Irene Kohlbergers SALVETE

Allgäu II.

Allgäu II

Am Montag Morgen brechen wir auf, um Memmingen und Kaufbeuren zu besuchen. In Memmingen besuchen wir St. Martin, eine Kirche mit schöner Innenraumgestaltung. Besonders eindrucksvoll, die moderne raumfüllende Orgel, die Clemens besonders gut gefällt. Ich gehe auf die Suche nach alten Kunstschätzen und werde sehr bald belohnt. An den Pfeilern wurden erst kürzlich einige gotische Fresken freigelegt, die in ihrer rührenden Zeichnung mein Herz erwärmen - und zum Teil von hoher künstlerischer Qualität - wie in der Kapelle des Hl. Eberhard. Kann mich kaum satt schauen, an den vollendeten Figuren, die hier auf kleinsten Wandflächen, in den Eckkonchen oder Gewölbezwickel dargestellt sind.

         

 Später betreten wir den Altarraum, um das berühmte Chorgestühl zu betrachten, das so ein wirklich „feines“ Touristen – highlight darstellt.

  

Die Sitze dienten schon immer dem protestantischen Gottesdienst, d.h. dass die geschnitzten Figuren im Bereich der Betpulte, direkt aus dem Leben gegriffen wurden. Es gibt hier eine Auswahl von Handwerkern, die an den Wangen der Pulte abgebildet sind und vor allem hohe Gestalten des öffentlichen Lebens, z.B. der Bürgermeister, der um seine verstorbene Gattin mit geneigtem Kopf trauert, der Antonierpräzeptor Sebastian de Bonis mit Bettelglocke und viele andere. Nicht zu vergessen den Mesner, der mit seinem Zeichen - dem Klingelbeutel - am Ende des rechten Chorgestühles, seines Amtes waltet. Demgegenüber nehmen sich die Propheten und Sybillen, die im oberen Drittel der Lehnen abgebildet sind, relativ bescheiden aus – dasselbe gilt auch für die Apostel, deren Zahl nicht einmal ausreicht, um die linke Seite der Sitze vollständig zu schmücken. Da wendet sich der Gast mit Trauer und freut sich zuletzt an dem alten steinernen Altar, der von einem schmiedeeisernen Gitter umfasst, einen herrlichen Volksaltar abgeben würde….

  

Memmingen wurde von Kriegszerstörungen weitgehend verschont und so gibt es eine Reihe von schönen Häusern zu bewundern, u. a. ein etwas „überrestauriertes“ Markthaus, dessen neubarocker Gemäldeschmuck aus den Jahren 1905/06 etwas gewöhnungsbedürftig ist. Dasselbe gilt für das Rathaus, das durch übertriebene Größe und Schmückung, trotzdem es aus der Rokokozeit stammt, nicht unbedingt das Auge erfreut.

           

Fest steht, dass in Memmingen bereits im 14. Jh. Zunftmeister neben den Patriziern im Gemeinderat vertreten waren und das Geschick der Stadt wesentlich mitbestimmten.

Markthaus
Stadtturm

Die Struktur der Stadt, die durch einen sehr sauberen Stadtbach mitgestaltet wird, öffnet immer wieder neue reizvolle Ansichten, die durch Plätze oder schmale Gassen gebildet werden. Gestalt und Fassaden der Häusern verraten, dass hier einmal Leben und Bewegung geherrscht hat, z. B. wenn das Getreide von den umliegenden Gehöften in die Stadt gebracht wurde oder dass im Sieben Dächerhaus, tatsächlich Felle zum Trocknen aufgehängt wurden. 

Sieben Dächerhaus  

Ergänzt wird der mittelalterlich angelegte Stadtkern durch vier erhaltene Stadttore, die unterschiedlich gestaltet, den architektonischen Reiz der Stadt erhöhen. Leider hat das Museum geschlossen, auch glänzt der Mesner der Frauenkirche durch Abwesenheit. Eine Tatsache, womit ich aber zu leben gelernt habe. Memmingen wird vom Reiseführer als Stadt der Fresken apostrophiert. Viel haben wir davon nicht gesehen,... 

Kaufbeuren

Ich habe den Führer im Àuto vergessen und wir brechen ohne Informationen auf. Doch das schadet nicht, weil an jeder Ecke eine Informationstafel angebracht ist, um den Fremden die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu präsentieren.

Zuerst betreten wir St. Martin, einen gotischen Kirchenraum mit einer sehr wechselvollen Geschichte. Zuerst war es ein gotischer Bau nach den Regeln der alten Ordnung, und zwar aufgebaut auf den Fundamenten eines romanischen Gotteshauses. Das Innere war geschmückt mit einem Altar, dessen Statuen von J. Lederer geschnitzt wurden. Nach dem Befehl des Reformators Zwingli wurde danach alles papistische Schnitzwerke schnell verbannt oder zerstört.

Als 1555 das Gotteshaus an die Altgläubigen zurückgegeben wurde, war der wertvolle Teil der Einrichtung verloren. Allerdings stritt man sich bald wieder von protestantischer Seite um das Gotteshaus. Das ging so hin und her (nur 10 Prozent der Einwohner waren katholisch), bis die protestantische Kirche – die Stadtpfarrkirche zur Hl. Dreifaltigkeit- errichtet werden konnte und St. Martin im alleinigen Besitz der katholischen Gemeinde blieb. Und vor Freude über die wiedererlangten Rechte, wurde der Raum in barockes Gewand gekleidet. Zwischendecken aus Stuck wurden eingezogen – ein hohes Altarrentable errichtet und durch sechs Seitenaltäre ergänzt. Eine barocke Kanzel installiert. Doch auch dieser Schmuck des Innenraumes sollte verschwinden zugunsten eines neugotischen Schnitzwerkaltares, der strahlungslos und kalt heute den Chorraum abschließt. Die gerettete Marienstatue des alten Flügelaltares befindet sich im Museum. Die großartigen Heiligengestalten von Lederer geschaffen, flankieren auf Konsolen links und rechts den Altarraum. Sehr hoch angebracht, kann man sie nicht stehlen, aber auch nicht bewundern. Nach dem Kirchenrundgang, der uns an den etwas lieblos aufgehängten Altarblättern aus der Barockzeit vorbeiführt, finden wir am Ende des südlichen Seitenschiffes den Taufstein aus der romanischen Kirche: Wunderbar gezeichnet in seiner Form und  Ornamentik. Clemens vermeint, dass es das Werk eines ganz modernen Künstlers sein könnte! So eng sind manchmal die Formvorstellungen von damals und heute…  

Im Franziskanerkloster besuchen wir die Hl. Crescentia von Kaufbeuren im Glassarg. Ihre Gebeine wurden mit Wachs um hüllt und ich kann gar nicht glauben, dass sie so klein gewesen sein kann. Auch wurde ihr ein lieblicher Gesichtsausdruck verliehen, der mit den Bildern, die ich kenne, nicht übereinstimmt. Doch war es tatsächlich ihr Skelett von Wachs überformt. Im Schriftenstand fand ich einige wichtige Hinweise zu ihrem Leben und Texte zum Wesen des Hl. Geistes, der in ihrem Leben eine besondere Rolle gespielt hat.

Noch fünf erhaltene Stadttürme deuten auf die Bedeutung von Kaufbeuren im späten Mittelalter hin. Bereits Mitte des 13.Jh. war die Stadt mit ihrem Ortskern, der als Burc bezeichnet wurde, ummauert. Mit der Burg war ein Markt verbunden und um 1300 wurden beide mit einer größeren Ringmauer umgeben.

Das Wahrzeichen von Kaufbeuren ist der Fünfknopfturm im Westzug der Stadtmauer, ein hoher vierseitiger Turm sechs Stockwerken, überdacht von einem Zeltdach und polygonalen Scharwachtürmen. Von ihm aus führt die Stadtmauer direkt zum Blasiusturm und zur Blasiuskapelle. Als architektonische Besonderheit führt ein Wehrgang durch die Kirche hindurch in den Rundturm. Die Wehrleute der Bürgerschaft – meist Weber und Waffenschmiede – hatten so Gelegenheit, in der Kapelle ihr Gebet zu verrichten, ohne den Wehrgang zu verlassen.

    

Die Blasiuskapelle ist ein ungewöhnlicher Bau mit einem Hauptschiff, das mehr breit als lang ist. Der Blick wird sofort zum hellen Chor geleitet, den ein wunderschönes Sterngewölbe schmückt und von dort zum gotischen Hochaltar, der in dieser reich ausgestatteten Kirche den geistigen Mittelpunkt bildet.

  Im Gesprenge : Gottesmutter flankiert von Engeln          und dem Hl. Sebastian und dem Hl. Rochus
   Johannes der Täufer (außen) Hl. Ullrich,Hl. Blasius(Mitte),                          Hl. Erasmus und Anna Selbtritt(außen)    
Anna Selbtritt mit dem Jesusknaben und kleiner Maria  

Den Altaraufbau hat Jörg Lederer geschaffen, der 1507 aus Füssen zuwanderte und in Kaufbeuren eine Werkstatt gründete. Allerdings sind in den Altar ältere Werke eingearbeitet, dessen Schnitzer – wie oft in der Gotik, wo Künstler nur zur Ehre Gottes arbeiteten - unbekannt geblieben ist. Besonders hohen Rang besitzen die vier gemalten Szenen  aus der Kindheit Christi auf der Innenseite der Flügel.

