanal, wasserreich und schnell an unserem Tisch vorbeifließt, Katzen unsere Beine umschmeicheln und wo es auch vorzügliche Speisen gibt, wie z.B. gebratenen Fisch...
Die Stari Most in Abendbeleuchtung ist ein überstrapazierte Ikone, besonders jetzt nach der Rekonstruktion. Aber sie erhebt sich wirklich wunderschön im abendlichen Licht, zusätzlich beleuchtet von den Strahlen der Scheinwerfer, als wir schließlich über die Lucki Most Richtung Hotel wandern.
Wasserfälle von Kravica
Am Sonntag Nachmittag fahren wir zu den berühmten Wasserfällen von Kravica.. Ich erwarte mir nicht viel und werde wieder überrascht. Es ist wirklich eindrucksvoll, wie breit der Wasserfall angelegt ist. Fast möchte man meinen, dass hier ein halber See vor unseren Augen in die Tiefe rauscht.
Ringsum in einem unregelmäßigen Halbkreis fallen die Wasser in die Tiefe und sammeln sich in einem Becken, wo sich einheimische Schwimmer tummeln. Der dazugehörige Strand ist nicht besonders einladend, schmal und voller Steine. Doch drüben am anderen Ufer des Sees ragen einzelne Felsen heraus und dazwischen kann man sich gemütlich in der Sonne ausstrecken. Doch die meisten Besucher bestaunen nur das Naturereignis fotografieren, wie wir und wandern dann wieder den Panoramaweg zurück, der die untere, sehr grüne und abwechslungsreiche Flusslandschaft begleitet.
Mogorjelo
Unser nächstes Ziel ist die römische Villa Mogorjelo. Die rechteckige Villa aus dem 3.Jh. wurde von vier Ecktürmen geschützt und war verschwenderisch ausgestattet. Der Komplex bestand aus einem einstöckigen Hauptgebäude und mehreren Arbeits- und Lagerräumen, einem Weinkeller und Backstube. Das Hauptgebäude verfügte über eine Vorhalle, dessen Dach von wertvollen Säulen getragen wurde. Die Böden der Zimmer waren mit Marmor ausgelegt, die Wände mit Bildern und aufwendig gearbeiteten Mosaiken dekoriert. Als die Westgoten um 401 über das Gebiet der heutigen Herzegowina herfielen, zerstörten sie das Hauptgebäude. Zur Gänze wurde die Hofschaft im 5.Jh. verlassen. Zwei Jahrhunderte später wurde auf dem Areal eine frühchristliche Basilika errichtet, die im Laufe der Jahrhunderte ebenfalls zerstört wurde.
Die archäologischen Arbeiten begannen hier bereits um 1899 und förderten die Grundmauern der verschiedenen Bauwerke zu Tage. Die heute sichtbaren Überreste datieren vor allem aus der Zeit der römischen Villa.
Es ist warm und schön hier, zwischen den altehrwürdigen Steinen. Der Ausblick von der Hofterrasse beweist wieder einmal, mit welcher Sicherheit in der Antike die schönsten Plätze gewählt wurden, um dorthin Tempel oder Häuser zu bauen.
Wir spazieren durch die Anlage und ruhen zwischen den Zypressen und Oleandern, die noch von den Archäologen gepflanzt wurden und woraus ein wunderschönen Park entstanden ist. Wir beobachten Eichkätzchen, Vögel und Schmetterlinge, wie sie eifrig ihren Geschäften nachgehen und vergessen Zeit und Raum.
Dennoch werden wir später diese faszinierenden und ruhevollen Ort verlassen und uns auf den Rückweg nach Mostar machen. Auf dem Weg dahin wartet aber noch ein mittelalterliches Juwel, das von den Osmanen und Venezianern gefasst wurde, Pocitelj.
Pocitelj
Die Altstadt schmiegt sich an die Flanke eines Hügels, so ganz im Sinne von alten Städten, die wir nur aus Kupferstichen kennen. Und es ist alles da, was in Osmanischer Zeit gut und teuer war: eine ausgedehnte Festungsanlage, eine mittelgroße Moschee, ein türkisches Bad, eine Medresse und zudem ein eindrucksvolles Beispiel orientalischer Wohnarchitektur, das Gavrankapetanovic Haus. Die stilistisch dazu passenden, einfachen Häuser stehen eng beieinander und sind untereinander nur durch steile Treppen zu erreichen.
Beeindruckt von der altertümlichen Architektur wandern wir hinauf in die Stadt. Rechter Hand erhebt sich die Moschee Sisman Ibrahim Pasa, deren Architektur an viele andere Moscheen erinnert, die im Gebiet von Herzegowina im 16.Jh. errichtet wurden. Der klassische Kuppelbau besticht durch sein hohes, weit sichtbares Minarett, das mit fein gearbeiteten Ornamenten geschmückt ist. Die Vorhalle wird von drei Kuppeln überwölbt und von vier Säulen getragen, deren Kapitelle mit Blattornamente umfangen sind. Und es gelingt mir hier tatsächlich die offene, kunstvoll gestaltete Holztür unbehelligt zu durchschreiten und an einer Gebetsstunde teilzunehmen. Ich knie mich ganz hinten hin und höre den Worten zu, womit der Iman halb singend, halb sprechend den Gottesdienst gestaltet. Rund um den Iman knien Männer, die mit ihren Verbeugungen dem Rhythmus der Gebete folgen. Dasselbe tun auch die Frauen, und zwar in der zweiten Reihe hinter den Männern. In den ganz großen Moscheen haben die Frauen in der linken hinteren Ecke des großen Gebetsraumes einen abgetrennten eigenen Raum. Hier in dieser ländlichen Atmosphäre fällt das aber weg und es berührt mich sehr warm.
Wenn man in Österreich den Sonntagsgottesdienst besucht, dann fällt auf, dass nach dem Ende der Zeremonie, die Menschen ganz schnell das Gotteshaus verlassen. Und das passiert auch hier. Auch meine ich Ähnlichkeiten in der Haltung der Betenden zu bemerken – einige sind „dabei“ und andere machen einfach mit, weil es der Brauch ist. Und das ist im Grunde auch bei uns so.
Und was, so frage ich mich – soll jetzt der gravierende Unterschied im Lebensvollzug der Religionen sein - dass man sich wegen unterschiedlichen Religionsbekenntnissen bekriegen und töten soll?
Ich betrete wieder die Vorhalle der Moschee, die wie überall, fast Wohnzimmeratmosphäre ausstrahlt. Ich ziehe meine Schuhe wieder an und wir wandern hinauf zur Festung.Im Grunde war die ganze Stadt am oberen Hügelrand von einer Festungsmauer umgürtet, d.h.sie war von außen fast uneinnehmbar. Dennoch gelang es den Venezianern Pocitelj für etwa dreißig Jahren den Osmanen zu „entreißen“ , weil sich die Bevölkerung auf Seiten der Venezianer stellte - und in der Festung ihre architektonischen Spuren zu hinterlassen.So z. B. Die beeindruckende Dachkonstruktion in einem der Festungstürme.
Der Blick von der Festung ist einfach umwerfend und ich bin froh, dass wir hier als Touristen verweilen dürfen und nicht als Wächter der Burg, die den riesigen Landschaftsraum bewachen und nach möglichen Angreifern Ausschau halten mussten.Ob sie wohl die Schlingen der Neretva auch so romantisch fanden wie wir, oder eher froh waren, wenn sie die Stellung verlassen und in den unteren Räumen ihren Tee trinken konnten?
