Irene Kohlbergers SALVETE

Sardinien

SARDINIEN

Wanderungen auf Stintino und Asinara

September 2012

       

Eine begeisterte Bergsteigerin mit Verbindungen nach Italien, hat uns im Rahmen des Österreichischen Alpenvereins eine Wanderreise angeboten, die letztlich alles erfüllte, ja übertraf, was man sich im Zusammenhang mit landschaftlicher Schönheit und italienischer Lebensart erwarten kann. Es waren nur wenige Tage, aber jeder erfüllt von neuen Eindrücken, die sich einerseits aus der Vielfalt der Begegnung von Land und Meer und andererseits aus dem sicheren Instinkt unseres Führers Luca für kulinarische Feinheiten ergab.
Dankbar stelle ich hier meinen Bericht ins Netz, den ich allen Teilnehmern an diesem wunderschönen Urlaub widmen möchte. Vor allem Ursula Benesch und Luca, die unsere Begleiter und Führer waren.

Ankunftstag: Samstag, 29. September

  Wir landen in Olbia, an der Ostküste der Insel in einem Flughafenambiente, das an Eleganz und technischen Raffinesse nichts zu wünschen übrig lässt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass wir auf der Costa Smeralda gelandet sind, wo die Reichen und Schönen ihre Villen besitzen und ihre riesigen Boote unterzubringen pflegen. Wenn man das Ganze mit dem Flughafen von Korfu vergleicht? Na Ja! Dort befindet man sich geradezu am anderen Ende der Nahrungskette… das merkt man ganz deutlich. Luca erwartet uns schon mit einem mehrsitzigen Kleinbus, der in bunten Lettern seinen weiten Einsatzbereich verkündet, der vom Skifahren bis zum hochalpinen Klettern reicht. Ob er das noch alles schafft?

 Uns bringt er zunächst durch eine interessante Landschaft, die ich als Mischung zwischen der Lieblichkeit der Toskana und der Kargheit des Peloponnes beschreiben wollte. Vor allem wechseln die Kleinlandschaften sehr schnell: von Weingärten, über abgeerntete Getreidefelder, bis hin zu vereinzelten Olivenkulturen und dazwischen wieder karges Weideland, wo große Herden von Schafen weiden. Überhaupt gibt es in Sardinien immer wieder Herden von Schafe, als auffälligste bewegliche Größe in der Landschaft. Korkeichen gibt es nur verstreut und ich denke, dass sie vielleicht anderswo dichter wachsen, weil die Korkgewinnung für Nord Sardinien eine wichtige Einnahmequelle darstellt. 

Schon auf der Fahrt nach Stintino wird mir der Besuch der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit von Sarccargia geschenkt. Die kleine romanische Basilika übergab Konstantin, der damalige Herr der Region, den Kamaldulenser, denen sie hinfort als Klosterkirche diente. Die Mönche waren es auch, die im 12. Jh. das Langhaus mit neuer Fassade und einer Vorhalle, sowie mit dem hoch aufragenden Glockenturm erweiterten.

 Die Kamaldulenser leben nach der von Romuald verfassten Regel, die auf der Basis der Benediktsregel entwickelt wurde. Sie tragen ein weißes Ordensgewand und wohnen innerhalb einer Klostermauer in einzelnen Häuschen (Zellen mit kleinen Gärten). Das  Gebet, zu dem die gemeinsame Liturgie in der Kirche und das einsame Stundengebet in der Zelle gehören, die Arbeit und die geistliche Lesung erfüllen den Tag eines Kamaldulensermönches. Das ganze Leben der Kamaldulenser konzentriert sich auf die Verbindung mit Gott im Gebet und der Kontemplation.

                
 

Die Reste der Klosterruine zeigen denselben Bänderstil, womit auch die Kirche geschmückt ist. Das bedeutet, das die Sichtmauern mit weißem Kalkstein und schwarzen Basalt in abwechselnder Reihe gestaltet sind. Das Langhaus der Klosterkirche ist aus Bruchsteinen gebaut; die Seitenwände von drei kleinen rundbogigen Fenstern durchbrochen. Das Schönste an der Kirche ist allerdings die Apsisbemalung, die – wahrscheinlich restauriert- ein sehr eindrucksvolles Bildprogramm bietet. Im obersten Apsisbogen thront Christus in der Mandorla, flankiert von großen Engelsgestalten und blickt auf die Betrachter herab. In der zweiten Reihe sind neben der Muttergottes die zwölf Apostel angeordnet, jeweils sechs zu beiden Seiten eines Rundbogenfensters. Darunter reihen sich die Bildszenen der Leidensgeschichte. Wenn man diese genau betrachtet, dann weichen sie in einigen Details entschieden von der byzantinischen Ordnung ab. Aber dadurch gewinnen die Szenen nur an Lebendigkeit. Links vom Altar steht in einer Glasvitrine, die man tragen kann, eine braun gekleidete Gestalt, mit langen gelockten Haaren und einer Metallkrone am Haupt, die einen Harnisch trägt. Ich kann die Gestalt überhaupt keinem Heiligen zuordnen, weil der Harnisch eigentlich nur zum Hl. Georg oder einem Soldatenmartyrer passen könnte, aber an einer Frauengestalt unerklärbar ist. Erst später zeigt mir Margit das Foto einer Prozession, wo diese Gestalt als Hl. Paulus deklariert wird - was man als Hagiographin zwar nicht verstehen kann, aber einfach zur Kenntnis nehmen muss. In der Seitenkapelle gibt es noch eine Muttergottesstatue, die im selben Stil gehalten ist, wie der Hl. Paulus. Welcher Zeit die beiden Gestalten zuzuordnen sind, traue ich mich nicht zu entscheiden, tippe aber auf das 18. Jahrhundert.  

  Die Fassade an der westlichen Querwand ist mit großer Liebe und detailreich gestaltet. Die zarten Muster wirken fast wie eine Stickerei. Besonders eindrucksvoll sind auch die Kapitelle, die romanische Pflanzen und Tiermotive zeigen.  

 Sa acca argia bedeutet auf sardisch „gefleckte Kuh“ – der Legende nach, kniete hier eine gefleckte Kuh zum Gebet nieder.  Deshalb schmücken steinerne Kühe ein Kapitell am Portikus .