Die berührenden Gestalten des Johannes des Täufers und des Hl. Sebastian werden auch Jörg Lederer zugeschrieben.

Johannes der Täufer                                          Sebastian (rechts)

Die Wände des Langhauses sind mit fünf Tafelgruppen von Heiligenlegenden behängt, worunter die zwanzig Bilder zur Legende des Hl. Blasius hervorragt.

Die ursprünglich in griechischer Sprache aufgezeichnete  Heiligenvita Vita Blasii beschreibt sein Leben und  Martyrium. Bevor Blasius Bischof wurde, soll er Arzt in Sebaste gewesen sein. Seine unermüdliche Hilfsbereitschaft und Toleranz allen Menschen gegenüber, ob arm, ob reich, ob Christ oder Heide, sollen ihm zur Wahl zum Bischof verholfen haben. Zahlreiche Legenden haben seine Heilkraft zum Thema. Die bekannteste Erzählung berichtet, dass er während seiner Gefangenschaft in einem römischen Gefängnis einem jungen Mann, der an einer Fischgräte zu ersticken drohte, das Leben rettete. Deshalb wird er gegen Halsleiden angerufen (BLasius-Segen seit dem 16. Jahrhundert).

Bevor er zum Bischof ernannt wurde, floh Blasius während einer Christenverfolgung des Kaisers Licinius in eine Höhle des argeischen Gebirges, wo er mit den Tieren des Waldes lebte, sich um sie kümmerte, wenn sie verletzt waren, und sie aus Fallen befreite. Bei einer Jagd wurde er entdeckt und gefangen genommen. Der Statthalter Agricola versuchte, ihn mit Versprechungen zum Abfall vom Glauben zu bringen. Als Blasius ablehnte, ließ man ihn mit Stöcken schlagen, mit Striegeln oder einem eisernen Wollkamm quälen. Nach der Folter fragte ihn der Statthalter „Willst du nun unsere Götter anbeten?“ Blasius antwortete: „Ich fürchte dich nicht, tu was du willst, aber ich werde meinem Herrn und Gott treu bleiben.“ Da ließ ihn der Statthalter in einen Teich werfen. Blasius schlug das Kreuz über dem Wasser, das fest wie gutes Erdreich wurde und er stand und rief seinen Peinigern zu: „Wenn eure Götter wahre Götter sind, so will ich ihre Macht sehen. Gehet her zu mir auf dem Wasser“. Das versuchten 65 Mann, aber sie ertranken. Vor der Hinrichtung betete Blasius, dass alle, die ein Übel an der Kehle oder sonst ein Siechtum hätten, Erhörung fänden, wenn sie in seinem Namen um Gesundung bäten. Eine Stimme vom Himmel gewährte ihm die Bitte. Mit zwei Gefährten wurde er enthauptet.

Legende des Hl. Blasius

 Das Leben des Antonius ist uns in der Vita Antonii (ca. 360) von Athanasius (um 300–373), dem Bischof von Alexandria überliefert.

 Antonius wurde in Kome in Mittelägypten als Sohn wohlhabender christlicher Bauern geboren. Wenn das von Athanasius angegebene Alter von 105 Jahren stimmt, war das im Jahr 251. Als er etwa zwanzig Jahre alt war, starben seine Eltern. In der Kirche hörte er das Bibelwort: „Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen; so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!“ (Mt19,21). Nachdem er seinen Besitz verschenkt und seine jüngere Schwester in die Obhut einer Gemeinschaft geweihter Jungfrauen  gegeben hatte, zog er sich in die Einsamkeit zurück, zuerst in eine Hütte in der Nähe seines Dorfes, anschließend in eine alte ägyptische Grabkammer, und später in ein verlassenes  Kastell am Rand der Wüste, bis er zum Schluss seine Einsiedelei in der Wüste am Berg Kolzim in Sichtweite des Golfs von Suez einrichtete, wo er schließlich nach einem langen asketischen Leben starb.

 Antonius scharte Schüler um sich, die sich als Einsiedler in seiner Nähe ansiedelten. Während seiner langen Wüstenaufenthalte wurde Antonius immer wieder von quälenden Visionen heimgesucht. Der Teufel soll ihm in verschiedener Gestalt erschienen sein, um ihn von seinem asketischen und gottgeweihten Leben abzubringen.Im Alter von 90 Jahren unternimmt Antonius eine anstrengende Wanderung zu dem Einsiedler Paulus, der normalerweise von einem Raben mit Brot versorgt wird. Als die beiden Männer in ihre heiligen Gespräche vertieft sich aneinander erfreuen, bringt der Rabe die doppelte Ration an Brot.

Legende des Hl. Antonius

Antonius im Kampf mit den Dämonen

Paulus und Antonius werden durch den Raben gespeist

Ulrich übernahm das  Bistum Augsburg im Jahre 923 durch Ernennung durch den ostfränkischen KönigHeinrich I. Das Bistum litt damals unter den häufigen Einfällen de Ungarn ins Reich. Wegen dieser permanenten Gefahr initiierte Ulrich den Bau eines schützenden Mauerrings anstelle vorhandener Palisaden um die Stadt. Seinen auch staatlichen Verpflichtungen als Bischof dem jeweiligen Herrscher gegenüber kam Ulrich vorbildlich nach. Er gehörte zu deren Beratern und war auch Missionar.

        Legende des Hl. Ullrich  

Bei den jüngsten Restaurierungen wurden gotische Freskenreste aufgedeckt: Verkündigung als Vorzeichnung und den Johannes aus einer Kreuzigungsgruppe. Erst im 16.Jh. entstanden die Fresken an der Nordwand: eine Auferstehung und zwei Bildmedaillons.

 

Neuschwanstein

Es ist jetzt endlich soweit – Neuschwanstein – das von Fremden aus aller Welt besucht wird, rückt in greifbare Nähe. Noch sind es nicht die Massen, die sich um Eintrittskarten anstellen. Auch finden wir finden einen Parkplatz am Fuß des Hügels, der die Ehre hat, die Basis von Neuschwanstein zu bilden.

Am Weg zur Burg begegnen uns Kutschen, die von schweren Kaltblütlern gezogen werden. Sie gehen langsam und stetig, wirken sehr geduldig, obwohl sie ständig auf Asphalt unterwegs sind und erinnern mich an die Pferde vom Peter Onkel, Bauernpferde, die geduldig Jahr für Jahr in seinem Dienst arbeiteten.

Oben angekommen haben wir noch ein wenig Zeit und wandern nach Süden, Richtung Marienbrücke, einer Stahlkonstruktion, die schon von Ludwig II. errichtet wurde. Der Blick von der Brücke erfasst die Gesamtanlage der Burg und gleichzeitig den kulissenartigen Aufbau der Hügel, die von dem kleinen Bach durchschnitten werden, der sich in Kaskaden quirlig und lebendig seinen Weg ins Tal bahnt. Im Hof der Burg wartend, umgeben uns Menschen aus vielen Nationen.

Elektronische Wächter, die sich jetzt überall breitmachen, geben uns nach einigem Zögern den Weg frei zu unserer Gruppenschleuse. Im Eingangsbereich erwartet uns unsere Führerin, die voll Mitleid erklärt, dass wir jetzt einige Stiegen vor uns haben, die uns zu den wenigen fertig gestellten Bereichen der Burg leiten werden. Doch ist die Treppe durchaus zu schaffen, wie wir bald feststellen werden. Sie ist offensichtlich ein gebranntes Kind, weil sie wahrscheinlich schon x-mal zu Hören bekommen hat, wie mühsam und steil die Treppen seien. Ähnliches habe ich schon bei vielen Gruppenführungen erlebt, dass die Reiseleiter von vornherein Antworten auf Fragen geben, die keiner gestellt hat und die sich in einer  völlig anders gearteten Situation abstrus und seltsam anhören. Doch die Reiseleiter haben offensichtlich gelernt, dass Klagen und  mögliche Fragen, am besten im Vorgriff abzuschmettern sind.

Zunächst  erfahren wir einiges von den Träumen und Konzepten Ludwig II., die diesem Bau zugrunde liegen. Nachzulesen in einem Brief an Richard Wagner vom 13. Mai 1868:

 Ich habe die Absicht die alte Burgruine Hohenschwanggau bei der Pöllauschlucht neu aufbauen zu lassen im echten Stil der deutschen Ritterburgen, und ich muss Ihnen gestehen, dass ich mich sehr darauf freue, dort einst (drei Jahre) zu hausen; mehrere Gastzimmer, von wo man eine herrliche Aussicht genießt auf den hehren Säuling, die Gebirge Tirols und weithin in die Ebene, sollen wohnlich und anheimelnd eingerichtet werden; Sie kennen ihn, den angebeteten Gast, den ich dort beherbergen möchte; der Punkt ist einer der schönsten, die zu finden sind, heilig und unnahbar, ein würdiger Tempel für den göttlichen Freund, durch den einzig Heil und wahrer Segen der Welt erblühte. Auch Reminiszenzen aus „Tannhäuser“ (Sängersaal mit Aussicht auf die Burg im Hintergrunde, aus „Lohengrin“- Burghof, offener Gang, weg zur Kapelle) werden sie dort finden; in jeder Beziehung schöner und wohnlicher wird diese Burg werden, als das untere Hohenschwangau, das jährlich durch die Prosa meiner Mutter entweiht wird; sie werden sich rächen, die entweihten Götter, und oben weilen bei Uns auf steiler Höh, umweht von Himmelsluft.