Auch wir wandern nach dieser philosophischen Betrachtung der Einflussnahme von unterschiedlichen Betrachtungspunkten auf die persönliche Wahrnehmung, wieder hinab, Richtung Medesse, die in neuerer Zeit als Künstleratelier dient, aber zurzeit geschlossen ist. Auch die Kuppeln des türkischen Bades können wir nur von außen bewundern. Doch bekommen wir im umgestaltete Han von Pocitelj wir Kaffee und Fruchtsäfte, um uns für die Heimfahrt zu stärken.
Unterwegs nach Stolac
Buna:
Das Derwischkloster(Tejka) von Buna besuchen wir am nächsten Tag. Wir sind früh unterwegs und als wir in dem engen Tal der Buna aussteigen, empfängt uns die kühle Morgenluft, die von dem wasserreichen Fluß aufsteigt.Wir wandern in Richtung Talschluß, wo wir das Museum des ehemaligen Derwischklosters besuchen wollen.
Wir betreten das Areal durch einen hohen Torbogen, das in eine weite Umfassungsmauer eingelassen ist, die ursprünglich das Klostergebäude, Wirtschaftsräume, Garten und hauseigene Mühle schützend umgab. Heute werden die Nebengebäude nur mehr als Speicher benützt oder zu notwendigen touristischen Anlagen umgebaut.
Das Klostergebäude selbst, das sich an eine Felsmauer des Talschlusses schmiegt, wurde Anfang des 16.Jh. im sog. „türkischen Barockstil“ erbaut und ist im wesentlichen über die Jahrhunderte unverändert erhalten geblieben.
Im Erdgeschoß, wo einstmals die Wirtschaftsräume lagen, betreut eine junge bosnische Familie einen Souvenirladen und ein kleines Cafe. Sie haben zum Teil wunderschöne Sachen zum verkaufen,wie traditionelle Musikinstrumente, Tücher aller Art, Bücher und Broschürenn neben Anisichtskarten und dem Allerweltskitsch, wie überall. Noch bezähme ich meinen Kaffeedurst und wir steigen die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo uns ein warmes und anheimelndes Ambiente umfängt. Dunkel Holztäfelung an den Wänden, Sitzbänke in den Wänden der Gesellschaftsräume, geschmückt mit bunten Teppichen werden ergänzt durch reich geschnitzte Bücherschränke und Pergamenthandschriften an den Wänden.
Der überraschendste Raum ist allerdings der ehemalige Waschraum der Derwische, der von einer Halbkuppel überwölbt ist, worin Sterne ausgespart sind.
Ein Raum ist abgesperrt und beim Hineinschauen sehe ich drei Särge neben einanderstehen. Das erklärt für mich, dass das Kloster bis heute ein heiliger Ort ist, weil die Moslems für ihre „heiligen Toten “ eine ähnliche Verehrung empfinden, wie wir Christen.
Der Derwischorden kam schon früh nach Bosnien und spielte eine wichtige Rolle bei der Islamisierung der Bevölkerung. Das Netzwerk der Orden erlaubte den Derwischen schon früh ausgedehnte Reisen von Tejka zu Tejka. Zur Zeit Jugoslawiens wurden die Orden offiziell verboten, weshalb viele Tekijas geschlossen und aufgelöst wurden.Im 17. Jh.. gab es in Sarajevo 47 solcher Zentren, die heute alle verschwunden sind.
Eine absolute Traumlandschaft umgibt das Klostergebäude. Die Buna, ein sehr wasserreicher Fluß, kommt hier direkt aus einer Höhle, die den „Hinterhof“ der Klosteranlage bildet. Die Höhle geht tief in den Berg hinein, wirkt wie ein riesiger offener Mund, aus dem das Wasser ganz gemächlich herausfließt. Erst weiter unten, wo Steinblöcke und Stufen den ruhigen Lauf des Wassers hemmen, wird klar, wie viel Wasser die Bunaschon schon ab ihrer Quelle führt und mit welche Kraft sie dahinzieht. Auch gibt es später eine Fischfarm zu bewundern, die noch auf österreichisch-ungarische Verwaltung zurückgeht und von der Buna vorbildlich durchwässert wird.
Auf der Fahrt nach Stolac landen wir mitten in der Ebene in einer verwunschenen Ecke, wo es einfach nicht mehr weitergeht. Nur ein einsamer Lieferweg kommt uns entgegen, während wir auf einer einspurigen Landstraße entlang eines romantischen Flussbettes dahin fahren. Doch wir lösen das Problem auf unsere Weise, indem wir in dem wirklich feinen Restaurant, zu dem die schmale Straße geführt hat, einfach zu Mittag essen - und zwar Fische mit Gemüse, das wir als willkommene Abwechslung genießen.
Radimlje
Zurück geht es wieder auf der Zufahrtstrasse und diesmal in die vorgesehene Richtung nach Stolac, wo wir die Nekropole Radimilja besuchen wollen.Die Nekropole entstand im 15. Und 16.Jh. und ist eine Hinterlasseschaft der Bogumilen
Die Ornamentik auf den Grabstelen (Stecci) ist einfach und sehr eindrucksvoll. Sie zeigt hauptsächlich Pflanzen und Blumen, daneben gibt es aber auch viele Kampfmotive, wie Schwerter, Bogen und kämpfende Männergestalten.
Der bosnische Schriftsteller Dżemaludin Alić schreibt in seinem Roman „Der Patarener“: „Es war nach dem bosnischen Evangelium verboten, große Kirchen und Bethäuser zu bauen, sie galten als Zeichen der irdischen, dinglichen Welt und als Dienst am Herrscher der Dinge, dem Satan. Nur Grabsteine, Stecci, aus Marmor, wurden deswegen mit Symbolen des Weltalls – Sonne, Monde, Sterne – bedeckt, mit Rosetten, Blumen und Ritterszenen. Man tanzte im Bosnien der Patarener (Andere Bezeichnung für Bogumilen) Reigen auf den Gräbern, auch eine Szene, die auf den Stelen dargestellt ist. Denn der war glücklich, der die dingliche Welt des Teufels verließ und in das gute und ewige Weltall des Schöpfers einging.“
Was für ein Verhältnis hatten die Bogumilen zum Tod? Mit Sicherheit ein anderes als wir heutigen Menschen. Die materielle Welt war für sie kein irdisches Paradies, sondern eine Folge des Abfalls von Gott. Der menschliche Leib war das äußere Gefängnis ihrer unsterblichen Seele. Hinzu kamen die ständigen äußeren Verfolgungen. Der Tod war für sie das Hinübergehen in eine bessere Welt – zumal dann, wenn sie entsprechend ihrer inneren Bestimmung gelebt hatten.
Im Johannesevangelium, das die Bogumilen als einziges der vier Evangelien anerkannten, findet sich der Satz: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen.“ Und viele dieser Steine sehen ja aus wie Häuser. Könnte es nicht sein, dass die Bogumilen hierher kamen, weil sie ihre Sehnsucht auf das himmlische Jerusalem richteten?
http://www.das-weisse-pferd.com/2008/bogumilen.html
Die ortsansässige adelige Familie war damals Miloradovic-Hrabren, deren Grabsteine auch hier zu sehen sind. Die Stecci wirken fast neu, weil sie keine Verfärbungen, weder Moose noch Flechten aufweisen, das bedeutet, dass sie offensichtlich sie erst vor kurzem restauriert wurden. Ich laufe herum und wir freuen uns an den großflächigen, einfachen Ornamenten, die sehr archaisch anmuten.
Besonders eindrucksvoll erscheinen uns die Tierbilder, laufende Hirsche oder Haustiere, die von Menschen geführt werden. Auch Jagd-und Kampfszenen sind in die Steccis eingemeißelt, wo wiederum Pferde eine wichtige Rolle spielen.