 In der Ortschaft Stintino angekommen, beziehen wir unsere Quartiere. Und dann essen wir zum ersten Mal in „Unserem Ristorante“. Und es ist köstlich ---

             

 Später wandern wir zu Fuß hinunter an den sagenhaft weißen Strand von La Pelosa. Unterwegs leuchtet das Meer in allen Blauschattierungen bis Grelltürkis. Unten am weißen Strand angekommen, rieselt der Sand ganz fein unter unseren Zehen und das Wasser ist warm, weich und angenehm. Und der Strand selbst wäre wunderschön, wenn nicht so viele Badende diesen Flecken Meeresküste ebenso schön fänden wie wir.

Zurück geht es mit dem ortseigenen Linienbus. Um einen Euro führt er uns noch einmal hinauf zum aragonesischen Wachturm, dann durch einen Vorort von Stintino, bis wir schließlich im Zentrum landen. Zentrum bedeutet hier bei der ortseigenen Konditorei mit herrlichem Eis.

      

 Am Abend werden wir das erste Mal mit Vorspeisen aus Meeresfrüchten verwöhnt – ergänzt durch ein Segundo Piatto mit garniertem Fisch.

 2. Tag: COSCIA DI DONNA und  ISOLA PORRI  

 Luca kommt am Morgen mit Wasser und Panini und holt uns ab. Mit dem Kleinbus geht es nach Westen zur Küste, wo wir parken und unsere Rucksäcke schultern. Nach kurzer Wanderung sind wir an der Küste, wo sich dem Blick die erste Begegnung mit Fels und heranrollenden schaumgekrönten Wellen darbietet. Zwar entfernen wir uns beim Aufstieg zur nächsten Klippe wieder aus unmittelbarer Strandnähe, doch sehr bald geht es wieder hinab zur Felsküste und der stürmischen Bewegung der Wellen.

 

 
                    

 

  Dieses Annähern und wieder Verlassen wiederholt sich noch einige Male – ein immer wieder neues grandioses Erlebnis für Augen und  Empfinden.

 

    Schließlich erreichen wir die Isola dei Porri. Diese Insel ist nur ein übergroßer Felsblock, worauf Komorane, Falken und wahrscheinlich auch andere Seevögel nisten. 

  Doch wir wandern noch etwas weiter und machen in einer völlig einsamen Bucht Rast, wo das Meer in mittelhohen Wellen hereinrollt. Wir werfen uns hinein und ich beginne mein Spiel mit den Wellen, das ich über alles liebe.

 

  Später schwimmen die Anderen in einer kleinen Bucht, die von glatten Felsen bedeckt ist. Doch ein Regen verkürzt den Aufenthalt. Während unseres Rückweges begleiten uns bedrohlich wirkende Wolken. Doch sie lösen sich immer mehr auf und so folgen wir der Verlockung einer kleine Bucht nahe an unserem Busparkplatz und bleiben zu einem gemütlichen Bad und pflegen der Muße zum Spüren von Land und Meer.

 Abends gibt es Gemüsevorspeisen zum Sterben gut ---

  3. Tag:  GROTTE DI NETTUNO und CAPO CACCIA (Torre Sarrazena)

 Heute geht es zur „Grotta di Nettuno“. Wieder geht es durch sanfte Hügellandschaften, die sich in Küstennähe auffingern und in Steilküsten zum Meer hinabfallen. Es ist die sogenannte Korallenküste, wo man vom Capo Caccia zu der berühmten „Grotta di Nettuno“ gelangt.

Die Tropfsteinhöhle zählt zu den schönsten des Mittelmeers. Experten schätzen das Ausmaß der Naturhöhle auf etwa 4 km Länge. Doch nur wenige Meter dieses ausgedehnten Höhlensystems, mit seinen märchenhaft schönen Tropfsteingebilden, mit seinen Grotten und Gängen, Stalagmiten und Stalagtiten die immer noch wachsen und mit seinem kleinen etwa 120 m langen Salzwassersee, der mit dem Meer verbunden ist, können mit einer Führung besichtigt werden.

   Vom „Capo Caccia" aus, erreicht man den etwa 20 m langen und 8 m hohen Eingang der Grotta di Nettuno über eine 654 Stufen zählende "Escala del Cabirol". Wir wandern leichtfüßig die Stufen hinunter, die erst beim Aufstieg zu stehenden Rolltreppen werden. Immer wieder genießen wir den Ausblick hinaus auf das Meer oder hinauf in die steilen Felswände, die mit jedem Meter, den wir abwärts steigen, immer höher und eindrucksvoller werden. Schließlich kommen wir in der ersten Höhle an, die gleichzeitig Vorraum und Landeplatz für das Passagierschiff bildet, dessen Bug durch die anbrandenden Wellen ständig in einer Höhe von ca. einem Meter hoch und niedergeht. Die Gangway muss daher ständig festgehalten werden, um den Passagieren das Einsteigen zu ermöglichen. Es ist zwar heiter beim Zuschauen – aber im Schiff und auf der Gangway vergeht einem eher das Lachen. Schließlich trägt die Routine im Kampf mit den Wasserkräften den Sieg davon und das Boot kann ablegen mit allen Passagieren an Bord.

Daraufhin dürfen wir in Begleitung einer sehr hübschen jungen Dame die Welt der Stalagmiten und Stalaktiten betreten und es eröffnet sich wieder einmal die faszinierende Welt aus Tropfsteinen, bizzaren Ablagerungen und fantastischen Farben. Die Erklärungen durch die Führung könnte man leichthin entbehren - weil es ohnehin klar ist, dass diese Formen in einer unendlich langen Zeit entstanden sind und es allen Besuchern ziemlich egal sein kann, ob es jetzt Billionen Jahre gedauert hat, oder 50.000 Millionen Jahre, bis sich die Höhle zu ihrem jetzigen Zustand geformt hat.
Zudem spricht sie ein zu weiches lang gezogenes Englisch, dass ich bei aller Mühe nicht verstehen kann. Aber seis drum! Wir waren da und der Felsendom in der Mitte der Grotte ist schon ein faszinierender Anblick!

      
        

   
Später gehen wir die Stufen hinauf, die sich manchmal wie stillstehende Rolltreppen anfühlen. Aber ich gebe nicht auf und kämpfe mich nach oben. Und die Belohnung bleibt nicht aus. Unten an der Küste gibt es eine kleine Bucht und ein Cafe, wo man  Espresso trinken und zeichnen kann.