                   Neuschwanstein von allen Seiten

Ludwig war damals 23 Jahre alt und seit vier Jahren König. Die erste Begeisterung für das Königtum war vergangen, denn die politischen Realitäten und die tägliche Routinearbeit stimmten nicht mit seinen eigenen Intentionen und Interessen überein.

Seine wahre Liebe galt der Kunst, vor allem der Musik und dem Theater, worin er ein Mittel sah, um das Volk empfänglich zu machen für das Große und Erhabene und um es auf eine höhere Bildungsstufe zu bringen. Sein Königtum begriff er im Sinne einer absoluten Monarchie, eines Gottesgnadentums – das Eingehen auf die Wünsche der Minister, war nicht nach seinem Geschmack.

Mit fünfzehn Jahren hatte der Kronprinz seine erste Wagneroper gesehen, und zwar den Lohengrin. Dieses Erlebnis war so stark, dass er das Textbuch auswendig lernte. Die Begeisterung für Wagners Werk ließ auch später nicht nach, und kaum war Ludwig König geworden, rief er den von schweren wirtschaftlichen Sorgen geplagten Komponisten zu sich und wurde sein Mäze

         Wartburg     

           

Burg Pierreford

Ausschlaggebend für den Wunsch eine eigene Burg zu bauen, waren zwei Reisen, die ihn zur restaurierten Wartburg nach Eisenach und der wiederhergestellte Burg Pierrefond führten. Ludwigs Wunsch war für die damalige Zeit nichts Außergewöhnliches, da in ganz Europa von adeligen Familien, Burgen restauriert oder wiederaufgebaut wurden. Um seine Ideen konkret werden zu lassen schickte Ludwig die zukünftigen Bauleiter zur Wartburg um sie dort mit der Bautechnik, den Plänen etc. vertraut zu machen.

Doch bot der schmale Felsgrat von Hohenschwangau nicht genug Platz, um eine Kopie der Wartburg zu errichten. Hofbaurat Eduard Riedel entwarf daher Pläne, die realisierbar waren und den räumlichen Gegebenheiten Rechnung trugen. Langsamer, als sich das der König wünschte, gingen die Arbeiten voran. So mussten die Ruinen von Hohenschwangau zuerst abgetragen und acht Meter des Bergkegels gesprengt werden. 1869 wurde der Grundstein zum Palas gelegt. Doch erst 1873 war der Torbau vollendet und der Palas 1880 im Rohbau aufgeführt. Grund für diese Verzögerungen waren Geldmangel, weil Ludwig noch zwei andere Bauprojekte finanzieren musste: Trausnitz bei Landshut und Linderhof bei Oberammergau. Später kam noch Herrenchiemsee dazu. Beim Tode von Ludwig waren zwar Torbau und Palas vollendet, doch das Ritterhaus war noch ohne Hoffassade und zum Bergfried waren erst die Fundamente gelegt. Auch stand der Rohbau der Verbindungsflügel vom Palas zum Rittersaal.

Die Austattung der königlichen Gemächer und der Festsäle war allerdings nahezu vollendet. Schon im Jänner 1882 konnte der König Wagner mitteilen:

Mit der neuen Burg zu Hohenschwangau geht es rüstig vorwärts, wenn auch die gänzliche Vollendung noch ziemlich lange auf sich warten lassen wird. Von den Wänden meiner Wohngemächer leuchten in recht gelungener Ausführung jener durch Ihre Verherrlichung, hochgeliebter Freund, so ans Herz gewachsenen Sagen herab: Tannhäuser, Lohengrin, ein Zyklus Tristan und Isolde, Walther von der Vogelweide, Szenen aus Hans Sachsens Leben sind dort zu schauen; Bilder aus der alten, durch Sie neu verklärten Nibelungensage werden folgen. Der 4. Stock des hohen Palas, der Fest-und Sängersaal endlich, ist dem Zyklus aus dem Leben Parzivals geweiht und soll 1883 vollendet werden.

 Die dunkel getäfelten Räumen im dritten Obergeschoß, die mit schmiedeeisernen Radlustern ausgestattet sind, verwirklichen die Träume des Königs nur ungenügend, weil die großflächigen Bilder an den Wänden von einem Theatermaler konzipiert und ohne künstlerischer Kraft aufgepinselt wurden. Zudem wirken die Räume insgesamt düster und wenig einladend. Er fand die Bilder allerdings gelungen….

Vestibül

Thronsaal

 

Ankleidezimmer

 Arbeitszimmer

Sehr  beeindruckend erweist sich das Zentrum der Privaträume, der von Ludwig geplante Thronsaal. Dem nahezu quadratischem Raum ist eine Thronapsis angefügt, zu der neun Marmorstufen hinaufführen. An drei Seiten sind die Wände mit Arkaden gegliedert; darüber öffnen sich Galerien über einer Balustrade. Die Wandbilder in der Apsis – auf Goldgrund gemalt – stellen Christus als Pantokrator dar, umgeben von Maria und Johannes dem Täufer, darunter die Gestalten von sechs heiligen Königen. In den Arkaden und auf den Galerien sind Szenen aus dem Lebend dieser Heiligen dargestellt, sowie St. Georg und der Erzengel Michael. Links und rechts der Treppe erscheinen die Gestalten der zwölf Apostel. Auch diese Wandbilder hat Wilhelm Hauschild gemalt – zweifellos ein „Meister seines Fachs“.

Doch die flachen und uninspirierten Darstellungen bleiben als Eindruck sekundär, wenn man den Anspruch bedenkt, den dieser Thronsaal stellt. Im Grunde erinnert der Saal an eine orthodoxe Kirche, und die Thronstufen sollten eigentlich zu einem Altar führen…

Das tut weh – wenn man diese Sinnesverwirrung bedenkt. Für wen hielt er sich? König von Christus Gnaden? Als unumschränkter Herrscher auf dem Thron, dem Ausgangsort der autoritativen Gesetzgebung? Der Thron, der zur Thronnische passen sollte, wurde nie fertig gestellt – zu hoch waren die Ansprüche, selbst für die Kasse eines Königs.

Das Beste an dieser Monstrosität ist der Mosaikboden, der im Stil der römischen Mosaikkunst gelegt, einen künstlerisch begabten Handwerker verrät.

Das Speisezimmer des Königs ist ganz im romanischen Stil gehalten. Dunkel durch die farbigen Scheiben, die kaum Licht durchlassen, wirkt dieser Raum wenig einladend, obwohl die Wandgemälde heitere Themen darstellen – aber ähnlich flach und banal, wie alle Bilder in diesen Räumen. Der Tafelaufsatz aus vergoldeter Bronze, der Siegfried im Kampf mit dem Drachen zeigt, ist ein Geschenk der Münchner Künstler an den König. Und an der Gestaltung dieser Plastik spürt man, dass auch im Historismus künstlerisch hochwertige Arbeit möglich war. Das Schlimmste für das moderne Empfinden erwartet uns aber erst im Schlafzimmer des Königs. Es ist durch und durch im gotischen Stil gestaltet. Viel zu klein für das anspruchsvolle Himmelbett, dessen obere Abdeckung mit geschnitztem gotischem Zierart gleichsam beladen ist, woran siebzehn Schnitzer vier Jahre lang gearbeitet haben. Das strahlende Blau-weiß der Stoffe und Stickereien verrät, dass hier ein Wittelsbacher residierte und das immer wieder auftauchende Motiv des Schwans erinnert daran, dass sich dieser Wittelsbacher als Schwanenritter sah.

Die Hauskapelle, das Oratorium ist ein winziger Raum mit Spitzbogengewölbe, neugotischem Flügelaltar und Wandbildern, die sich auf den Namenspatron des Königs, Ludwig den Heiligen von Frankreich beziehen. Schon allein wenn man das Größenverhältnis von Thronsaal zur Kapelle betrachtet, liegen bestimmte Schlüsse zur  Selbsteinschätzung des Königs ziemlich nahe.

Das Ankleidezimmer erscheint mir als freundlichster Raum, wo sich an der Decke, einer gemalten, offenen Laube, Vögel tummeln. Hierbei handelt es sich um reine Dekorations-Malerei und die gelingt selbst einem Kulissenmaler.

Demgegenüber tragen die Gemälde an den Wänden des königlichen Wohnzimmers wieder den gewohnten Charakter des historischen Realismus. Lohengrin ist diesmal der Held der Wandmalereien. Alle sind sie vertreten: Lohengrin, Elsa, Telramud. Und alle leiden und kämpfen sie um eine angemessene künstlerische Abbildung ihres Schicksals. Aber ihr Kampf bleibt erfolglos, da der König bei der Bildgestaltung ein gewichtiges Wort mitzureden hatte und offensichtlich jene Maler ausgesucht hat, die seine „Mitarbeit“ auch zu schätzen wussten…

Die Venusgrotte bildet den Übergangsraum zum Arbeitszimmer des Königs. Es ist ein kalter und unwirtlicher Ort. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich Tannhäuser hier wohl fühlen sollte, selbst wenn die Leidenschaft noch so brennend wäre…

Für das Arbeitszimmer gilt ähnliches, wie für das Wohnzimmer, nur das hier die Bildmotive der Tannhäusersage entnommen sind.