Auch finden wir Szenen mit Reihentänzen, wo die Tänzer sich an den erhobenen Händen fassen. Die abgebildeten einzelnen Krieger weisen immer mit einer Hand nach oben: eine symbolische Geste, deren Bedeutung ich nicht herausfinden konnte.Wenn ich mich aber an meine Erlebnisse mit den Sufis in Kappadokien zurückerinnere, dann könnte die noch oben ausgestreckte Hand die Verbindung zum Himmel bedeuten.
Stolac
besteht seit dem Mittelalter und war immer ein lebhaftes Handelszentrum. Die Stadt gehörte bis 1918 zu Österreich-Ungarn und war Garnison des IV. Bataillons des K.u.K. Infanterie Regiments "Friedrich, Großherzog von Baden" Nr. 50
Bis vor dem letzten Krieg war es etwa zur Hälfte bosniakisch und zur Hälfte kroatisch.
Während des Krieges 1992-1995 erreichte Stolac traurige Berühmtheit, da es hier vor allem 1993 zu heftigen Kämpfen zwischen Bosniaken und Kroaten kam. Nach der Eroberung der Stadt durch bosnisch-herzegowinische Kroaten kam es zu Plünderungen durch deren Soldaten. Während der Plünderungen wurde der Stadtkern verwüstet und alle Moscheen zerstört sowie später dem Erdboden gleich gemacht, darunter auch die sog. Kaisermoschee, eine der ältesten überhaupt in Bosnien und Herzegowina.Auch die orthodoxe Kirche wurde zerstört. Die Befehlshaber inhaftierten männliche Bosniaken in Gefangenenlager, während Frauen und Kinder ausgewiesen wurden.
Nicht zuletzt wegen der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Situation in diesem Teil Bosnien-Herzegowinas, aber auch wegen noch immer anhaltender Spannungen geht die Rückkehr von Bosniaken und Serben nur langsam voran.
Am 26. Februar 2004 geriet Stolac durch den Flugzeugabsturz des mezedonischen Präsidenten
Boris Trajkovki erneut in die Schlagzeilen. Dabei kam es während der Suche nach dem Wrack zu einigen Unstimmigkeiten. Das französische SFOR- Bataillon hatte erst der lokalen Polizei eine Beteiligung an der Suche versagt, musste aber später zugeben, dass es am falschen Ort gesucht hatte, etwa 15 km von der wahren Absturzstelle entfernt. Der 22-jährige französische Soldat, der mit der Flugsicherung vom Boden aus beauftragt war, wurde zurückgezogen, ohne eine Untersuchung anzusetzen.
Vgl: http://de.wikipedia.org/wiki/Stolac
Wir treffen in Stolac ein und parken am Ufer der Bregava. Wie schon so oft, fließt auch dieser Fluss in seine gemächlichen Weise durch den Ort, umgeben von üppigem Grün – manchmal ein bisschen durch ein Wehr gebändigt, um einen Kanal abzuzweigen, der ursprünglich für das Betreiben von Mühlen gebraucht wurde und heute einfach nur da-ist. Wir kaufen im kleinen Supermarkt Wasser und Kekse ein und beginnen die Hauptstraße entlang zuwandern. Und dieser Spaziergang wird für uns zu einer Dokumentationswanderung, die uns völlig unvorbereitet trifft . Linker Hand erhebt sich die Festung, wo ein Turm und einige Gebäudefronten in der Neuheit der Rekonstruktion auf uns niederstrahlten.
Dagegen eröffnet sich Rechte Hand ein Reihe von leeren Fensterhöhlen, schwarz verbrämt durch Rußspuren der ehemaligen Brände. Neben oder über den Türen dieser zerstörten Häuser findet man noch manchmal Hinweise auf die früheren Besitzer, alte Reklameschriften oder Zeichen eines früheren Lebens.
Und diese widersprechenden Eindrücke wiederholen sich die ganze Straße entlang: erhaltenes Haus mit Zeichen von Pflege und Sorge, daneben ein zerstörtes Gebäude, und immer so weiter. Dort, wo die Hauptstraße mit einem Großen Bogen ins Gebirge hinauf führt, erstreckt sich ein großes Areal, sehr gepflegt und mit kleinen Steinen gepflastert und mitten darin die Kroatisch-Katholische Kirche. Ein völlig unerwarteter Anblick, weil die Kirche wieder habsburgische Größenvorstellungen folgt, d.h. sie ist als Dorfkirche völlig überdimensioniert. Dennoch möchte ich gern in die Kirche hinein, aber sie ist wie fast immer, zugesperrt.
Zurück wandernd schieben sich immer häufiger die Spuren der Zerstörung vor unseren Blick. Diesen schmerzlichen Eindruck kann auch die rekonstruierte Moschee und die daneben befindliche Medersa auch nicht mehr abschwächen.
Am Ufer der Bregava – im Blick auf eine der alten unzerstörten Brücken versuche ich mit dem Erlebten klar zukommen. Die Tränen sind mir näher als alles andere und ich spüre eine entsetzliche Hilflosigkeit gegenüber den Gründen, die Menschen dazu veranlassen sich das, was hier passiert ist gegenseitig anzutun. Hier ging es nicht um Geld oder Besitz oder alle die Dinge, die ein anderer hat und ich nicht, sondern nur um das Anderssein des Anderen. Sicher kann man von außen nicht wirklich beurteilen, was hier innerlich geschehen ist, aber egal welche Gründe maßgeblich waren, sie rechtfertigen niemals eine Grausamkeit, wie sie hier ihre Spuren hinterlassen hat.
Wir fahren weiter und jetzt beginnt eine wunderbare Fahrt durch die Berge, einsam und völlig losgelöst von den Ereignissen rund um die Menschen – erstrecken sich hier vor uns Hügel und Wiesenflächen, die nur auf einer winzigen einspurigen Straßen zu durchqueren sind. Ursprünglich wollten wir die Hügel queren, um beim Deranzko Jezero wieder herabzukommen und von dort zurück nach Mostar zu fahren. Doch in der Begeisterung des Fahrens verpassen wir eine Abzweigung und stehen plötzlich vor einem Waldweg, worin sich unsere Straße einfach auflöst. Es ist wunderschön hier. Die Vögel und Insekten leben hier ungestört und fröhlich vor sich hin. Kaum aufgescheucht von den Menschen, die nur sehr selten hier auftauchen, so wie der einheimische Fahrer eines Audi, der jetzt unser Retter wird, indem er uns erklärt, wo wir abbiegen müssen , um zum See zu kommen. Wir fahren zurück und freuen uns, dass uns unsere Verirrung eine neue Erfahrung mit der bosnischen Landschaft geschenkt hat.
Ein kleines Detail nur, aber mit großer Aussagekraft erblicken wir unterwegs in der Hügellandschaft: Reste von Geleisen, die noch aus der Habsburgerzeit stammen. Der Bahndamm ist noch weithin sichtbar, aber die Geleise und das Bahnwärterhaus sind verschwunden. Hier, nahezu am „Ende der Welt“ finden wir einfache Lebensspuren einer Zeit, die von den Ereignissen der beiden Weltkriege so überrollt wurde, das kaum etwas übrig blieb. Gewiss gibt es bei uns die großen Ringstraßenbauten und viele andere Zeugnisse der Habsburgerzeit. Doch hier mitten in der Einöde ein Stück Geleise der Schmalspurbahn, errichtet von Kaisers Gnaden, vorzufinden, hat doch seinen eigenen Reiz. Ein Stück natürlicher Geschichtsunterricht, der uns bewegt und lange nicht los lässt.