   Zum Torre Sarrazena wandern wir die direkte Linie hinauf - über Geröll und durch Macchia. Immer wieder suchen wir nach Hinweisen, die uns einen Pfad anzeigen, aber vergeblich. Schließlich setzen wir selber Steinmandel als Zeichen, dass man doch auch in der direkten Linie hinaufkommen kann. Auf dem ersten Hügelkamm angekommen, öffnet sich vor uns eine Senke, die wieder viele Möglichkeiten bietet, um sie zu durchqueren. Schließlich klettern wir über raue Steinplatten am Gegenhang hinauf, wo wir bald auf einen ausgetretenen Pfad gelangen, der uns nahezu bis zu unserem Ziel begleitet. Und immer wieder eröffnen sich Aussichtspunkte von überraschender Schönheit. Steil fallen die helle oder rötlichen Felsen hinab ins Meer, während von unten die Schaumkronen heraufleuchten, wodurch die blaue bis ins türkis spielende Wasserfläche begrenzt wird. Von diesem Anblick geht eine fast magische Wirkung aus. Doch wir müssen weiter und so wandern wir durch Gestrüpp und über flache rote Erdeflächen Richtung Norden, dem aragonesischen Turm entgegen, der zum Schutz der Insel errichtet wurde.

 Auf  Sardinien errichteten die Spanier rund 70 solcher Türme gegen Piratenüberfälle. Die nordafrikanischen Sarazenen tauchten im 9. Jahrhundert, besonders aber zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert (die Kreuzzüge brachten der norditalienischen Bevölkerung hier über einige Jahrhunderte Entlastung), mit ihren Schiffen an den christlichen Mittelmeerufern auf, plünderten und zerstörten die Küstenorte, töteten die Bevölkerung oder verschleppten sie auf die Sklavenmärkte und drangen bis ins Landesinnere vor. Die Türme standen untereinander in Sichtkontakt, telegrafiert wurde mit Kanonenschüssen oder Feuersignalen.

 Unterwegs fasziniert uns immer wieder die eigenartige Vegetation, die von den Meereslilien bis zu Thymian und Salbeibüschen reicht.

   Schließlich erreichen wir den alten Signalturm und reichen uns die Hände. Knapp daneben erinnert ein halb verfallener Bunker an die deutsche Besetzung Sadiniens während des 2. Weltkrieges.

   Beim Abstieg geraten wir zuerst ein bisschen zu tief hinunter. Doch merken wir unseren Irrtum sehr bald und klettern wieder hinauf auf die Krone der Klippe. Dann aber eröffnet sich uns ein Wanderweg, der einigermaßen gut markiert hinunter zur Straße führt. Doch kommen wir ziemliche weit entfernt von unserem Aufstiegsbeginn heraus – was Wunder, dass wir uns anfangs durch Macchia und Felsen schlagen mussten. Wir holen die Anderen ab, die sich am Strand vergnügten und fahren nach Alghero.  

  Die Periode der Fremdherrschaft über Sardinien, die etwa 800 v. Chr. mit den Phöniziern und Karthagern begann und sich über etliche Zwischenstufen fortsetzte, wurde im 11. Jahrhundert in Alghero damit fortgeführt, dass die genuesische Familie Doria die Stadt im Namen der Republik Genua von sarazenischen Piraten befreite, besetzte und in eine Festung gegen die konkurrierenden Pisaner umbaute. Im Jahre 1354 eroberten die Katalanen (das Haus Aragon) die Stadt, bauten die Festung aus und vertrieben die einheimische Bevölkerung. Das führte unter anderem zur Gründung der Stadt Villanova Monteleone.

Die Altstadt ist geprägt von lebendigem Treiben in engen Gassen. Zahlreiche Läden, darunter viele Souvenir - und Schmuckläden machen das Flanieren zum kurzweiligen Vergnügen. Es wird besonders viel Korallenschmuck angeboten, da die Korallenverarbeitung hier in Alghero, das auch als Korallenstadt bekannt ist, eine lange Tradition hat. Ursprünglich stammten die Korallen vom Capo Caccia, das jedoch nun unter strengem Natur-und Artenschutz steht. Hotels und Restaurants bieten eine vielfältige und sehr gute Gastronomie, vor allem Fisch und Meeresfrüchte. Nirgendwo auf Sardinien gibt es mehr Hotels als in Alghero. Zahllose Kirchen, Piazzi und Türme bilden neben der Stadtmauer, den Museen, dem Aquarium und den Stränden nördlich der Stadt, Anziehungspunkte für Touristen.

 In Alghero angekommen haben wir ein wenig Zeit, um uns umzuschauen. Zunächst fasziniert uns der weitläufige Hafen, wo Yachten aller Größen auf ihren Ferieneinsatz warten. In unmittelbarer Nähe des Hafengeländes erheben sich eindrucksvolle, weite Esplanden, die sich zwischen den Häusern der Altstadt und der Stadtmauer ausdehnen. Hier pulsiert das Leben der Stadt. Hier reihen sich Restaurants und Cafe aneinander, immer mit Blick aufs Meer, einstmals gefürchtet, weil es Feinde heranbringen konnte – heute nur mehr bewundert und geliebt. Wir wären gerne geblieben, doch wir haben nicht genug Zeit. So wandern wir bald hinüber zum Dom, dessen Portal und Turm aus der Mitte des 15. Jh. stammt. Ein floraler Schmuck rankt sich über das Portal, fremd und doch wunderschön. Ebenso erscheint mir der achteckige Turm als ein gotisches Meisterwerk.

 Das Innere des Domes ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Hier wurde in die alte Gewölbekonstruktion alles hineingearbeitet, was zu Zeiten gut und teuer war. Es ist sehr dunkel im Innern und so kann man nur mit Mühe die alten Gurtbogen ausmachen, die einzelnen Gewölbeabschnitte voneinander trennen, wie das in der Frührenaissance üblich war. Im Zentrum des Langhaus, wo die Beleuchtung ausreicht, erhebt sich ein Altaraufsatz aus geflammtem Marmor, der nur mächtig und kostbar ist. Schön und ausgewogen ist hier gar nichts. So wird die Chorschranke, die an sich sehr eindrucksvoll den Chorraum umfängt, von überdimensionierten Putten gekrönt, die den Gesamteindruck empfindlich stören. Die Kanzel klebt an einem Seitenpfeiler und ist ganz schmal konzipiert, vermutlich aus Platzgründen. Die schmückenden Reliefs an der Kanzel stammen zweifellos von einem Steinmetz der oberen Klasse: doch das gesamte Ensemble ist furchtbar missglückt. Die übrigen Zubauten und Altäre sind ausnahmslos im 19. Jh. entstanden – was gleichbedeutend ist mit Glätte und Kälte.