Über eine Wendeltreppe, die sich um eine achteckige Spindel dreht und deren Decke mit gelben Sternen auf tiefblauem Grund bemalt ist, geht es hinauf in den schönsten und einladensten Raum der Burg, dem Sängersaal. Hier passt die Dekorationsmalerei mit Szenen aus der Parzifalsage wunderbar hinein, weil hier alles auf Theater, auf Wirkung ausgerichtet ist. Zudem ist der Saal ausreichend groß um die Riesenbilder zu „vertragen“.

           

Besonders schön und faszinierend die Holzdecke, die an moderne Konzertsäle erinnert, die aus akustischen Gründen in Satteldachform errichtetet werden. Hier hat man die Holzdecke einfach den äußeren Gegebenheiten angepasst, wodurch ein wunderbar harmonischer Raum entstanden ist. Beeindruckend die Bühnennische: der Hintergrund bemalt mit Bäumen und Landschaft - das Podium aus edelsten Hölzern - mit einer Galerie versehen. Hier müsste man herrlich Konzerte und Theaterstücke spielen können – doch die Wendeltrepp und die mangelnden Toiletten - Anlagen sind massive Gründe, warum es für ein heutiges Publikum nicht möglich ist hier an Aufführungen teilzunehmen – zu streng sind heute die Regeln von Feuerwehr und Medizin.

Wir wandern wieder hinunter und stehen vor der Nordfassade, deren hohe Mauern sich imponierend emporrecken -  die architektonisch geglückte Burg Neuschwanstein.

Schade nur, dass Ludwig offensichtlich von Musik und Theater wesentlich mehr verstand, als von Innenarchitektur und Bildender Kunst. Vielleicht ist es auch der Hybris der Selbstdarstellung zu verdanken, dass die Ausgestaltung dieser romantischen Burg so fürchterlich kalt das fast Unerträgliche streift.

 Am Abend wandere ich durch die unmittelbare Umgebung von Meilingen und mache Erinnerungsfotos. Die Wiesen stehen hoch in Blüte. Viele Farben leuchten durch das satte Grün der Gräser. Doch pflücke ich keine Blumen mehr -  sie sind zu zart für die Vase…

          

Linderhof in Ettal

Fassade Gartenfront

 Ein Besuch in Versailles im Jahr 1867 bewog König Ludwig II., sich ein "neues Versailles" bauen zu lassen. "Meicost Ettal" war der Arbeitstitel für das Vorhaben; ein Anagramm hinter der sich die Devise des französischen Königs Ludwig XIV. "L'état c'est moi - Der Staat bin ich" verbarg.

 Statt dessen wurde eine "Königliche Villa" realisiert, die als Bautypus unter den Königsschlössern einzigartig blieb und als einziger Schlossbau zu Lebzeiten des Königs vollendet wurde. Zunächst wollte der König lediglich einen ovalen Salon, flankiert von zwei hufeisenförmigen Kabinetten, an das "Königshäuschen" seines Vaters anbauen lassen. Bis zum Jahr 1872 wurde dann nach den Plänen Dollmanns eine symmetrische Dreiergruppe ergänzt und zwischen beiden Gruppen ein Schlafzimmer eingefügt. Dieser Anbau war, wie schon das "Königshäuschen" ein hölzerner Ständerbau. Im Jahr 1874 wurde dann das "Königshäuschen" abgetragen und an die heutige Stelle versetzt. Zugleich bekam das Gebäude sein heutiges Aussehen durch den Einbau des Vestibüls und des Treppenhauses in den bis dahin offenen Hof, sowie des Spiegelsaals und der Gobelinzimmer. Der bisher hölzerne Außenbau wurde mit Steinfassaden umgeben.

Schloss Linderhof wirkt auf den ersten Blick, wie eine zu groß geratene Schmuckkassette, weil durch die Dekoration der Außenmauern, in Form von üppiger Ornamentik und Pilastierung, die architektonische Struktur der Villa nur in ihren Grundformen - einem monumentalem Quadrat – nicht unmittelbar erfassbar. Wendet man aber den Blick in Richtung Venustempel, dann enthüllt sich die Schönheit der Gesamtanlage in ihrer wohldurchdachten Einbettung in die Landschaft und man versteht sehr gut, warum Ludwig II. während seiner letzten sieben Lebensjahre lieber hier gelebt hat, als in der Residenz in München.

  Die Entwürfe für die Innenausstattung im Stil des "Zweiten Rokoko" waren weitgehend das Werk von Franz Seitz und Christian Jank, der auf Rokokodekorationen für die königlichen Privatvorstellungen spezialisiert war. Obgleich in Linderhof der intime und private Charakter vorherrscht, wollte der König nicht völlig auf zentrale Räume des Hofzeremoniells verzichten, da nur diese das von ihm bewunderte absolutistische Königtum französischer Prägung anschaulich werden ließen. Zeugnis hiervon geben die prunkvolle Ausstattung des Audienzzimmers und des Schlafzimmers, dessen Vorbild in den sog. "Reichen Zimmern" der Residenz München zu finden sind. 1878 waren die Arbeiten vollendet und das Schloss bezugsfertig. 

Betritt man das Vestibül der Villa, so wird der Gast vom  Reiterstandbild von Ludwig XIV begrüßt. Überwältigend in mehrfachem Sinn das Deckenrelief über dem Standbild, das einen riesigen Strahlenkranz darstellt, aus dem  zwei Engel mit Posaunen herabstürzen. Ein hölzerner Treppenaufgang, in  passenden Proportionen angelegt und flankiert von zwei wunderbaren chinesischen Vasen,  führt in den ersten Stock der Villa.

        

    Rosa Salon (Dienerzimmer)

Schlafzimmer

Spiegelzimmer

Speisezimmer

Dort öffnen sich die Privaträume des Königs, die den Besucher durch ungewöhnliche Dimensionen und Einrichtungen überraschen. Wir betreten zunächst das nördliche Goblinzimmer, dass als Musikzimmer in Funktion war – ausgestattet mit einem überladen geschnitzten Pianino, das der König auch selber spielte. Danach betreten wir das in blau und rot gehaltene Audienzzimmer, das einen reichverzierten  Rokoko - Arbeitstisch mit dazupassendem Stuhl beherbergt. Erhöht wird die Bedeutung dieser kostbaren Möbel durch einen mächtigen blauen Baldachin. Das lila Kabinett besticht durch die schönen Biedermaiergemälde von Damen und Herren des Hochadels. Eine mit kostbarem lila Seidenstoff bezogenen Sitzbank mit zwei Stühlen ergänzt die Einrichtung dieses ersten Dienerzimmers – eine Einrichtung, die farblich angepasst, sich auch in den drei anderen Dienerzimmern wieder findet.               

Das Schlafzimmer erweist sich als überdimensionierter Raum mit einem baldachingekrönten Bett, woraus sich der Blick durch eine Galerie von Fenstern auf ein atemberaubendes Panorama eröffnet. Wie wir erfahren, bezog sich Ludwig II bei der Gestaltung des Zimmers auf die Gewohnheiten von Ludwig XIV, der während der Morgen - und Abendtoilette wichtige Gespräche führte. Zwei Gemälde als Supraporten von zweifelhaftem künstlerischem Wert, zeigen den großen Monarchen bei der Morgen – und Abendaudienz. Der Blick auf das Bett ist nur aus einigem Abstand zu ertragen, weil in der Vorstellung eines modernen Mensch ein Bett mit der Intimität des Schlafens untrennbar verbunden ist – während dieses mächtige Möbel geradezu abweisend und bedrohlich in den Raum ragt. Zudem wird das Bett von einer Galerie von kniehohen Holzsäulen umfasst, die den Gedanken an kirchliche Kommuniongitter nahe legen. Dass die dunkelblauen Portieren am Kopfende das Wappen des Königs in wunderbare Perlenstickereien tragen, macht das Ganze auch nicht heimeliger. Und ich frage mich, wie ein Mensch in einem solchen Raum zur Ruhe kommen konnte. Vorm Verlassen dieses Schlafsaales, richte ich meinen Blick noch auf die Deckenmalerei, die hell und freundlich gestaltet, Assoziationen an Barockkirchen entstehen lässt. An das Thema der Malerei kann ich mich nicht mehr erinnern, doch könnte es sich nahe liegender weise um die Apotheose Luis XIV. handeln.

Im nächsten Raum, dem rosa Dienerzimmer sind wieder außergewöhnlich gute Gemälde aufgehängt und die Wände mit kleinen kostbaren Porzellannippes dekoriert. Hier, wie in den anderen Dienerzimmern auch, waren Tag und Nacht Lakaien postiert, um auf die Wünsche ihres Herrn augenblicklich reagieren zu können.