Unterwegs machen wir noch eine Entdeckung, aber der anderen Art:
Obwohl schon viel geschehen ist, wird es noch lange dauern, bis Schilder dieser Art nicht mehr gebraucht werden. In langen ausgedehnten Bögen führt die Straße ins Tal zum See. Immer wieder taucht er auf der Deranzko Jezero, umwachsen von einem dichten Schilfgürtel, der stellenweise in Form von Halbinseln in die Wasserfläche hineinragt. Ein faszinierender Anblick, der sich aber dem Festgehaltenwerden durch die Fotocamera völlig entzieht.
Unten angekommen, empfangen uns Glashäuser und reges Arbeitsleben rund um den See. Wir versuchen in den Ort zu gelangen, aber wir schaffen es nicht, weil es keine befahrbare Straße in den Ortskern gibt oder wir sie einfach nicht finden.
Offensichtlich ist heute der Tag der vergeblichen Wege.
Unterwegs habe wir ein bisschen mehr Glück, und zwar wird uns die Kirche das Orthodoxen Kloster bei Poticelji noch aufgesperrt. Ich zünde Kerzen an, wie es Brauch und versuche meine Trauer niederzukämpfen, weil auch diese ehrwürdigen Klostermauern neu errichtet sind und der alte, über Jahrhunderte bestehende Bau, ein Opfer der modernen Sprengwaffen geworden ist.
Wir wandern am Abend wieder über die Lucki Most, um den Anblick der Stari Most zu genießen und freuen uns daran. Wir schlendern durch Mostar mit all den Widersprüchen im Herzen, die uns dieser Tag beschert hat. Wir essen zu Abend in einem Restaurant im Zentrum und bekommen wirklich feine Speisen zum Ausklang eines spannungsreichen Tages.
Unterwegs nach Foca
Heute verlassen wir Mostar und wenden uns nach Südosten. Die Burg von Blagaij umfahren wir heute im Norden und freuen uns noch einmal an ihrer eindrucksvollen Silhouette.
Nevesinhja
ist ein kleiner Ort, mit regem Vormittagsleben. Männer, wie Frauen sind zum Einkaufen oder in Geschäften unterwegs. Und wir gewinnen den Eindruck, dass wir hier nicht wirklich was zu suchen haben. Da die aus dem 16. Jh. stammende Kaisermoschee den Errungenschaften der modernen Sprengtechnik nicht standgehalten hat, bleibt uns nur der alte Uhrtum aus dem 17.Jh. zu bewundern, der mitten in der Fußgängerzone zwischen den Kathedralen der Konsumreligion, wie dm, Hervis, Konsum und den verschiedenen Banken, fast verschwindet
Wir fahren weiter und gelangen auf eine Hochebene von überirdischer Schönheit. Bjelasnica heißt das Gebiet oder auch nicht – ich weiß nicht mehr, wie lange wir ab Nevesinhja gefahren sind, bis wir hier ausgestiegen sind. Wir halten an einem kleinem Hügel, der einen weiten Blick ins Land erlaubt, der von keinem menschlichen Bauwerk abgelenkt wird.Mich erinnert die Vegetation an Erlebnisse meiner Kindheit. Auf der Heide von Großmittel waren damals große Flächen mit Heidegras bedeckt, so wie hier, das sich unnachahmlich im Wind bewegt. Wir wandern herum, sitzen, schauen und versinken in den Zauber dieser Landschaft.
Weiter geht es dann schon erwartungsgemäß durch grüne Hügel und sanfte Landschaft, bis wir, ja bis wir in der Industriestadt Aviovac angelangt sind. Hier rauchen die Schlote und der Ort trägt ganz das Gepräge einer Industriesiedlung. Der Anblick ist schwer zu ertragen, weil diese verwahrloste Stadt, mit ihren offen Müllkippen, in der landschaftlich faszinierenden Umgebung einfach kränkend wirkt.
Wir biegen ab nach Norden, Richtung Nationalpark „Sutjeska“ und unser nächstes Ziel ist der See „Klinje“. Auch an diesem See wünschen sich Fuchs und Hase 'Gute Nacht', so einsam und verträumt liegt die stille Wasserfläche vor uns. Nur der Müll der früheren Besucher erinnert hier an die Gegenwart von Menschen....
Der Nationalpark besticht durch ganz normale waldbewachsene Hügellandschaft – nach bosnischen – serbischen Kriterien müsste man die österreichische Berglandschaft als ganzes in einen Nationalpark verwandeln. Aber es ist schon so, dass wir Menschen das, was wir im Überfluss haben, weniger schätzen als das Seltene. Mir schien die Heidelandschaft, die wir heute erlebt haben, viel eindrucksvoller, als der Nationalpark mir seinen baumgesäumten Straßen..
Dennoch war diese Waldlandschaft in jugoslawischer Zeit ein eminent wichtiges Erholungsgebiet, wie die riesigen, verlassenen Hotels oben am Pass beweisen, die in unmittelbarer Nachbarschaft vom Partisanendenkmal errichtet wurden. Wir wissen aus den Gepflogenheiten anderer kommunistischer Länder, dass in den Ferien Kinder und Jugendliche oder auch Leute aus bestimmten Berufszweigen in die staatseigenen Hotels gebracht wurden, zur Erholung und Freude. Dass die riesigen Komplexe heute dem Verfall preisgegeben sind, erscheint uns nicht mehr so überraschend. Zweifellos ist diese Waldlandschaft kaum eine Gegend, wo moderne Menschen ihren Urlaub verbringen wollen, wenn er nicht gratis ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie bei diese Objekten die Besitzverhältnisse gelagert sind und wo die Gelder zur Restaurierung und Modernisíerung der Riesenanalgen aufzutreiben wären.
Wir fahren weiter Richtung Foca und es ist schließlich Zeit zum Mittagessen, als wir bei einem Straßenrestaurant vorbeikommen und halten. Im Grunde ist es ein „Siebziger Bude“, wo wir da gelandet sind. Der Gastraum ist von einer Hässlichkeit, die ihresgleichen sucht: alle Wände sind bis oben hin mit dunkelbraunen Paneelen getäfelt und ebenso die Decke. Wenn der Raum rund wäre, könnte man meinen, man befände sich in einer Höhle, so aber...
Um den Anblick ein wenig abzuschwächen, wenden wir uns zu einem Tisch in der Ecke zur riesigen Glastür und nehmen dort Platz. Viel erwarten wir hier nicht, doch die Speisekarte verspricht eine Reihe von Fischgerichten, deren frische Basis der nahe fließende Bach geliefert hat. Und wir bekommen Fischgerichte, die in ihrer geschmacklichen Feinheit ihresgleichen suchen. Wir bestellen noch Palatschinken mit Nussfüllung und Schokolade und schwelgen in seltenen Genüssen..
FOCA
Voller Dankbarkeit im Magen und im Herzen verlassen wir das Restaurant und fahren direkt nach Foca in Ostbosnien, wo eigentlich „nichts“ zu sehen ist, allerdings auf dem Hintergrund einer bewegten Vergangenheit. Zum ersten Mal erwähnt wird Foca im 14. Jh. , als wirtschaftliches und Verwaltungszentrum der herzegowinischen Sandzaks. Unter den Osmanen entwickelte sich die Stadt. Viele Handwerksbetriebe, vor allem Messerschmiede und Teppichknüpfer genossen einen guten Ruf. Berühmt waren aber die Kaligrafen von Foca. Damals entstanden die schönsten Bauten, unter anderem die Aludza Moschee, die im letzten Krieg, wie sollte es anders sein, von bosnisch-serbischen Truppen zerstört worden ist. Auch der Uhrturm und 16 Moscheen der Umgebung erlitten dasselbe Schicksal.