 Draußen erwärme ich mich noch einmal an der Schönheit des achteckigen Turmes, bevor wir weiter wandern, Richtung Franziskanerkirche. Hier würde uns ein Kreuzgang entzücken, wenn, ja wenn nicht gerade hl. Messe wäre, die ich unter keinen Umständen stören möchte. Der Blick zum Altar eröffnet mir abermals eine Monstrosität, die ihres gleichen sucht. Wieder wurde aus Marmor ein Altargebilde errichtet, das nur groß und mächtig – einem riesigen Katafalk gleichend - zwei Gestalten trägt, wovon eine die Gottesmutter Maria darstellte. Ob die andere Gestalt der hl. Johannes war, das konnte ich aus der Entfernung nicht feststellen.

  Jetzt war es an der Zeit die Stadt als Einkaufsmeile zu erspüren. Und es gelang mir tatsächlich T-Shirts zu bekommen, die mit typischen und originellen Aufschriften geschmückt waren. Das Abendessen in der Pizzaria schmeckte vorzüglich, auch der Wein und die Atmosphäre des Lokales, wo scheinbar nur einheimische Gäste speisten, die sich entsprechend lautstark unterhielten – aber daran gewöhnt man sich bald im Süden…

 

4. Tag: AUSFLUG zum CANON GORROPPU

Die Fahrt nach Nuoro und dann weiter nach Dogali zieht sich. Fast vier Stunden sind wir unterwegs, bevor wir in Dogali, einem wirklich reizenden Bergdorf, Halt machen um zu verschnaufen. In Dogali gibt es wohlschmeckende Lebensmittel und Süßigkeiten und, wie wir noch feststellen werden, herrlichen Wein. Doch zunächst gibt es nur Kaffee und eine weitere kurze Fahrt zu unserem Ausgangspunkt der Wanderung.

Von der Passtation Genna Silana führt der Wanderweg über Geröllfelder, durch uralte Kork- und Steineichenwälder und entlang der Felswand des Monte Su Nercone, während etwa eineinhalb Stunden zu einem der tiefsten Canyons Europas. Zunächst fasziniert mich der Anblick von Ziegenherden an den Hügelabhängen, die nur von blanker brauner Erde bedeckt sind. Und wir überlegen uns schon, ob es in Sardinien steine fressende Ziegen gibt. Doch später lenkt uns der Anblick des Flumineddu ab, der durch große runde Steinblöcke behindert, nur mehr sehr träge sein Wasser zu Tal rinnen lässt.

              

Und dieses träge Wesen soll eine weltberühmte Schlucht erarbeitet haben? Na ja, wenn genug Zeit ist? Das Zwiegespräch endet aber bald, weil sich unser Weg wieder hinauf windet in den angenehmen Schatten der Steineichen. Und wir wandern immer weiter entlang von Felsmauern, die rechts aufragen – und neben dem Flußbett des Flumineddu, der links unseren Weg begleitet. Über sonnige Wegstrecken und schattige Waldstücke geht es weiter in Richtung der massiven Bergwand des Monte Su Nercone, wo es noch einige Felshöhlen und alte sardische Schäferhütten (barraccu) aus Holzscheiten und Korkrinden gibt. Und Luca erzählt uns dazu, dass hier vor Jahren Paul Getty gefangen gehalten wurde – und zwar von Schäfern, während die Drahtzieher der Entführung an der Costa Smeralda in ihren Villen saßen. Hinauf und hinunter geht der Weg im steten Wechsel – bis wir schließlich an eine Steilstufe gelangen, die den Eingang zum Canyon markiert.

Wir klettern hinunter und nehmen bald auf großen runden Steinen Platz, wo wir uns sardischen Spezialitäten schmecken lassen: Speck, Salami nostrana, Peregrino Käse und das Fladenbrot, das dünner ist als Knäckebrot, aber viel besser schmeckt. Dazu gibt es Rotwein der leichten Art und Studentenfutter als Nachspeise. Und es fühlt sich gut an hier zu sein.

Später, nachdem ich noch ein bisschen das Wasser durchwatet habe, das hier in klaren Tümpeln zwischen den Steinen auftaucht, brechen wir auf zum Canyon. Wir deponieren unsere Rucksäcke beim Wächterhäuschen und bekommen anschließend ein kurze Einführung von einem wunderschönen Mädchen, dass uns allein weiterwandern lässt, ohne uns ihre begleitende Gegenwart anzubieten.

So im Allgemeinen kann man dazu sagen: 

Gorropu ist eine beeindruckende Schlucht, die einst durch die Wasserströme des Rio Flumineddu entstanden ist. Sie ist ein reizvolles Gebiet voller Überraschungen. In einer Millionen Jahre alten Schlucht zwischen den Bergen Oddeu und Cucuttos ist Gorroppu eine Reise in die unberührte Natur. Es finden sich dort Oleander, blühende und duftende Steineichen, Felsen in den unmöglichsten Formen, Grotten, kleine Seen, Karstdolinen und eine Vogelwelt mit einer erstaunlichen zum Teil einzigartigen Artenvielfalt. Am Eingang der Schlucht tritt der meist unterirdisch verlaufende Gebirgsbach hervor. In der Schlucht, die wuchtig in den strahlend weißen Karst führt, versperren große, runde Felsbrocken den Weg, ganz als wolle der Flumineddu-Bach nicht, dass Eindringlinge den beeindruckenden Canyon bevölkern. Bis zum frühen Mittag treffen die Sonnenstrahlen noch bis in die Sohle der Felsspalte, danach wird es selbst im Sommer etwas kühl, insbesondere wenn ein scharfer Wind durch die Schlucht pfeift. Der Flumineddu führt im Inneren des Canyon bereits im Frühjahr nur noch unterirdisch Wasser.
Der erste Teil der Gorroppu-Schlucht kann noch recht einfach erwandert werden. Manchmal ist allerdings etwas Fantasie gefragt, um in dem Labyrinth von hausgroßen Felsbrocken voranzukommen. An manchen Stellen hilft auch ein Ausweichen auf kleine Pfade an den steilen Hängen der Schlucht. Nach etwa einer Stunde Wanderung und kurz nach einer Kletterstelle über eine glatte Felsplatte, die nur mit Hilfe eines Seils zu erklimmen ist, endet der gut zu erschließende Teil der Schlucht. Hier geht es nur für erfahrene Canyonkletterer weiter.

  Doch jetzt sind wir dran mit der Erforschung dieses Wunderlandes. Zuerst eröffnen sich die überwachsenen hohen Felsmauern, die teils so zerklüftet sind, das kleine Wäldchen in ihren Spalten wachsen können. Dann wieder wölbt sich ein Fels über eine tiefe Grotte. Und immer wieder versperren große Felsen den Weg und müssen überklettert werden. Und das macht unerwartete und große Freude..