Später schreiten wir noch durch das in rot gehaltene Speisezimmer, das üppig dekoriert ist und bei dessen Planung der König maßgeblich mitgewirkt hat. Wir durchschreiten das blaue Kabinett und das südliche Gobelinzimmer und betreten den Spiegelsaal, wo flächendeckend an allen Wänden Spiegel angebracht sind, die den Raum scheinbar ins Unendliche erweitern. Ein überwältigender Eindruck, der sich uns hier eröffnet! Wenn man sich dann noch Kerzenbeleuchtung in diesem Raum dazu denkt, dann kann ich mir leicht vorstellen, warum sich der König diesen Raum als Arbeitszimmer vorbehalten hat.   


 Der Park 

Gleichzeitig mit dem Schlossbau kamen die von Hofgärtendirektor Carl von Effner geplanten Außenanlagen zur Ausführung. Dieser schuf, ganz der historischen Gesinnung des 19. Jahrhunderts entsprechend, einen sog. "architektonischen Landschaftsgarten", indem er auch Elemente aus früheren Epochen in die Gestaltung mit einbezog. So machte sich der barocke Einfluss in der Gestaltung des Wasserparterres, der italienische hingegen bei der Anlage der Terrassen und der Kaskade an den Hängen des Gartens bemerkbar. Der im Zentrum durch Terrassenanlage, Fontänenbecken, Hainbuchenspaliere, Parterrenanlagen und Kaskade streng strukturierte Park geht harmonisch in einen ausgedehnten Landschaftsgarten und anschliessend kaum merklich in die umgebenden Bergwälder

 Im Park und in den umliegenden Waldgebieten ließ sich König Ludwig II. eine Reihe von Kleinarchitekturen aufstellen, die die Vorliebe des Königs für die germanisch mittelalterliche Mythenwelt und für den Märchenzauber des Orients verdeutlichen. Als einzigartiges Zeugnis dieser Passion darf wohl die Grotte bezeichnet werden, die neben dem Maurischen Kiosk zu den Orten gehörte, an denen der König seine Traumwelten erschuf. Erst in späterer Zeit fanden das Marokkanische Haus und die Nachbauten von Hundinghütte und Gurnemanzklause ihren Platz in der Schlossanlage Linderhof. 

    Maurischer Kiosk                

Maurischer Kiosk (innen)



 

              

                  Gurnemanzklause

Hundinghütte

   

 Wir wandern durch den Park hinauf zu der künstlichen Grotte, die bei Licht besehen eine starke Verwandtschaft mit Jahrmarktsbudenzauber aufweist, besonders in dem Augenblick, wenn man die Grotte beim Hintereingang verlässt und des zeltartigen Holzdaches gewahr wird, das die ganze Grottenherrlichkeit vor Regen und Schnee schützen soll. Im Inneren wirkt die Grotte teils echt, teils wie eine Theaterdekoration. Und damit sind wir mitten in der Gedankenwelt von Ludwig II. Hier wollte er in möglichster Authentizität Theaterträume verwirklichen, indem er einen künstlichen Teich anlegen, modernste Beleuchtung installieren und eine ständige Theaterkulisse schaffen.

Irgendwie rührend die ganze Anlage, wenn man bedenkt, dass ein erwachsener Mann, von Beruf König, hier seine Jugendträume zu verwirklichen suchte. Das Boot auf dem unterirdischen Teich verdient vielleicht noch besonderer Erwähnung, weil es auf allen Postkarten auftaucht und man sich kaum vorstellen kann, dass es tatsächlich als wassertüchtiges Gefährt durchgeht. Aber dem Vernehmen nach, soll sich Ludwig in guten Stunden in diesem Boot von Dienern über den 40cm tiefen Miniteich rudern lassen. Ich kann mir das nicht vorstellen - aber es wird schon so sein.

Im Park besuchen wir noch den orientalischen Kiosk, der ganz aus Holz und Blech hergestellt ist und von der rauen Witterung entsprechend mitgenommen ist. Im Inneren ist der Raum aber schön und gemütlich: Schwere Teppiche bedecken den Boden – an den Wänden die bekannten samtbezogenen Langbänke – dazwischen schön geschnitzte Taburettes und darüber die aus buntem Glas und Gitterwerk gestalteten Hängelampen. Sicher ließ sich hier ganz gemütlich Tee trinken, vielleicht zum Klang von orientalischen Zupfinstrumenten?

 Meinem Empfinden nach, erscheint mir Ludwig II. aber als "armer Hund". Zerrissen zwischen seinem politischem Auftrag, dem er viel zu früh Rechnung tragen musste und seinen eigentlichen Interessen, lebte er vermutlich ständig mit sich im Konflikt. Wäre er ein Privatmann gewesen, dann hätte er vielleicht als Musiker sein Glück gefunden, so aber war er gezwungen sich Personen und Aufgaben zu suchen, die ihm zumindest indirekt die Chance zur künstlerischen Betätigung in Form von Bauaufträgen oder Mäzenatentum eröffneten. Dass er dabei weit über die finanziellen Möglichkeiten seines Landes plante und forderte, hat ihn schließlich nicht nur die Krone sondern auch das Leben gekostet.

   

Augsburg

  Der Dom zu Augsburg „Maria Heimsuchung“. Schon für den Anblick des Südportals des Domes hat sich die lange Anfahrt nach Augsburg gelohnt. Ein romanisches Stufenportal in vollkommenen Maßen begrüßt den Besucher.

             

 

 

 

Apostelgestalten im Gewände

 

  An dem Mittelpfeiler die Gestalt der Gottesmutter in zurückhaltender Weise gestaltet, wie in der Gotik üblich ist.Darüber das dreireihige Bogenfeld geschmückt mit Szenen aus demLeben Marias. Auf der Baldachinkonsole sind dichtgedrängt 36 Vorfahren von Christus abgebildet. In der Quertonne darüber, erkennt man 24 Propheten und Patriarchen. Die Türgewände nehmen die Apostel auf mit den Wappenschildern der Augsburger Zünfte.

 Über dem Tor ist der Christus als Pantokrator beim Jüngsten Gericht zu erblicken – besonders eindrücklich, die Darstellung der Verdammten und der Geretteten, weil die Größenverhältnisse nicht passen und die Figuren so zusammengedrängt sind, dass sie eher an einen Blumenstrauß aus Menschen erinnern.Alles in allem ein wunderbarer ernster Gesamteindruck, den dieses Portal vermittelt.

  Drinnen im Dom verschlägt es mir zunächst den Atem. Ein großer und mächtiger reich gegliederter Innenraum empfängt uns – geschmückt mit Werken von Künstlerhänden, die hier über mehrere Jahrhunderte wirkten.

Ein gotisches Kreuzrippengewölbe mit schön verzierten Schlusssteinen überwölbt den gesamten Kirchenraum, der sich in ein Hauptschiff und zwei niedrigere Seitenschiffe gliedert. An einen  Pfeiler gelehnt, begrüßt eine wunderschöne Figur der apokalyptischen Frau, den Besucher.

Da erschien ein großes Zeichen am Himmel: Eine Frau mit der Sonne bekleidet, der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von Sternen war auf ihrem Haupt(Off 12,1)

Wir schreiten zunächst Richtung Apsis, umschreiten den Altarraum, der einen modernen Volksaltar beherbergt und in Richtung  Apsisscheitel mit einem Chorgitter abgeschlossen ist.  

           

  Die berühmten romanischen Glasfenster befinden sich sehr hoch oben in den südlichen Obergarden des Mittelschiffes. Klar und ruhig stehen sie da die Propheten des alten Bundes; gleichsam dieser Welt entrückt, grüßen ihre flächenfüllenden Gestalten von ganz oben, als  ob sie die Welt für den Himmel durchscheinend machen wollten Immer wieder fasziniert mich die transzendierende Kraft der frühen Glasmalereien, Schnitzwerke und Steingestalten. Sie künden von einem überwältigenden Glauben und von der  Gewissheit ihrer Geborgenheit in Gott, die sich während der folgenden Jahrhunderte immer mehr verliert. Heute finden sich nur wenige Künstler, die der inneren Wahrhaftigkeit des christlichen Glaubens bildlich Gestalt verleihen können. In einer Welt der positivistischen Weltanschauung, ist dies allerdings auch nicht weiter verwunderlich.

  In den  Chorumgang münden, wie zu erwarten, einige halbkreisförmige Kapellen. In einer davon finden sich ein Altar aus rotem Marmor, der in der Renaissance entstanden  und von den Goldschmieden und Malern gestiftet wurde. Die Antoniuskapelle ist die Bruderschaftskapelle der Kistler mit einem spätgotischen Tryptichon um 1500:  Muttergottes zwischen zwei Päpsten, auf den Innenflügeln die Bischöfe Ulrich und Wolfgang.

     

  Die nächste Kapelle wurde von den Bäckern gestiftet und ist der Hl. Anna geweiht. In der Konradskapelle befindet sich das Grab des Bischofs Wolfhard von Roth, das mit einer sehr ausdruckstarken Grabplatte bedeckt ist, die den alten Bischof stehend im vollen Ornat abbildet. Es ist eine Kunstwerk, das die Gestaltungskraft der mittelalterlichen Erzgießerkunst großartigen Ausdruck verleiht. Es folgen die Gertrudkapelle, die Augustinuskapelle und die Wolfgangkapelle. Alle mit Szenen in Holz und Öl gestaltet, die sich mit dem Leben Marias und der Leidensgeschichte beschäftigen.