Wir parken im Zentrum und erblicken in der Nähe das einzige Hotel „Zelengora“, das noch aus der Tito-Aera stammt und kaum modernisiert wurde. Wir bekommen ein Zimmer im vierten Stock, wo auch alle anderen Gäste untergebracht sind. Die Bettwäsche ist sauber und der Raum auch. Aber alles andere atmet den Geist der Vergangenheit. Die Heizungsrohre führen an der Decke entlang und die elektrische Versorgung des Raumes ist extren dürftig zu nennen. Es gibt nur zwei Steckdosen im Raum und auf den Zustand dieser mag ich gar nicht eingehen. Der kleine Balkon ragt über ein riesiges rotes Dach von irgendeiner Fabrik, bietet aber einen freien Ausblick auf die hübschen Hügel, rund um die Stadt. Das Geländer des Balkon fühlt sich noch sicher an, während die Bodenfliesen nicht mehr wirklich zusammenhalten.
Aber das macht uns alles nicht wirklich etwas aus. Wir sind schon wieder am Sprung, um die Stadt zu entdecken, bzw. das, was irgendwie übrig geblieben ist. Und es ist nicht viel von dem alten türkischen Viertel übrig – das Schönste an der Ansammlung von alten Hütten ist ihre Lage, an der weich hügelaufwärtsgeschwungenen Strasse.
Später landen wir in einem Cafe, wo es kein Bier, keinen Wein, nur alkohlfreie Getränke und Kaffee gibt. Ich bin zunächst erstaunt über diese Tatsache, weil hier fast nur junge Männer sitzen, die das Fussballtunier auf dem risengroßen TV-Schirm in der Mitte des Lokals halb aufmerksam verfolgen. Erst später fällt mir ein, dass es ein muslimisches Lokal gewesen sein könnte, weil diese nach dem Koran keinen Alkohol trinken dürfen. Und gerade dieses Lokal verströmte einen eigenartigen Zauber, der mir in Erinnerung bleiben wird.
Der riesige quadratische Raum liegt an einer Ecke und ist an den offenen Seiten überwiegend verglast, d.h. dass der Raum mit der Umgebung in eine lebendige Kommunikation gestellt ist, was so zu verstehen ist, dass die Lichter der vorbeifahrenden Autos oder die Gestalten der vorbeieilenden Fußgänger im Inneren des Raumes sichtbar werden. Vor den kompakten Glasverankerung befanden sich große Grünpflanzen, die dem Ganzen einen exotischen Charakter verliehen. Die eigentliche Atmosphäre wurde allerdings von den vielen jungen Leuten bestimmt, die eine ungewöhnliche Selbstsicherheit ausstrahlten. Alle standen in lebhaften Kontakt zueinander. Keiner von den Anwesenden war einfach nur 'draußen', soweit man das als Beobachterin feststellen konn.te Auf jeden Fall fühlte es sich so ganz anders an, als in Jugendlokalen bei uns. Das lebendige Miteinander, ohne Krampf und spürbarer Frustration machte das Hiersein zu einem außergewöhnlichen Erlebnis für mich. Ich weiß nicht, wie es den Mädchen hier geht, das traue ich mich nicht zu beurteilen - die junge Kellnerin ging zwar locker mit ihrer Situation um - auch gab es drei Frauen unter den jungen Leuten. Aber die jungen Männer wachsen hier mehrheitlich in einer Gemeinschaft auf, die sie trägt und selbstsicher macht.
Unterwegs nach Vishegrad und Vlasenica
Das Frühstück im hoteleigenem Restaurant war eine Klasse für sich. Schon der Raum, der Platz für mehr als dreihundert Gäste bot, war für uns zwei kein sehr gemütlichen Aufenthalt. Zudem war der Raum dunkelbraun getäfelt, und zwar zur Gänze und mit einem fleckigen Spannteppich ausgelegt. Eine sehr eindrucksvolle Gestalt hätte der Kellner in einem russischen Roman abgegeben. Ein großer Mann, vierkantig gebaut mit einem ebenso eckigen grau behaarten Schädel. In seinem Gesicht, das nur aus horizontale Linien gefertigt war – bildete die Nase fast eine vertikale Störung. Seine Bewegungen waren so müde und angestrengt, als trüge er ein unsichtbare große Last auf seinen Schultern und vielleicht war es auch so.
Er bot uns eine abgegriffene Speisekarte und wir durften wählen zwischen Butter, Marmelade, Omlett und Eierspeise , Kaffee und Tee. Ich aß eine Eierspeise, die von Fett glänzte und trank dazu einen Kaffee, der in kommunistischen Zeiten alle Ehre eingelegt hätte. Doch heute warten draußen Cafes, die ordentlichen Kaffee brauen können und daher muss ich nicht verzweifeln, sondern nur meine Eierspeise hinunterwürgen. Herbert isst Weißbrot mit Butter und Marmelade und hat zweifellos den besseren Teil erwählt.
Wir verlassen Foca, zunächst in Richtung Vishegrad.
Vishegrad
upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/06/Mehmed_Pasa_Sokolovic_Bridge_Visegrad_1900.JPG
Hier befindet sich die legendäre Brücke über die Drina, deren Konstruktion und Geschichte von Ivo Andric in seinem Roman „Die Brücke über die Drina“ ein literarisches Denkmal gesetzt wurde. Errichtet wurde sie im Auftrag von Mehmed Pasha Sokolovic - Vakuf, und zwar im 16.Jh. Fünf Jahre wurde an der Brücke gebaut, wodurch Vishegrad zu einem wichtigen Handelsknotenpunkt auf der Verbindungsstraße nach Konstantinopel geworden ist. Die Brücke selbst besticht durch ihre zehn vollendet gestaltete Bögen, die aus den Brückenpfeiler aufwachsen und den Straßenaufbau stützen und tragen. Darüberhinaus hatte der Architekt Kodza Mimar Sinan den genialen Einfall in der Mitte der Brücke eine Art Balkon einzubauen, das Sofa genannt wird, wo sich Jahrhunderte lang die Vishegrader Männer bei türkischem Kaffee trafen, um wichtige Sachen zu besprechen oder auch nur zu plaudern. Gegenüber dem Sofa, an der anderen Brückenseite, wurde eine steinerne Wand mit zwei Marmortafeln errichtet, worauf mit arabischen Schriftzeichen der Stifter der Brücke gepriesen und die Geschichte des Baus beschrieben wird. An dieser Wand wurden während der Habsburgerzeit auch alle Kundmachungen angeschlagen und unter anderem auch der Text des Ultimatums und die Kriegserklärung an Serbien. Schon unter den Habsburgern wurde die Brücke einmal restauriert und ausgebessert, vor allem die unter Wasser liegenden Steinkonstruktion, die durch Hochwasser und zeitbedingte Verwitterung gelitten hatte. Der mittlere Teil der Brücke wurde im 2. Weltkrieg gesprengt und in den 1950er Jahren rekonstruiert.
Im Bosnienkrieg wurde sie vermint aber nicht gesprengt. 2009 wurde eine türkische Firma beauftragt die Brücke abermals einer gründlichen Untersuchung und Restauration zu unterziehen.
Wenn man heute über die Brücke spaziert, die aus der Ferne betrachtet, so unglaublichen Eindruck macht, dann braucht man schon die Phantasie eines Dichters, um die Szenerie früherer Tage lebendig werden zu lassen. Heute ist die Brücke für den Verkehr gesperrt und während wir in der berühmten Kapija (= Tor) Platz nehmen und auf die Drina hinunter schauen, liegt die Brücke völlig verlassen da. Während der Zeit, die wir spielerisch und fotografierend auf der Brücke verbrachten, querten lediglich zwei Frauen die Brücke. Die Fotos sind weg, wie viele andere – aber der architektonische Eindruck bleibt und die Geschichten, die Ivo Andric so lebendig und anschaulich mit der Brücke verknüpft hat.