          

Die Felsen die sich über uns wölben, sind nun rot gesprenkelt und mit dunklen Wasserspuren überzogen. Darin gibt es kein sichtbares Grünzeug: zu dunkel und abweisend wirkt das Gestein.

       

Später eröffnet sich ein freier Blick hinauf – der Canyon erweitert sich scheinbar- aber für uns ist die Wanderung zu Ende. Schade, aber es war wunderschön gleichsam im Rausch einer Kindheitserinnerung über die viel zu großen runden Steine zu klettern.

Wir wandern die gleiche Strecke zurück, die wir gekommen sind und schließlich erfrischt uns ein Bad im Flumineddu, der sauber und warm die schwimmenden Körper umfängt.

In Dogali bleiben wir noch ein bisschen, bevor wir wieder weiterfahren – den langen Weg zurück nach Stintino.

 

5. Tag: AGENTIERA

Die Silbermine Agentiera ist ein aufgelassenes Bergwerk. Es ist ein Objekt, das von der EU gesponsert wurde, um es zu restaurieren und ein Bergwerk – bzw. Mineralienmuseum hier zu errichten. Der Plan war gut, aber in der Zwischenzeit sind die Gelder einfach verschwunden. Wahrscheinlich dümpeln die Gelder als Yachten in den Häfen von Sardinien herum oder sie sind irgendwo sonst hin gefloßen, ähnlich dem Flumineddu, der auch lieber unterirdisch fließt…

Auf jeden Fall erwecken die alten, zerfallenden Gebäude einen sehr malerischen Eindruck und machen sich gut als Symbole für die Vergänglichkeit alles Irdischen. Auch würde sich das Gelände gut als Drehort für Nachkriegsfilme eignen. Doch für uns gibt es zunächst den Trost eines Kaffees und die Aussicht, dass wir bald wieder auf einer Küstenwanderung unterwegs sein werden und das macht Freude.

Besonders fein ist der Platz, wo wir diesmal unseren ständigen Begleiter, den roten Bergbus parken. Es ist eine Pinie, wunderbar gewachsen, die ihre breit ausladenen Äste über unseren Bus hin ausbreitet. Dazu gibt es kleine Felsen am Boden und Grünzeug in Menge. Hier wäre gut rasten und speisen.

Doch wir brechen auf zu unserer Wanderung nach Capo di ?????.  Die Wanderung geht über einen Steilhang hinauf – durch Maccia entlang von Wildsteigen. Gleichzeitig wird der Blick hinunter in die Bucht immer atemberaubender. Bald sind wir oben und überlegen, ob wir da wieder hinunter wollen. Doch die Überlegung erübrigt sich, weil ein breiter Zufahrtsweg von der anderen Seite an unsere Klippe heranführt.

Ich sitze auf der Spitze der Klippe und betrachte das Meer unter mir und sehe zu, wie die Sonne breite Streifen über das Wasser malt. Nur am Rand löst sich das Licht in winzige Sterne auf, die einmal da sind und dann wieder verschwinden. Und ich schaue und schaue und möchte am liebsten in dieser absoluten Schönheit versinken. Doch die Anderen frönen den Lebensgenüssen, wie essen und trinken und ich kehre zurück zu ihnen und gemeinsam beginnen wir später den Abstieg, der wenig spektakulär, Zeit und Raum zum Plaudern lässt. Das geschlossene Cafe lässt uns am Strand Zuflucht suchen, wo eine Strandbude noch ihre Pforten offen hat. Und unten in der Bucht können wir auch noch schwimmen und schnorcheln, obwohl die Last der Umweltverschmutzung auch hier getragen werden muss, und zwar in Form von Plastiksackeln, die sich grauslich um die schwimmenden Glieder schlingen.

 6.Tag: AUSFLUG auf ASINARA

  Die im Norden Sardiniens gelegene Isola dell’ Asinara ist quasi ein Naturpark im Mittelmeer. Das „Alcatraz Sardiniens“, wie die ehemalige Gefängnisinsel spöttisch genannt wird, machte es eventuellen Ausbrechern wegen der starken Strömung fast unmöglich, das rettende Festland zu erreichen. Nachdem das Gefängnis 1999 endgültig seine Pforten, respektive Zellen schloß (oder öffnete?), wurde die Insel zum Nationalpark erklärt.
 
Die empfindliche Flora und die wilde Fauna konnte sich hier jahrelang ungestört erhalten. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Bewohner umgesiedelt, denn das gut bewachte Eiland sollte nun Verbrechern, später Mafiosi als "Unterkunft'' dienen. Die ehemaligen Inselbewohner gründeten daraufhin das Fischerdorf Stintino, das seit Jahren nun schon ein wichtiges Wassersportzentrum ist.
Mit der Auflösung des Zuchthauses im Jahre 1997 wurde die Asinara-Insel zum Naturpark. Die Hauptattraktion des Naturparks besteht aus den dort lebenden weißen Eseln, den „Asini Bianchi“. Nirgendwo sonst auf Sardinien trifft man diese wunderschönen Tiere an, die zwar possierlich anzusehen sind, sich jedoch getreu ihres Rufes als sehr störrisch und unzugänglich erweisen. Das weiße Fell und die rosa Haut ist auf eine angeborene Störungen in der Biosynthese der Melanine zurückzuführen: Die Haut dieser Esel enthält zwar die farbstoffbildenden Zellen, doch diese sind unfähig, den Farbstoff Melanin zu bilden. Der Equus asinus var. albina bekommt daher leichter Hautausschläge, außerdem ist seine Sehschärfe und sein räumliches Sehen eingeschränkt. Doch verdankt die Insel ihren heutigen Namen nicht, wie mehrfach irrtümlich angenommen, den hier lebenden asini (Esel).
 Der heutige Name Asinara leitet sich von Sinuaria bzw. sinuoso (gewunden, kurvenreich) ab und spielt auf ihre typisch geschwungene Form an. 

Ambiente des Hafens von Stintino

Um 9.30 legen wir mit einem Boot ab, das uns nach Asinara bringen wird. Dort geht es zunächst zu Fuß auf einer Betonpiste dahin, während uns links und rechts malerische Landschaft umfängt. Doch schließlich reicht es Luca, unserem Führer, mit der langweiligen Schleicherei und er beschließt einfach aufzusteigen, dort, wo wir gerade angekommen sind. Zunächst ist es ganz einfach. Wir wandern über Wiesen ohne Weg und Steg, dann queren wir ein Pinienwäldchen und treffen später auf Ruinen von alten Häusern, die noch aus der Zeit stammen, bevor Asinara zur Gefängnisinsel wurde.