Die Wolfgangkapelle birgt das sogenannte Dombild, das die Muttergottes mit Kind in einem Triptychon darstellt, umgeben von Engeln und flankiert von den betenden Heiligengestalten: Wolfgang und  Afra. Über der Gestalt der Muttergottes, erstrahlt in einer blaue Lichtaura - die das ganze oberen Drittel des Zentralflüges einnimmt - die Gestalt des Hl.Geistes als Taube. Wenn man über diese ungewöhnliche Darstellung, die bereits 1554 entstanden ist, nachdenkt, dann liegt der Schluss nahe, dass der Heilige Geist in dieser Region offensichtlich schon vor der Hl. Keszentia von Kaufbeuren die Künstler dieser Region beflügelt hat. Oft ist in vergleichbaren Bildern an anderen Orten die Gestalt des Hl. Geistes oft nur sehr im Hintergrund erfasst und unscheinbar gestaltet.

        

  Am Ostende des nördlichen Seitenschiffs steht der Kreuzaltar. Das ausdrucksstarke Kruzifix ist 1520 entstanden und aus derselben Zeit das Beweinungsrelief. In diesem Relief ist  der menschliche Tod von Christus in einer ungewöhnlichen Art Gestalt geworden. Ohne dramatische Gesten stehen die Menschen, die ihn lieben vor dem unlösbaren Rätsel seines Todes. Der Schmerz, der Schock hat ihre Fassungskraft überstiegen und sie stumm und unbeweglich gemacht, während sie den toten Leib in ihrer Mitte bergen. Jetzt, da er tot ist, gehört er wieder ihnen. Als sich die Maschinerie in Bewegung setzte, die letztendlich seine grausame Tötung zum Ziel hatte, in diesem Augenblick konnten sie ihm nicht beistehen, doch jetzt sind sie bei ihm – mit ihrer ganzen Liebe, die ihn nicht retten konnte. Auch wir können oft Menschen nicht retten, obwohl wir sie lieben und alles tun würden, um sie vor sich selbst zu beschützen – und diese unsere Erfahrung teilte der Künstler mit uns und den Menschen, die Jesus, den menschgewordenen Gottessohn nach seiner Hinrichtung in ihrer Liebe umfangen.

 

Berührend schön sind auch die spätgotischen Passionsbilder, die zu einem  Seitenaltar zusammengefügt sind. In dem riesigen Dom werden sie zu Andachtsbildern von besonderer Tiefe.

Kreuzigung

Kreuzabnahme

Grablegung

Auferstehung

Die aufregensten Bilder innerhalb dieses Gotteshauses stammen allerdings von einem ganz Großen der Kunstgeschichte, von Hans Holbein, dem Älteren. Zwanzig Jahre hat er in Augsburg gearbeitet und es sind wundervolle Zeugnisse seines Könnens sind an den Pfeilern des Domes erhalten geblieben. Es sind mächtige Bilder, die uns anziehen, obwohl sie ursprünglich zu Tafelaltären zusammengefügt – hier in Einzelbildern aufgehängt sind. Dennoch bezwingen sie unseren Blick durch ihre einzigartige Kraft der künstlerischen Darstellung, die in ihrer Symbolik und der Meisterschaft der Raumgestaltung ihresgleichen sucht.

          

Drei Beispiele sollen hier besonders betrachtet werden. Das erste Bild zeigt uns das Schicksal von Joachim, dem Vater von Maria. Er, ein Angehöriger des Stammes Levi und dazu berufen im Tempel Gott in besonderer Weise zu dienen und Opfer darzubringen hat bis ins hohe Alter kein Kind gezeugt. Gemäß der damaligen Tradition war Kinderlosigkeit nicht nur eine Schande, sondern wurde von der Umgebung als Indiz für geheime Sünden gewertet. Obwohl Joachim und Anna ihr ganzes Leben Gott in vorbildlicher Weise gedient hatten, war sich Joachim seines Versagens schmerzlich bewusst. Als er nun eines Tages im Tempel wieder die Opferhandlung verrichten sollte, wurde er sich seiner unhaltbaren Stellung bewusst und beschloss sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, um sich dem stillen oder lauten Vorwurf seiner priesterlichen Kollegen zu entziehen und darüber hinaus ein Leben der Busse als Schafhirt zu führen. Später nimmt sein Leben aber die Wendung, die Gott von Anfang an vorgesehen hatte. Im Traum werden Joachim und Anna aufgefordert sich bei der goldenen Pforte zu treffen und wieder ehelich zusammenzuleben. Und das was niemand erhoffen oder erwarten konnte, trifft ein – Anna bekommt ein Kind und das Kind ist Maria, die spätere Gottesmutter.

Wenn wir das obige Bild betrachten, dann sehen wir eine Bildkonzeption, woraus klar hervorgeht, um welche Gestalt die Handlung kreist. Die Darstellung der Hauptfigur an Zentraler erhöhter Stelle, verwundert nicht, weil sie sich als Allgemeingut der gotischen Tafelmalerei erweist. Besonders eindrücklich erscheint allerdings die Blickführung des Hohenpriesters und Joachims. Während der Hohepriester seinen tadelnden oder fragenden Blick auf Joachim richtet, wendet sich der Joachim ab und ist sich sichtlich seiner schwierigen Situation bewusst. Er trägt seine  Kappe in der Hand, steht unbedeckten Hauptes vor seinem Vorgesetzten und lässt die Verurteilung geschehen. Er hat den unausgesprochenen Vorwürfen nichts entgegenzusetzen, nur seine furchtbare innere Traurigkeit.

Die perspektivische Gestaltung – obwohl für die Bildaussage nahezu unerheblich - verdient auch noch einen Blick. In dem breit angelegten Vordergrund, ist ein Symbol hineingesetzt, das sich vielleicht dem  unmittelbaren Verständnis entzieht. Es ist der Hund, der hier als Verbindungselement zwischen der Figur von Joachim und dem Inneren des Tempels wirkt. Joachims Blick richtet sich auch auf den Hund, der hier zweifellos als Symbol der Treue hinein genommen wurde. Noch ist die perspektivische Gestaltung nicht absolut durchgehalten, wie das in der Renaissance der Fall sein wird, aber mit seiner überragenden Meisterschaft beherrscht Hans Holbein die Gesamtfläche auch in ihrer räumlichen Struktur, besonders dort, wo Joachim auf einem Weg im Hintergrund positioniert wird, der unmittelbar vom Tempel weg, zu den Wiesen und Weiden rund um Jerusalem führt.

Die vollendete Gestaltung der Kleidung in gemäßigten Knitterfaltenstil und farblicher Abstimmung braucht keine besondere Erwähnung- ebenso wenig,  wie die ausbalancierte Farbgebung des Gewandes von  Joachim in hellrosa und dunkelgrün, dem der goldgelbe Überwurf des Hohenpriesters kontrastierend und spannungserzeugend  am rechten Bildrand gegenübersteht. Die Querachse und gleichzeitig Diagonalachse des Bildes, die von dem gefliesten Boden, über die helle Altardecke zu der gerahmten Szene der Engelsbegegnung auf der Schafweide führt, wird stufig von den unteren Altarstufen über den Altarblock hinauf zur Szenenumrahmung gestaltet. Doch über alle Erklärung hinaus, besitzt das Bild eine suggestive Kraft, die nur an Ort und Stelle, im direkten Anblick erfühlt werden kann. Der künstlerische  Wert eines Gemäldes, einer Statue, eines Gebäudes, erwiest sich meiner Meinung nach, am besten im direkten Kontakt. Wenn die Betrachtung uns nicht „unberührt“ lässt, wenn wir gleichsam über unser Sehen, unser Spüren vom Kunstwerk „hineingezogen“ werden, dann haben wir es mit einem Meister zu tun. Mit dem Werk eines Künstlers, dessen Können aus geheimnisvollen Quellen gespeist wird, die sich unserer menschlichen Erklärungsversuchen entziehen. 

        

  Das zweite Tafelbild, dem  hier  besondere Aufmerksamkeit gilt, ist die Geburt Mariens. Inhaltlich handelt es sich um eine überlieferte szenische Gestaltung, die innerhalb der byzantinischen Ikonenmalerei vorgebildet wurde. Maria ist schon auf der Welt und soll von einer hilfreichen Magd oder Nachbarin in einem Holzzuber gewaschen werden. Mutter Anna liegt im Himmelbett und während ihr eine Schaffnerin - erkennbar an dem Schlüsselbund an ihrem Gürtel- stärkende Nahrung reicht. Rechts im Hintergrund erinnert uns eine kleine Szene an die Begegnung von Joachim und Anna, die  ihrer Trauer ein Ende bereitete, weil ihnen trotz ihres hohen Alters noch ein Kind geschenkt wurde.