Verzaubert und in Gedanken und innere Bilder versunken, nehmen wir in einem brückennahen Cafe Platz. Da mir in meiner Sommerkleidung sehr kalt ist, kaufe ich in einem nahe gelegenen Geschäft ein lang ärmeliges T-Shirt. Es stammt aus Indien – einem der modernen Geschäftspartner von Europa- der Brücken über europäische Flüsse nicht mehr braucht.
Das Zentrum der Stadt, wo wir ein schnelles Mittagessen in einer der „Kebabbuden“ einnehmen, wirkt abgewohnt und vernachlässigt. Zeichen dafür, dass die Bewohner kaum die finanziellen Möglichkeiten haben, um sich dringende Renovierungsarbeiten leisten zu können. Wir verlassen die Stadt bald wieder, weil auch hier die beiden Moscheen zerstört wurden und der bosnisch - serbische Krieg tiefe Wunden aufgerissen hat. Dabei war auch der Brücke eine traurige Rolle zugedacht, indem man Tote und Verletzte über das Brückegeländer in die Drina geworfen hat.
Wie wohl Ivo Andric angesichts der jüngsten heutigen Ereignisse reagieren würde? Ich glaube, er würde heute nur mehr schweigen.
Kloster Dobrun
Einige Kilometer östlich von Vishegrad liegt das Kloster das orthodoxe Dobrun. Die Kirche des Klosters stammt aus dem 14. Jh. und ich erwarte mir daher noch einige intakte Wandfresken. Dazu kommt, das in den renovierten Räume des Klosters die Ikonensammlung der orthodoxen Kiche in Sarajewo untergebracht ist.
Also schnell dorthin.
Die Klosteranlage ist - wie gewohnt - in einem felsigen Talschluss eingebettet. Die renovierte Eingangspforte besticht durch eine orange-grelle Farbgebung, die offensichtlich aus Kostengründen gewählt wurde. Ich denke, dass eine große Menge von Kübeln dieser Farbe einfach im Sonderangebot zu haben waren, oder sogar als Geschenk. Einen anderen Grund für diese Farbwahl kann ich mir nicht denken. Als Trost bleibt lediglich, dass mit der Zeit und durch Sonne und Regen die grelle Farbstahlung etwas gemildert werden wird. Wir durch schreiten die Pforte und finden uns in einem rechteckigen Klosterhof wieder, wo alles neu und sauber glänzt. Nach einiger Zeit begrüßt uns ein junges Mädchen in klarem Englisch und sperrt uns die Türe zur Klosterkirche auf. Und es gibt wirklich Fresken aus dem 14. Jh. und zudem von hoher künstlerischer Qualität.
Ich versinke in ihrem Anblick und freue mich daran, dass die Klosterkirche unzerstört geblieben ist.
Wieder draußen frage ich die junge Frau nach dem Museum und ob es möglich wäre, hineinzukommen. Sie erklärt uns, dass der Schlüsselverwalter, einer der beiden Mönche jetzt außer Haus sei und es unmöglich wäre heute in die Museumsräume zu kommen.
Ich bin gekränkt und traurig, setze mich vor die Klosterpforte auf die Stufen eines alten Brunnenhauses und pflege meine Wut und Trauer. Herbert wandert inzwischen herum und spricht mit einer alten Frau, die im Auto mitgenommen werden will, allerdings in die entgegengesetzte Richtung, als wir später fahren werden.
Und während ich so vor mich hinbrüte und den Schutzheiligen des Klosters innerlich zur Rede stelle, sehe ich am gegenüberliegenden Flussufer einen Autobus herankommen, der vor einer schmalen Brücke halt macht und Jugendliche aussteigen lässt. Ein Klassenausflug, so denke ich, und die werden sicher in das Museum geführt, ob sie wollen oder nicht. Und ich sollte Recht behalten. Mit der lebendigen Schülergruppe kam auch der zweite schlüsselgewaltige Mönch zurück und sperrte Lehrern und Schülern die Räume des Museums auf. In den Museumsräumen gab es aber nicht nur Ikonen - von großer Kraft und Schönheit - sondern auch viele Gegenstände des nationalen Heldentums. Bilder und Landkarten und jede Menge Texte und Erklärungen in zyrillischer Sprache, die schon den Versuch mit den lateinischen Vokabeln im Hintergrund irgendwelche geschichtlichen Zusammenhänge zu erfassen, im Keim erstickte.
Dennoch gefiel es uns hier zwischen den kostbaren Gegenständen, den Ikonen serbisch orthodoxer Prägung, die letztendlich durch eine weichere Linienführung – und manchmal durch besondere Details – die Strenge der orthodoxen Ikonographie auflockern und künstlerisch überhöhen. Wir verabschieden uns von dem jungen freundlichen Mönche, der geduldig gewartet hat, bis ich mich von den Kostbarkeiten losreißen konnte.Von Dobrun geht es weiter nach Rogatica, und zwar über eine eng gewundene Bergstrasße, die manchmal hinauf und dann wieder hinunter führt. Die Umgebung ist manchmal mit hellgrünen Laubhölzern bewachsen, dann erstrecken sich wieder Wiesen der Straße entlang, die mit dünnen Grasflächen bewachsen sind. Alles in allem wirkt das Gebiet nicht besonders fruchtbar, was auch die dünne Besiedelung erklärt. Doch es ist schön hier und wohltuend so dahinzufahren, ohne Verkehr und Störung, als wären wir allein auf der Welt. Ab Rogatica wird die Straße zwar als Bundesstraße bewertet – doch ändert sich ihr Zustand und ihre Führung nicht wesentlich. Wieder fahren wir durch Wälder, die durch spärliche Wiesenflächen unterbrochen sind, diesmal aber immer bergauf. Unterwegs steigen wir einmal aus und versuchen die Gegend zu Fuß zu erfühlen. Wieder umfasst uns weite Einsamkeit, wo nur die Spuren der Holzwirtschaft irgendwie an Menschen erinnert. Wir wandern herum und genießen den Blick in die Hügellandschaft, die an vielen Stellen nur mit einem moosartigen Teppich bedeckt ist, worin Büschel von hartem Riedgras aufwachsen.
Obwohl die Landschaft ihr charmantes Gepräge behält und sich nach wie vor Hügel und sanfte, freundliche Täler abwechseln, reißt uns der Anblick der Dörfer am Weg nach Vlasenica bald aus unserer verträumten Stimmung. Wieder häufen sich die Ruinen der verlassenen und verbrannten Häuser. Wieder wird schmerzlich ins Bewusstsein gezerrt, was hier vor nur wenigen Jahren geschehen ist. Und wieder stehen wir fassungslos vor dem Phänomen eines Bürgerkrieges, der für uns Europäer unverständlich war, ist und bleibt. Der kleine Ort Han Pijesak, der sich von den übrigen seiner Art in nichts unterscheidet, war Mittelpunkt von schweren Kämpfen im bosnisch- serbischen Krieg. Auch hier verbrannte Häuser – und was besonders schmerzt, verbrannte Rohbauten, die unbewohnt einfach von innen her zerstört wurden, ob von den eigenen Leuten oder den Gegnern bleibt ungewiss – ist auch nicht wichtig angesichts der traurigen Monumente des Krieges.