Und DANN geht es über riesige Felsplatten hinauf Richtung Kastell. Irgendwie findet jeder von uns „seinen“ Weg und nach einigen Mühen und grimmigen Bemerkungen stehen wir schließlich oben und es eröffnet sich ein atemberaubender Blick über die Landschaft, die in ihrer Schönheit ihresgleichen sucht. Die teils bizarren, teils mächtigen Felsformationen, geschmückt mit unterschiedlichen Sträuchern und Pflanzen lagen in ihrer natürlichen Einfachheit offen da, weitläufig hingebreitet vor dem bewundernden Blick. Und vor uns stand das alte Kastell. Längs zur Ruine „gereift“, aber umso romantischer in seiner Verschmelzung von Steinen und grünen Pflanzen, die sich der von Menschenhand geschichteten Steine ebenso bemächtigen, wie der natürlichen Felsen. Dazu kommt der dunkelblaue Hintergrund der Meeresoberfläche, die den natürlichen Zauber der Felslandschaft wirkungsvoll erhöht.

Ich zeichne die Reste des Kastells, aber es wird nicht viel daraus. Besser werden die Fotos vom Inneren des früheren Wehrbaues.

   

 Wir essen und plaudern vor dem Kastell und beginnen später den Abstieg über den vorgesehenen Wanderweg Nr. 2. Und es begegnen uns am Weg nach unten Schlangen und Schildkröten und auch die berühmten weißen Eseln. Ich versteh nicht ganz die bewundernde Haltung gegenüber Tieren, die einfach nur genetisch benachteiligt sind – aber sei’s drum. Man hat auch den Riesen vom Steinfelde jahrelang als Jahrmarktattraktion herumgezeigt, was ich auch nicht wirklich verstehen kann. Und tatsächlich begegnen uns einige der weißen Esel - doch sie sind schnell wieder weg und können nur durch die Geduld von Ingrid fotografisch "bezwungen" werden.

Bei dem meistfotografierten Durchblick der Insel machen wir später Halt, um in schöner Geschlossenheit als Gruppe vor dem ominösen Felsenloch zu posieren. Dann geht es weiter hinunter und mittendrin begegnet uns ein Rudel Wildpferde, die so schön sind, das ich ganz hingerissen bin. Noch nie habe ich so schöne, freie und lebendige Pferde gesehen: vielleicht in einem Naturfilm, aber noch nie wirklich und lebendig vor mir. Ich kann es gar nicht glauben, dass diese Pferde hier völlig frei leben, dass sie niemandem gehören, nur sich selbst. Die weißen Esel sollen von mir aus auch ihr freies Leben hier genießen: Doch mir erscheinen die Herden der Wildpferde als das Kostbarste der Insel.

Weiter geht es hinab durch Gestrüpp und über vielfarbige Bodenpflanzen, die aus üppigem Kraut ihre zarten Blüten dem Licht entgegenstrecken oder ihren Duft freigiebig verströmen. Und dann sind wir wieder auf der Heerstraße, die für Jeeps und bequeme Exkursionen gebaut wurde und wir wandern zunächst ganz beschwingt und flott dahin. Zwar war von vorneherein klar, dass wir nur an einem ganz bestimmten Strand baden durften, aber wie mühselig es würde, diesen auch zu erreichen, das merkten wir erst jetzt.

               

Und so trotteten wir im gleißenden Sonnenlicht ziemlich lange auf einem staubigen Karrenweg dahin, der am Horizont gleichsam verschwand und den wir bis zum bitteren Ende abgehen mussten. Erst dann durften wir ins Wasser, das angenehm und sauber war. Obwohl am Rande der Bucht eine "Monokultur" von Meergras angelegt war, fühlte sich das Ganze fast wie ein Swimmingpool an und wir freuten uns an unserem letzten oder vorletzten Bad. (Einige von uns werden noch „La Pelosa“ aufsuchen zu einem letzten Schwimm) Doch das Vergnügen fand sehr bald ein Ende, weil wir zur letzten Fähre, um 16 Uhr, noch rechtzeitig zurück sein mussten. Also wieder in die Klamotten und in die Bergschuhe und zurückgewandert, wie gehabt. Diesmal aber links vorbei am Gefängnis hinunter zu dem Vorgarten, wo die Gefangenen ein Steinlabyrinth errichtet hatten.

Steinelabyrinth

Front des ehemaligen Gefängnisses

Hier schenkt uns Luca Weißwein aus – doch wäre uns Wasser, ausreichende Mengen von Mineralwasser - zweifellos lieber gewesen. Doch das gibt es hier nicht und später auch nicht am Schiff.

Dennoch war es ein glücklicher Tag, geformt aus erlebnisreichen Stunden, die wir auf diesem merkwürdigen Eiland verbracht haben

Das abendliche Abschiedsessen soll nur im Bild überliefert werden.

       

 

Danke Ursula!
Danke Luca!

               

für die Organisation dieser wunderschönen Reise! Danke Ingrid für Deine Scoutdienste! Danke Marlene für die aufmunternden Reden! Danke Margit für Deine vorbildliche Wanderhaltung! Danke Verena für Deine lebendigen und schillernden Kommentare! Danke Gudrun für Deine „coole Art“ die Dinge zu sehen und danach zu handeln!

 

Verschiedene Gesichter derselben Insel, verschiedene Aspekte eines einzigen Landes

Mit seinen insgesamt 1840km Länge, ist Sardinien die Region  mit dem höchsten Anteil  Küste von ganz Italien. Das Meer ist ungetrübt und praktisch verschont vor jeglicher Art Verschmutzung. Aufgrund der Erosion durch Wind und Regen auf der Insel keine hohen Berge mehr gibt. Es bestehen aber viele gebirgige Zonen, charakterisiert durch Hochebenen und Hügelgruppierungen.

            Viele schätzen Sardinien als die "am wenigsten italienische" Region Italiens ein: Die geografische Isolierung hat tatsächlich die Entwicklung von einmaligen lokalen Tier- und Pflanzensorten ermöglicht (wie das "muflone", eine Art wildes Schaf, oder der weißhaarige Esel der Asinara) und hat sprachliche Sonderheiten und antike Traditionen, über Jahrhunderte erhalten lassen.

Die kulinarische Tradition Sardiniens ist eng verbunden mit der Vielfalt seiner Natur: Tief verbunden mit der Vergangenheit und basiert auf unverfälschte Zutaten und handgemachte Produkte, gehen die Geschmacksrichtungen von am Spiess gebratenem Fleisch, typisch für das Landesinnere (zubereitet nach lokalen Rezepten), über delikate Fischgerichte mit frischem Fisch der Küste, bis hin zu unzähligen Süssgebäcken auf Basis von Mandelteig, Honig und Sapa (Saft aus gekochten Trauben) und den aromatisch kräftigen Lokalweinen. Schließlich, eine gute Tasse Kaffee...