Schon beim ersten Blick auf das Gemälde wird klar, dass die kleine Maria als Hauptperson in Szene gesetzt werden sollte, obwohl die in Rosa gekleidete Helferin den Vordergrund dominiert, indem sie die Temperatur des Badewassers mit ihrem Fuß kontrolliert. Das Rosa ihres prächtigen Kleides kontrastiert ideal zur dunkelgrünen Decke, worin die Mutter Anna gehüllt ist. Links davon umrahmt ein roter Vorhang das Geschehen, während sich das Bild nach rechts hin öffnet und den Blick in die Weite freigibt, wo sich Anna und Joachim begegnen. Doch wird diese Weite nur aus Ausblick zugelassen, während im oberen Drittel des Gemäldes eine braune Tür den Schlafraum abschließt. Eine einfache Dienerin ist offensichtlich dabei, die glückliche Geburt dem Vater mitzuteilen. Die Querachsen des Bildes sind wieder dreifach und stufenweise aufgelöst: durch das Steinpodest, auf dem das Bett aufruht, durch die vordere Bettkante und die Umrahmung der eingeblendeten Szenerie in der oberen rechten Bildecke. Ein Detail am Rande, als  Sessel für die Helferin wählte H. Holbein ein ganz leichtes Möbel, aus Holz und Strohgeflecht, das sich im Vordergrund nahezu „verliert“. Ganz im Gegensatz zum dem braunen hölzernen Waschzuber, der groß und mächtig die rechte Ecke des Bildes dominiert. Ein genaues Studium der Gesichter macht uns klar, dass Holbein von einem wichtigen Punkt der Überlieferung Abstand nimmt, indem er auf das vorgerückte Alter der Hl. Anna nicht Bezug nimmt und uns keine alte Frau ins Wochenbett legt, sondern eine junge. Dass er Züge von alten Menschen durchaus beherrscht, wird im Gesicht der Schaffnerin deutlich. Das heißt mit andern Worten, dass er als Künstler seine zweite Zentralgestalt jung malen „wollte“. Warum? Das lässt sich nicht wirklich mit Sicherheit sagen. Ist sie in seinen Augen, als Mutter wieder jung geworden?  Ist sie als Erwählte Gottes jung geblieben?

  Hat er sie aus ästhetischen Gründen so gemalt? Wir wissen es nicht – aber es berührt uns noch heute die geheimnisvolle Aura dieses Geburtszimmers, der sich der Maler so intensiv und mit großer Könnerschaft angenommen hat.

        

In der Darstellung Jesu im Tempel wird das Geschehen inhaltlich extrem verdichtet und auf jede architektonische Struktur des Bildes verzichtet. Hier geht es um Marias Glauben und ihrem großherzigen Verzicht auf das alleinige Verfügungsrecht der Mutter über ihr Kind.

Hier lohnt sich vor allem ein Blick auf die Gestik der dargestellten Personen. Maria senkt den Blick auf das weiße Leinen in der Hand des Priesters, dem ihr geliebtes Kind übergeben wird. Sie übergibt den Kleinen an den Diener des Höchsten Gottes, und zwar ohne Vorbehalt, gemäß des althergebrachten Gesetzes, „Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein.“ (Lev 12,8). Marias Kleid ist aus dunkelblauem schwerem Stoff genäht, das sich dekorativ auf dem Steinboden ausbreitet. Das Oberkleid von Simeon ist aus kostbarem rotem Brokatstoff gewirkt und mit goldenen, aufwendig bestickten Borten umrandet, ebenso die priesterliche Mütze. Auch die Schließe, die den Mantel zusammenhält ist sichtlich aus Gold und Edelsteinen gefertigt.

Die kostbaren Gewänder der handelnden Personen mögen uns heute seltsam berühren, wenn man  bedenkt, dass Maria, die Frau eines Zimmermannes war und der Farbstoff Purpur nur für Kaiser, König und hohen Würdenträgern erschwinglich war.

Mit diesen Überlegungen befinden wir uns allerdings mitten in Welt der mittelalterlichen Symbolik. Wie nicht schwer zu erraten ist, steht die Farbe „blau“ für den Glauben und das Vertrauen Marias, der sich in allen Situationen ihres Lebens bewährt. Sie glaubt dem Engel, der ihre Mutterschaft verkündet und  rettet  ihren Glauben durch extrem verstörende Situationen, wie z.B. die Worte Simeons, der ihr verkündet, dass ein Schwert ihr Herz  durchdringen werde. Als sie ihren 12 Jährigen im Tempel findet, nachdem sie ihn voller Angst gesucht hat und er ihr zur Antwort gibt, „Warum habt ihr mich gesucht? (Lk2,49)

 Bei der Hochzeit von Kanaan wird sie von ihrem Sohn mit den Worten zurückgewiesen: Was willst Du von mir Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“(Joh 2,4) Dennoch bleibt sie vertrauend und liebend in der Nähe ihres Sohnes, bis sie schließlich unter dem Kreuz steht und hilflos zusehen muss, wie man ihn zu Tode martert. Und alle genannten Situationen bewältigt sie durch ihren bedingungslosen Glauben an DEN, der über den Himmeln thront.

Die Gestalt des Simeons ist in königliche Gewänder gehüllt, die ihn als Diener des Höchsten Gottes ausweisen. Es sind liturgische Gewänder, würden wir heute sagen, die nur im Gottesdienst getragen werden dürfen. Und um einen Gottesdienst handelt es sich bei der Opferung Jesu im Tempel, einerseits in der Erfüllung einer Gesetzesvorschrift, die sich auf den Erstgeborenen bezieht, der an Gott zurückerstattet werden – bzw. durch ein Tieropfer „ausgelöst“ werden sollte -  und anderseits um die geistige Anerkennung des neugeborenen Jesus als menschgewordenen Logos durch Simeon. Und Simon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazu bestimmt, dass Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Durch ihn sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.(Lk 3,34,35)

Die kleine Abbildung in der rechten oberen Bildecke zeigt die Prophetin Hanna, die ebenso wie Simeon erkannte, dass sich hinter dem kleinen Menschenkind in den Armen Marias der jener verbarg, auf den Israel seit Jahrhunderten hoffte.

Holbeins Neigung in seinen Bildern Bezüge zur Vergangenheit und Zukunft der Heilsgeschichte herzustellen, geschieht in diesem Bild durch eine Marienkrönung durch die Hl. Dreifaltigkeit. Vor goldenem Hintergrund – dem Symbol für die himmlische Wirklichkeit wird das endgültige Schicksal der tapferen Gottesmutter in Erinnerung gebracht. Und damit sollten auch wir – die Betrachter - getröstet werden, dass nach dem schweren und wechselvollem Erdenleben auch für uns der Himmel offen steht, wenn wir wie Maria den Willen dessen zu tun suchen, der uns geschaffen und erlöst hat.

 Die Krypta

Die Krypta des Augsburger Domes überrscht durch ihre räumliche Schönheit und einige wunderschöne Kunstwerke (romanische Muttergottes und romanischer Gregor der Große). Darüberhinaus gibt es noch Fresken, die sehr bewegt und eindrucksvoll das Sterben unseres Erlösers darstellen.( In spätgotischer Zeit entstanden und vor wenigen Jahren wiederentdeckt) Ich wandere herum und kann mich nicht sattsehen an den klaren Linien und Formen.

  Hl. Gregor(romanisch)         Romanische Muttergottes

 

Die Kirche St. Ulrich und St. Afra  ist ein gotischer Bau mit besonders schön angeordnetem Netzrippengewölbe. Die Einrichtung, wie sehr häufig, stammt aus der Barockzeit.

Grablege von Hl. Simpert Grabmal des Hl. Simpert

 

Ein kleiner Seitenaltar, im überaus seltenen Stil der Renaissance: weißes Halbrelief zum Thema Kreuzigung fesselt meine Aufmerksamkeit.

Zweifellos kein Meisterwerk! Aber interessant, weil so selten nördlich der Alpen.

Die Fuggerei

Die Fuggerei wurde am 23. August 1521 von Jakob Fugger als Wohnsiedlung für bedürftige Augsburger Bürger gestiftet. Im Stiftungsbrief wurde festgelegt: 

„Namlich so sollen soliche hewser Fromen Armen taglönern vnd handtwerckern und burgern und inwonern dieser stadt Augsburg, die es notturftig sein und am besten angelegt ist, umb gottes willen gelichen und darin weder schankung muet und gab nit angesehen...“.

 

Die Fuggerei in Augsburg ist die älteste noch bestehende Sozialsiedlung Welt. Heute wohnen in den 140 Wohnungen der 67 Häuser 150 bedürftige katholische Augsburger Bürger für eine Jahres(kalt)miete von 0,88 Euro. Sie sprechen dafür täglich einmal ein  Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein Ave Maria für den Stifter und die Stifterfamilie  Fugger. Bis heute wird die Sozialsiedlung aus dem Stiftungsvermögen Jakob Fuggers unterhalten.

Erbaut wurde die Anlage zwischen 1516 und 1523 unter Federführung des Baumeisters Thomas Krebs. Damals entstanden 52 Wohnungen um die ersten sechs Gassen. Die nach weitestgehend standardisierten Grundrissen erstellten Wohnungen in den durchwegs zweigeschossigen Häusern waren für die Verhältnisse der Entstehungszeit großzügig geplant. Geradezu modern war die Konzeption der Fuggerei als Hilfe zur Selbsthilfe. Die Sozialsiedlung war für von Armut bedrohte  Handwerker und Taglöhner gedacht, die aus eigener Kraft, zum Beispiel wegen einer Krankheit, keinen eigenen Haushalt führen konnten. Sie konnten innerhalb und außerhalb der Fuggerei ihrem Broterwerb nachgehen und sollten im Fall der wirtschaftlichen Erholung wieder ausziehen. Die Fuggerei beherbergte bis ins 20. Jahrhundert vor allem Familien mit oft mehreren Kindern. In die Sozialsiedlung durften nur „würdige Arme“ einziehen.