Hotel M von Vlasenica: ein Exkurs
Wir fahren die Höhenstrasse von den Bergen herunter nach Vlasenica, wo wir heute zu bleiben gedenken. Schon in einer oberen Kurve vor dem Ort direkt, fällt mir die Anzeige eines Hotels ins Auge, die mir vielversprechend scheint. Und tatsächlich ist es ein sehr raffiniert gestaltetes Hotel, wo alte Räume mit neuen Zimmeraufbauten in Harmonie gebracht wurden. Auch die Zimmer sind farblich einheitlich gestaltet und man vermisst keinen Luxus, den man von drei Sterne Hotels von zu Hause gewohnt ist. Wir ruhen uns aus und verzichten auf die ohnehin fehlenden Sehenswürdigkeiten von Vlasenica. Aus dem Prospekt des Hotels lässt sch allerdings schließen, dass sich hier in der Nähe ein Skigebiet erstreckt. Nach österreichischen Erfahrungen sind es höchstens weite Hänge für Anfänger, die hier befahren werden können – doch viellicht sehen es die Menschen von hier ein bisschen anders. Am Abend im Restaurant gibt es leichte und wohlschmeckende Speisen. Wir sind die einzigen Hotelgäste und das wird sich auch später nicht ändern. Erst am Morgen bekommt unser Rezeptionist, Ober und Animator, Besuch von einer jungen einheimischen Dame, die sich filmreif auf einen der Barhocker häuslich einrichtet. Und noch ein wenig später schließen sich einige Honoratioren in das Extrazimmer des Restaurants ein – ob sie wesentliche Geheimnisse zu besprechen hatten? Ein bisschen erinnerte es mich an die Atmosphäre der Besprechungen in Mesa Selimovics Buch „Der Derwisch und der Tod“. Doch meine Phantasie greift wieder einmal zu weit aus…
Auf dem Weg nach Srebnica.
Wir verlassen unser Seminarhotel in Vlasenica, wo wir aus Ermangelung von weiteren Teilnehmern unsere Disputationen zu zweit führen mussten und suchen nach dem Hotel “Panorama“, das im Führer zwar angekündigt, uns aber gestern verborgen geblieben war. Wir erwarten ein Vorkriegsmodell „Marke Tito“ und es ist auch ein solches: Plattenbau mit Terrasse, Metallfenstern und Balkonen aus rotem Eisenbeton und insgesamt „unglaublich anziehend“. Und wir müssen dort nicht mehr übernachten! Eine wunderbare Perspektive!
Am Weg nach Nordosten entdecken wir unterwegs zwei Schilder, eines weist auf ein Kloster in 21 km Entfernung, das andere auf ein Kloster in 26 km Entfernung. Also nichts wie hin! Herbert fährt, teilweise über aufgeschürfte Strassen, die im Winter gewiss nicht rutschig sind. Aber das hier ist eine Ausnahme. Insgesamt sind die Strassen in ganz Bosnien ordnungsgemäß befahrbar und keineswegs Schlaglochfallen.
Kloster Lovnica
Unser Vertrauen wird auch diesmal nicht enttäuscht, als wir bei Sekovicí abbiegen und dem braunen Pfeiler nach dem Kloster Logavina folgen. Selbst eine Einweisung zum Parkplatz gibt es hier und vorher jede Menge schönes wildes und rauschendes Wasser. Zum Kloster selbst führt eine kurze schmale Asphaltstrasse, die sich auch von älteren Herrschaften, wie z. B. von mir, mühelos bezwingen lassen.
Oben ist alles, wie üblich „zurgsperrt“! Ich fotografiere die Kirche von außen und höre dabei das Lachen der Arbeiter, die auf einem Balkon über uns ihre Jausenzeit halten. Zwischen Hoffen und Bangen, dass vielleicht ein Mönch oder eine Nonne auftauchen würde, die mir das Kirchlein aufschließt, klingle ich an eine der verschlossenen Türen – doch ohne Erfolg.
Die Arbeiter, die inzwischen aus ihrer Loggia herabgekommen waren – noch rechtzeitig, bevor der Beton in der Scheibtruhe komplett trocken war- schienen mir auch nicht sehr zugänglich für entsprechende Fragen. Doch einer, ein sanfter jüngerer Mann mit verwirrten Locken, und nicht ganz so stark, wie die übrigen, erbarmte sich meiner und zeigte auf das zweite Haus, seitlich der Kirche, wo ich läuten sollte.
Ich tat es und es zeigte sich das freundliche Gesicht einer Nonne. Sie verstand unser Begehren, kam herunter, in der Hand gut sichtbar einen Schlüssel. Wir freuten uns und folgten ihr zu der vielversprechenden Klosterkirche. Und ich wurde nicht enttäuscht. Der kleine Zentralbau war zur Gänze mit Fresken geschmückt, die genau dem Kanon folgten, den ich in der Kappadokienreise beschrieben habe. In der Zentralkuppel ganz oben Christus, als Weltenherrscher, an den Wänden Szenen aus dem Neuen und Alten Testament. In der untersten Reihe standen die großen Heiligen, gleichsam als lebendige Zeugen der himmlischen Wirklichkeit auf Erden. In der Apsis, hinter der Ikonostasis (Bilderwand) thronte die Muttergottes mit dem Jesuskind auf den Armen, flankiert von Engeln und Heiligen. Gemalt waren die Fresken mit einem „weichen“ Pinsel, das heißt dass die Inhalte der einzelnen Szenen den klassischen Vorbildern entsprachen, dass aber die Art und Weise wie die Gestalten gezeichnet und zueinander in Beziehung gesetzt wurde, mit einer freien und warmen künstlerischen Hand geschah.
Ich durfte fotografieren aus Herzenslust, obwohl ich alle Bilder danach verloren habe.
Doch erinnere ich mich noch jetzt des freudigen Gefühls, als ich unter den freundlichen Augen der Klosterschwester – und nicht heimlich und verbotenerweise - meine Lieblingsszenen mit der Kamera festhalten durfte. Glücklich steckten wir reihenweise Kerzen in den vorgesehenen Leuchter – spendete für die Klosterkasse und verabschiedeten uns von dem glücklichen Ort. Nein, nicht sofort, sondern erst später, nachdem wir hinter der Klosterkirche zum Fluss hinab gestiegen waren. Herbert war schon vorher da, doch ich begegnete hier zum ersten Mal der einzigartigen Schönheit eines Wasserfalles, der hier über eine mehrere Meter hohe Felsstufe in die Tiefe stürzte. Obwohl wir uns hier in unmittelbarer Nähe eines alten Klostergebäudes befanden, hat hier keine Hand ordnend eingegriffen. Der überaus wasserreiche Fluss stürzt hier seit Jahrhunderten über diese Felskante ohne Regulierung oder einer anderen Nutzung als die seiner überwältigenden Schönheit.
Langsam und in Gedanken versunken verlassen wir die Klosteranlage. Jetzt ist es wieder lebendig auf der Baustelle, wo die Mischmaschine arbeitet. Unten am Hang des Areals treffen wir ihn wieder, unseren sanften und lockigen Freund, dem wir den Besuch der wunderschönen Klosterkirche verdanken und wir verabschieden uns. Dass dieses Kloster von den letzten Kriegswirren verschont wurde, rechne ich unter die Wunder, die fast immer die Wahnsinnstaten der Menschheit begleiten, gleichsam als lebendige Zeichen für eine übergeordnete Führung, die auch dann wirksam bleibt, wenn die Verdunkelung des menschlichen Geistes überhand nimmt.
Anzumerken wäre noch, dass das Kloster von Lovnica in keinem unserer Reiseführer erwähnt wurde, was doppelt unverständlich ist, da es sich um ein kunsthistorisch hoch wichtiges Denkmal handelt.