Wirtschaft:

Sardiniens Aktivitäten konzentrieren und konzentrierten sich seit jeher vorwiegend auf die Viehzucht (Schafe, Ziegen, Schweine sowie Rinder) und den Ackerbau (Getreide, Wein, Oliven sowie Südfrüchte). Um die Wirtschaft in den Griff zu bekommen, startete die Regierung in den 1960-er und 1970-er Jahren mehrere Projekte, die Investoren die Möglichkeit geben sollten Großindustrien auf der Insel anzusiedeln. Dieser Versuch hatte jedoch einen nur mäßigen und vor allem zeitlich begrenzten Erfolg. Auch der Abbau des Rohmaterials in den Bergbaugebieten dämmerte, Dank zunehmender sozialer Probleme und planloser Abbaumaßnahmen, langsam ein. Heute ist Sardinien als Tourismusziel überdurchschnittlich attraktiv. Das zeigen die jährlichen Zunahmen der eingereisten Touristen und die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr. Die Arbeitslosenrate ist trotzdem überdurchschnittlich hoch (15%), denn viele Sarden im arbeitsfähigen Alter sind nur in der Saison beschäftigt. Das reicht natürlich nicht zum Leben und so wählen viele junge Sarden den Weg in die Emigration.

Skizze zur geschichtlichen Situation Sardiniens:

nach Wikipedia

Ab etwa 1600 v. Chr. herrschten auf der Insel die Nuragher. Heute existieren noch über 3.000 von einst etwa 7.000 bis 10.000 turmartigen Nuraghen, nach denen die Kultur benannt ist. Hinzu kommen  Dolmen und Galerien, Gigantengräber, Menhire, Steinkreise und heilige Brunnen, von denen es etwa drei Dutzend gibt. Unikate sind die Steinkisten von Li Muri, der Nuraghentempel von Malchittu, das megalithische Rundgrab „Masone Perdu“ bei Laconi und die Figuren von Monte Pram

a.

 

Abbasanta - Nuraghe Buddiso Nuraghe
Ogliastro -Nuraghe Torraba Nuraghe

    Die wuchtigen, an einen Kegelstumpf erinnernden Steinbauten zählen zu den bekanntesten und interessantesten Kulturdenkmälern Sardiniens. Ihre Türme, Kammern, Wendelgänge, Nischen, Stufen und Plattformen geben schon seit Jahren Anlass zu allerlei Spekulationen, wenn es um die Deutung ihrer Nutzung geht. Wirklich weiß man bisher kaum mehr, als dass die konischen Rundtürme den bronzesteinzeitlichen Nuraghern offenbar auch als Kur- und Heilstätten, sowie als Kalender dienten, von denen Priester und Gelehrte astronomische Beobachtungen anstellen konnten.          

 

Weit vor der phönizischen, gab es eine Phase mykenischen und zypriotischen Handels im Mittelmeerraum, der die nuraghische Kultur und vielleicht auch andere westmediterrane Kulturen erreichte (Korsika, Malta, Sizilien)

Die phönizisch-punische Phase

Die phönizisch-punische Zeit auf Sardinien begann im 9. Jahrhundert v. Chr. Die von Tyros ausgehende phönizische Phase dauerte 300 Jahre bis etwa 550 v. Chr. Die nachfolgende punische Phase endete nach ebenfalls etwa 300 Jahren im 3. Jahrhundert.

Bereits seit dem 14. Jahrhundert v. Chr. wurde Sardinien von Seefahrern aus dem östlichen Mittelmeer aufgesucht. Mykener und Zyprer, vermutlich zuvor auch  Minoer, trieben zu dieser Zeit bereits Handel mit der Insel. Auch der etruskisch-phönizische Handel wurde ab dem 7. Jahrhundert auf Sardinien abgewickelt, da  die Etrusker in ihrem Bereich keine Niederlassungen zuließen.

Die Phönizier gründeten aber nicht nur Handelsniederlassungen an Orten wie Karali (röm. Carales; heute Cagliari, die älteste), Nora, Sulki und Tharros sondern auch Kolonien. Ob die Nuragen - Kultur der wenig später erfolgten Landnahme Widerstand leistete, ist umstritten, da sich die Kultur bereits in ihrer Endphase befand. Eine Inschrift auf der Stele von Nora aus dem 9. Jahrhundert spricht indes von Kampfhandlungen. Belegt ist auch die Einäscherung des Monte Sirai, ohne dass man den Verursacher ermitteln könnte. Dies geschah etwa zu jener Zeit, als die Punier die Herrschaft über die Kolonien übernahmen.

Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. hatten die Punier den Süden und Westen Sardiniens unter Kontrolle gebracht und die Versuche einer griechischen Besiedlung auf Korsika (540 v. Chr. in der Seeschalcht von Alalia) unterbunden. Danach begannen sie, ihren Teil der Insel zur Kornkammer umzugestalten. Römische Quellen berichten von großflächigen Rodungen. Gleichzeitig kam es nach Cicero (in Pro Scauro) zur Ansiedlung punisch-libyscher Siedler, die als Landarbeiter auf die Insel gebracht wurden. Sardinien diente auch zur Truppenrekrutierung. So nahmen Sarden bereits um 480 v. Chr. an der von Hamilkar verlorenen Schlacht bei Himera  auf Sizilien teil.

Die besetzten sardischen Gebiete erhielten entlang der heutigen Staatsstraße SS131 ein möglicherweise mit Meilensteinen versehenes Straßennetz. Die Hauptverbindungen gingen jedoch über das Meer an den Küsten entlang, wo Stützpunkte errichtet wurden. Punisches und Sardisches verband sich im besetzten Gebiet ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. zu einer gemeinsamen Kultur, wobei sich einerseits die punische Variante des Fruchtbarkeitskultes verbreitete, während andererseits der Kult des „Jagdgottes“ Sid Addir Babay und anderer nuraghische Gottheiten in der sardisch-punischen Götterwelt aufgingen und ihre Heiligtümer in veränderter Form fortbestanden.

Das Dreieck Ibiza, Korsika (inklusive Sardinien) und Sizilien stellte nach heutiger Kenntnis die überseeische Fortsetzung des karthagischen Mutterlandes dar, während das festländische Spanien militärisch, verwaltungstechnisch, ethnisch und kulturell weit weniger eng mit Nordafrika verbunden war.