Ihren Namen erhielt die „Fuckerey“ schon 1531. Der erste Fuggerei-Geistliche war der 1925 heiliggesprochene Jesuit  Petrus Canisius. 1581/82 wurde in dem Esemble eine eigenen Kirche errichtet, die dem Hl. Markus geweiht ist. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Fuggerei von den Schweden weitgehend zerstört, danach aber wieder aufgebaut. Von 1681 bis zu seinem Tod 1694 lebte Franz Mozart, der Urgroßvater des Komponisten  W.A. Mozart, in der Fuggerei.

Erweiterungen der Fuggerei erfolgten in den Jahren 1880 und 1938. Im  Zweiten Weltkrieg wurde die Siedlung bei einem britischen Fliegerangriff in der Augsburger Bombennacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 zu etwa zwei Dritteln zerstört. Bereits am 1. März 1944 beschloss das Fürstlich und Gräflich Fuggersche Familienseniorat schriftlich den Wiederaufbau der Fuggerei. Ab 1945 wurde die Sozialsiedlung mit Mitteln aus der Stiftung  nach historischem Vorbild wieder aufgebaut, sodass bereits 1947 die ersten Gebäude wieder bezogen werden konnten. In den 1950er Jahren war der Wiederaufbau abgeschlossen. Bis 1973 wurde die Fuggerei auf  angrenzenden Trümmergrundstücken um etwa ein Drittel erweitert.

         

Die Wohnungen in der Fuggerei sind jeweils etwa 60 Quadratmeter groß und haben jeweils einen eigenen Eingang. Die im Erdgeschoss liegenden Wohnungen verfügen über einen Garten, die im Obergeschoss über einen Speicher. Die Aufnahmebedingungen sind immer noch dieselben wie zur Zeit der Gründung: wer in der Fuggerei wohnen will, muss Augsburger, katholisch und gut beleumundet sein. Die Jahres(kalt)miete für eine Wohnung in der Fuggerei beträgt bis heute den nominellen, inflationsunbeachteten Wert eines   Rheinischen Gulden (umgerechnet 0,88 Euro). Die Nebenkosten tragen die Mieter.

Die Fuggerei ist eines der beliebtesten touristischen Ziele in Augsburg. Ihr Besuch kostet Eintritt, der zur Erhaltung der Fuggerei verwendet wird. Im Jahr 2006 wurde das Fuggereimuseum erheblich erweitert und neu gestaltet. Es beherbergt auch die letzte im Originalzustand erhaltene Wohnung, die im Stil des 18. Jahrhunderts eingerichtet wurde. Im Jahr 2008 entstand das Museum im „Weltkriegsbunker in der Fuggerei“. Im erhaltenen Luftschutzbunker von 1943 werden die Entstehungsgeschichte des Bauwerks, die Augsburger Bombennacht vom 25./26. Februar 1944, die Wiederaufbaujahre und die Erweiterung der Fuggerei bis 1973 dokumentiert.

St. Michael von Bertoldshofen

St. Michael ist eine helle und strahlende Rokkokokirche, die mir sehr gut gefällt. Besonders eindrucksvoll der Erzengel Michael mit Flammenschwert im Zentrum des Hauptaltarblattes. In der Chorkuppel sind die Engelchöre mit den Erzengeln dargestellt; in der Vierungskuppel  Hl.Antonius von Padua und der Hl. Nepomuk: im Langhaus die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer; in der nördlichen Kapelle das Marienleben; in der südlichen Kapelle Szenen aus dem Leben des Hl. Joseph.

 Der besonders feine und farblich abgestufte Stuck wurde von Wessobrunner Stukkateuren unter Leitung von Franz Finsterwalder (1730-33) aufgetragen.

 

Ruine Eisenberg

Zu den Sehenswürdigkeiten in unmittelbarer Nähe von Pfronten gehören die Ruinen Eisenberg und Hohenfreyberg. Beide waren im Besitz des Rittergeschlechtes von Freyberg. Eisenberg ist älter und nicht so gut erhalten wie Hohenfreyberg, das erst im 15.Jh. erbaut wurde. Beide Burgen wurden auf Befehl der Tiroler Landesregierung niedergebrannt, weil man fürchtete, das sich die Schweden dort festsetzten. Der Rundblick ist wunderschön - die Mauern sind von Grünzeug überwachsen und schenken den romantisch gesinnten Besuchern echte Augenlust. Die Romantiker seinerzeit  schwelgten in der Begeisterung für das Zerstörte, das von der Natur in ihrer schlichten Schönheit zurückerobert wird. (sh. Heidelberger Schloss)

   Geschichtlicher Überblick

           

Schongau

Der Ursprung Schongaus ist das jetzige Altenstadt. Ein großer Teil der Bewohner zog im 13. Jahrhundert nur wenige Kilometer weiter in die auf dem Lechumlaufberg gegründete Siedlung am Lech und nahm den Ortsnamen mit, weil die Hügellage besser zu verteidigen war. Die Stadt Schongau liegt ganz in der Nähe der ehemaligen Römerstraße nach Augsburg. Im  Mittelalter war sie ein bedeutsamer Knotenpunkt und wichtiger Handelsplatz auf der Verkehrslinie Verona–Augsburg–Nürnberg und auf der Salzstraße vom Berchtesgadener Land ins Allgäu. Der Lechrain stand im 12. Jahrhundert unter der Herrschaft der Welfen, deren Zepter von der Nordsee bis zum Mittelmeer reichte. Nach dem Tod Welfs VI. im Jahre 1191 fielen die lechrainischen Güter an die Hohenstaufen. 1268 kam Schongau unter die Herrschaft der bayerischen Herzöge aus dem Hause Wittelsbach. Kaiser Ludwig der Bayer hatte Schongau 1331 ein eigenes Rechtsbuch mit Münzrecht verliehen. Herzog Christoph der Starke hielt sich gerne in der Stadt auf, nach ihm ist die Christophstraße in der Altstadt benannt. Am 22. Mai 1493 vernichtete ein verheerender Brand weite Teile der Oberstadt und das herzogliche Pflegeschloss; erst 1514 war der Wiederaufbau größtenteils abgeschlossen.Schongau war mehrfach in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt und war öfter Durchgangs- bzw. Aufenthaltsort von freundlichen und feindlichen Truppen.

Durch Handel und den regen Fleiß seiner Bürger erlebte Schongau eine Blütezeit bis zur Zeit um die Entdeckung Amerikas, die eine Verlegung der großen Handelsstraßen zur Folge hatte. In der Folge wurde die Stadt so arm, dass bedeutende Gebäude wie das Schloss oder das Ballenhaus teilweise verfielen oder rückgebaut wurden, weil das Geld für die Dachsanierung fehlte. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewannen Stadt und Umland durch Flüchtlinge deutlich an Einwohnern und entwickelten sich durch den prosperierenden Mittelstand zu einem Bezirk mit verhältnismäßig geringer Arbeitslosigkeit.

Bis 1695 gehörte das "Kuhtor", zu den ältesten, freigelegte Mauerteilen des  13. Jahrhundert. Der baufälliger Torturm wurde 1605 abgetragen, und zwar bei der Neugestaltung zum barocken Festungswerk.

     

Das Ballenhaus in Schongau zeugt von der Bedeutung des Ortes als Warenumschlagsplatz. Das markante Gebäude, ein lang gestreckter Bau mit Treppengiebel, befindet sich auf dem Marienplatz. Errichtet wurde das Ballenhaus im Jahre 1419 und 1515 wurde es erweitert und mit einem spätgotischen Ratssaal ausgestattet. Genutzt wurde das Gebäude als Warenlager und später als Rathaus.

   

Die Pfarrkirche  Maria Himmelfahrt

          

wurde 1751 - 1753 nach Plänen von Baumeister Johann Baptist Gunetzrhainer anstelle eines gotischen Baues errichtet. Der Chorstuck stammt von Wiesbaumeister Dominikus Zimmermann. Der Meister des Hochaltars ist Franz-Xaver Schmädl. Die bedeutenden Deckengemälde (1761) stammen von Matthäus Günther. Erwähnenswert ist hier die Darstellung des Hl. Geistes als Rokoko-Kavalier im Chor. 1757 schuf der Schongauer Franz-Anton Wassermann die Fresken an der Nordwand. Die Kirche zählt zu den bedeutendsten Sakralbauten des Pfaffenwinkels.  

Apostel Thomas
Apostel Jakobus der Jüngere Zunftstange der Zimmerer
Zunftstange der Bäcker Apostel Simon und Matthäus

          

  Später wandere ich entlang der Stadtmauer und bewundere die Aussicht ins Tal. Es ist still und friedlich hier.

 

In einem Park nahe der Stadtmauer fand ich dieses eindrucksvolle Kreuz, das Christus mit einem nach dem Himmel gerichteten Kopf darstellt, während sich der Körper in großen Schmerzen krümmt.

 Danke Clemens, dass ich Kunstwerke des Allgäu und des Pfaffenwinkels durch Deine Hilfe so intensiv studieren konnte! Danke fürs Mitkommen und die Gespräche und überhaupt...

             

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