Wir fahren wieder zurück durch die enge Klamm, wo rechts die wasserreiche Drinjaca (oder einer ihrer Zuflüsse) uns begleitet. Wieder auf der Hauptstraße fahren wir in Richtung Zvornik und zum Kloster Papraca, das direkt am Weg liegt. Dort angekommen erwartet uns eine große, fast einrichtungslose Kirche, die genauso gut als Mehrzweckhalle dienen könnte. Wahrscheinlich diente sie in Titos Zeiten auch den verschiedensten Leuten und Einrichtungen. Wir freuen uns daher mehr an dem hübschen Garten, den die Kirche umgibt und fahren in Richtung Srebenica weiter. Wieder geht es durch abwechslungsreiche Hügellandschaft bis wir Zvornik erreichen, eine Industriestadt reinster Prägung. Hier finden sich sowohl die Plattenbauten für die Arbeiter, auf engstem Raum aneinandergereiht, wie die dazugehörigen Fabriksanlagen, die zum Teil noch im Betrieb sind und zum andern Teil einfach vor sich hinrotten. Den schlimmsten Anblick der Reise erleben wir aber erst nach wenigen Kilometern außerhalb von Zvornik, wo der Staudamm für die Drina errichtet ist, um ein Flußkraftwerk zu betreiben. Mehr als 20 Meter war der Gürtel von Unrat breit, der sich am Ende des Staubeckens sammelte und von Plastikflaschen ausgehend, alle schwimmbaren Materialien enthält, die von der modernen Verpackungsindustrie hergestellt werden. Es war ein zutiefst trauriger Anblick und wir wollten nur schnell weg von da. Die Frage nach dem „Warum das so sein musss?“ stellen wir schon lange nicht mehr.
Bratunac
Es ist Mittagszeit und daher suchen wir auf dem Hauptplatz in Bratunac nach einem Gasthaus. Und wir finden tatsächlich eine kleine Gaststätte, wo wir ein köstliches Nockerlgulasch serviert bekommen. Die Portionen, die wir am Nachbartisch zu sehen bekommen, reichten für eine mehrköpfige Tischgesellschaft. Doch scheinen die Gäste das Essen in dieser reichlichen Form gewohnt.
Da wir in dem Ort sind, wo Alexander, unser Deutschlehrer vom Kloster Dobrun unterrichtet, rufen wir ihn an und treffen ihn eine Stunde später in der Fußgängerzone von Bratunac. Wir trinken Kaffee und plaudern über seine Diplomarbeit zum Thema: „Mythische Gestalten in der Dichtung Max Frischs“. Herbert, Doktor der Theaterwissenschaft und selber Literat, kennt sich gut aus und wir diskutieren und plaudern lange Zeit über deutsche Literatur. Auch kommen ganz allgemeine Themen zur Sprache und wir verbringen den Spätnachmittag bei angeregtem „Geisteln“, wie wir das in Wien fast regelmäßig tun. Das Besondere hier, dass wir mitten in Ostbosnien einen jungen Mann getroffen haben, der nahezu fehlerfrei unsere Muttersprache spricht und nicht nur über die Werke Goethes, sondern auch über die modernen deutschsprachigen Autoren nachgedacht hat und darüber etwas zu sagen weiß. Wir versinken in der unerwarteten Freude des intelligenten „Zerfetzens“ und Bewunderns unserer modernen Literatur und merken erst viel später, dass uns die Zeit davon läuft, um die Erinnerungshalle von Srebenica noch rechtzeitig zu erreichen.
Und weil wir Alexander bewundern und als geistigen Menschen erlebt haben, stellt Herbert die Frage, „Wie war das damals für euch?“ Und Alexander antwortet, wie unsere Eltern nach dem Krieg geantwortet haben. Er beschreibt die Situation, wie er sie als 17jähriger erlebt hat, dass sie in den Bergen geschossen haben und dass eines Tages die moslemischen Frauen und Kinder mit Bussen wegtransportiert worden sind. Dasselbe geschah an anderen Tagen mit den Männern – mehr war da nicht…
Ich kenne diese Art von Beschreibungen schon recht gut. Im Grunde erzählen Zeitzeugen immer von ihrer persönlichen Situation – was auch legitim ist. Die Ereignisse, die den persönlichen Horizont sprengen könnten, werden in den meisten Fällen „mumifiziert“.
Und Untersuchungen beweisen, dass es eine oder zwei Generationen dauert, bis die „Schockreaktion“ nachlässt und an eine geistige Bewältigung der konkreten und grausamen Aktionen im weitesten Sinn gedacht werden kann.
Im ersten Augenblick sind Herbert und ich verstört, als uns der intelligente, geistig wache und reflektierende Alexander seine Wahrnehmung des Genozid von Srebenica mitteilt. Er meint es wäre schlichte Übertreibung, hier von einem Genozid zu sprechen, weil damals Krieg war und im Krieg Grausamkeit und Töten dazugehören. Es wäre furchtbar, dass so etwas geschieht, aber es sei ungerecht, allein die damalige serbische Führung international zu ächten. Er selbst hätte durch diese Vorgehensweise das Vertrauen in die internationale Rechtssprechung verloren, weil die Kontrahenten genauso zur Verantwortung zu ziehen wären, wie die serbischen Führungsleute. Wir hören ihm zu und versuchen ihn zu verstehen. Unsere Bewertung der Situation geht allerdings von anderen Koordinaten aus, die dem serbisch - stämmigen Lehrer nicht vermittelt werden kann, zumindest im Augenblick nicht.
Gemeinsam brechen wir auf nach Srebenica. Diese Stadt wurde schon zur Römerzeit gegründet und teilte das Schicksal der Region, wie alle anderen Städte auch. Byzantinischer Einfluss wird abgelöst von Feudalregierungen bosnischer Adeliger, die schließlich von den Osmanen besiegt und abgelöst werden. Letztlich sind es die Habsburger, die den bosnischen Raum ihren Stempel aufdrücken. Auch in Srebenica finden sich Bauwerke, die alle geschichtlichen Epochen hinterlassen haben und ein besonderes Bauwerk, die stillgelegte Fabrik, die zu einem Dokumentationszentrum für das Massaker an mehr als 8000 moslemischen Männern errichtet wurde.
Mit dem einfühlsamen Film von Conny Kipfer und Renate Metzge-Breitenfellner mit dem Titel "Srebenica 360°"haben Herbert und ich schon vor unserer Reise begonnen uns vorzubereiten .
Bald erstreckt sich rechts von der Straße, noch vor der Ortschaft, der ausgedehnte Friedhof der moslemischen Toten. Über 8000 Menschen, vor allem Männer wurde hier eine Gedenkstätte errichtet, die eine große Würde ausstrahlt. An jeden der hier begrabenen Verstorbenen erinnert ein Stecci aus weißem Stein, worauf die Lebensdaten eingemeißelt sind. Die Namen aller Gefallenen und Ermordeten, egal, ob sie hier begraben sind oder nicht, sind auf Steinplatten gemeißelt, die aneindergereiht und schräg angeordnet, einen riesigen Kreis um die Moschee in der Mitte des Friedhofes bilden. Einige Minuten braucht man, um den Kreis abzuschreiten, wo alphabetisch die Namen der Toten in Stein gegraben sind.
Es tut uns leid, dass wir zu spät gekommen sind, um das Dokumenationszentrum von innen zu sehen, aber wir können ungehindert das Betriebsareal durchwandern und unseren Gedanken nachhängen.
Noch am selben Abend werde wir wieder nach Sarajewo zurückkehren – in diese faszinierende, pulsierende und landschaftlich wunderbar gelegene Stadt.