Die punischen Städte Sardiniens wurden als einzige nach dem Vorbild Karthagos regiert. Sie besaßen eine Volksversammlung unter dem Vorsitz zweier Sufeten, die nur für ein jeweils nach ihnen benanntes Jahr im Amt waren. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die militärische Übernahme der Insel durch die Römer im Jahr 238 v. Chr. primär ein politisches Datum darstellt. Noch in neuerer Zeit konnte die Archäologie zeigen, dass Sardinien noch lange, nachdem Scipio im Jahr 146 v. Chr. Karthago zerstört hatte, von der punischen Kultur geprägt blieb.

Während des   Ersten Punischne Krieges hatte Rom die strategische Bedeutung Sardiniens zu spüren bekommen. Nach vergeblichen Versuchen, die Insel in ihre Gewalt zu bringen, musste Rom im Friedensvertrag von 241 v. Chr. die Hoheitsrechte Karthagos über Sardinien anerkennen.

Aufstände in Nordafrika, in deren Folge auch die auf Sardinien stationierten Truppen meuterten und unter der Bevölkerung fürchterliche Massaker anrichteten, führten dazu, dass die Römer im Jahre 238 v. Chr. die Herrschaft über Sardinien erlangen konnten.

Die Römer und deren Nachfolger

Bis zum Ersten Punischen Krieg waren die punischen Bewohner Karthagos nominell die Herren der Insel, obwohl sie nie ins Landesinnere vorstießen, das noch weit bis in die römische Zeit (ab 238 v. Chr.) weitgehend autonom war. Nach der römischen folgte die achtzigjährige Besetzung durch die Vandalen ab 455 n. Chr. Die byzantinische bzw. oströmische Besetzung begann dann 534, als der kaiserliche Feldherr   Belizar die Inseln im westlichen Mittelmeer eroberte. Danach veramte die Insel  materiell und kulturell. Trotzdem nahm die sardische Folklore byzantinische Einflüsse auf, wie die S´ardia, ein Reiterfest zu Ehren Kaiser Konstantins, in    Sedolo zeigt. Kurz darauf erschienen die Ostgoten auf der Insel, die 552 unter Totila Cagliari eroberten. Die Langobarden versuchten ab 568 mehrmals, aber ohne Erfolg, die Insel zu erobern.

Die vier sardischen Judikate

                          

Mit der Eroberung von Sulcis im Jahre 704 brach eine mehr als zweihundertjährige Phase an, in der die Aaber immer wieder die Küsten der Insel überfielen. Ein Großteil der Küstenbevölkerung flüchtete ins Innere der Insel. Der Handel ging stark zurück, die Bewohner betrieben im Inneren der Insel Subsistenzwirtschaft und jede Stadt, jedes Dorf versuchte autark zu werden. Im Jahre 753 besetzte ein arabisches Heer den Süden der Insel. Im Jahre 815 ersuchte die Insel  Ludwig den Frommen (778-840) vergeblich um Hilfe. Offiziell endete die byzantinische Herrschaft  um 832 mit der Szession des byzantinischen Statthalters.

Die nun isolierte Insel war vom 9. Jahrhundert an in vier Giudicati (   Judikate)   Arborea, Cagliari, Gallura und Torres mit einheimischen    Feudalherrschern („Richtern“) geteilt. Die arabischen Flotten beherrschten die Küsten. Eine dauerhafte arabische Eroberung konnte bis 1014/15 verhindert werden, als  Mudschahid von Denia mit Hilfe von 120 Galeeren große Teile der Küstengebiete eroberte. Durch Vermittlung von Papst    Bendedikt VIII. schlugen 1016 die Flotten der Seemächte    Genua und Pisa die Araber und verdrängten Mudschahid wieder von der Insel. Pisa erhielt Sardinien offiziell als päpstliches Lehen, Genua beherrschte den Norden.

Pisaner, Schwaben und Spanier

Der Staufer und König von Sizilien, Friedrich II. (1198–1250), ernannte 1239 seinen illegitimen Sohn Enzio zum König von Sardinien (1239–1249), woher der Status der Insel als Königreich herrührt, der bis zum Aufgehen im Königreich Italien 1861 erhalten blieb. Sardinien fiel später, ebenso wie Sizilien, zunächst dem Königreich von Aragon (1323–1409) zu, das den sardischen Reichsstatus erneuerte, und gehörte seit dem frühen 16. Jahrhundert in Personalunion zum Königreich Spanien: das Judikat von  Arborea zerfiel zuletzt.

Die autochtone Bevölkerung der Stadt  Alghero (sardisch S’Alighera, katalanisch L’Alguer) wurde  vertrieben bzw. durch katalanische Siedler ersetzt; ihre Nachkommen sprechen bis heute katalanisch.

 Österreicher, Piemontesen und Italiener

Nach dem Aussterben der spanischen Habsburger fiel Sardinien nach dem Spanischen Erbfolgekrieg 1714 an die österreichische Linie des Hauses Habsburg, wurde jedoch schon 1720 von Österreich – im Tausch gegen Sizilien – an das Herrscherhaus von Svoyen abgetreten, das 1714 mit dem Besitz von Sizilien einen Königstitel erworben hatte und denselben nunmehr auf den Besitz Sardiniens gründete. Das neu entstandene  Königreich Sardinien mit seiner Hauptstadt  Turin und seinen Provinzen Savoyen und Piemont hatte seinen geographischen Schwerpunkt jedoch auf dem italienischen Festland. Lediglich während der französischen Okkupation des norditalienischen Reichsteils zwischen 1799/1800 und 1814 regierten die sardischen Könige Karl Emanuel IV. (1796–1802) und sein Bruder Viktor Emanuel I. (1802–1821) – ähnlich wie wenig später der aus Neapel vertriebene bourbonische König von Sizilien,  Ferdinand der IV. – unter dem Schutz der britischen Flotte direkt von ihrer Insel Sardinien aus, die sonst eher vernachlässigt wurde. Im Zuge der italienischen Einigung wurde der Herrscher Sardiniens Viktor Emanuel II. (1849–1878) im Jahre 1861 König von Italien. 

Autonomie

Im Zuge dieser Einigung und der erneuten Rückverlagerung des Schwerpunkts der Macht in Italien nach Turin, Florenz bzw. Rom wurde Sardinien endgültig an den provinziellen Rand gedrängt. Erst 1946 erhielt die Insel Autonomie, doch bis 1982 gab es vereinzelte, z. T. bewaffnete Rebellionen, die häufig auch mit Entführungen verbunden waren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

print